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Vergangenen Februar in München:

vGA? Ja. Auflösung der Rückstellung? Nein!

Erneut musste das Dauerthema GGF-bAV-vGA vor dem höchsten deutschen Finanzgericht ausgeurteilt werden. Dieses Mal ging es aber nicht nur um das Thema vGA, sondern auch um das Eindeutigkeitserfordernis eines gerichtsnotorischen Intensivtäters des Pensions-Parketts, nämlich des § 6a EStG. Der BFH schickte den Fall zurück an die rheinische Vorinstanz, die ungesund harsch entschieden hatte – und stellte klar, dass „wenn und soweit“ nicht nur dem Grunde nach bedeutet, sondern auch der Höhe nach. Claudia Veh ist zufrieden aber nur zur Hälfte.

Der BFH hatte in einem Fall, in dem es um die Pensionszusagen für zwei Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) ging, zu beiden Prüfebenen der R 8.7 KStR zu urteilen. Strittig war zum einen, ob eine Pensionsrückstellung überhaupt gebildet werden darf (1. Prüfebene, R. 8.7 Satz 1 bis 4 KStR) sowie ob die laufenden Renten an die GGF als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu qualifizieren sind (2. Prüfebene, R 8.7 Satz 5 bis 6 KStR).

Der Fall, die Vorinstanz …

In einer 1984 gegründeten GmbH erhielten die beiden GGF (Jahrgang 1951 und 1953) im Jahr 1985 Pensionszusagen, was die Gesellschafterversammlung bereits Ende 1984 beschlossen hatte. Im Jahr 1992 wurden die Zusagen neu gefasst und die ursprünglichen Zusagen aufgehoben. Zwei Jahre später erfolgte eine erneute Neufassung der Zusagen, in denen sich folgende Regelung fand:

B-1. Altersgrenze

Die Altersgrenze ist der letzte Tag des Monats, in dem Sie Ihr 65. Lebensjahr vollenden.

Sie haben auch die Möglichkeit, zu einem früheren oder einem späteren Zeitpunkt als der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Firma eine Altersrente gemäß Punkt A-1. zu beziehen … Der vorzeitige Bezug der Rente ist jedoch entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich.“

Die beiden GGF schieden im Januar 2010 vorzeitig aus dem Unternehmen aus. Sie erhielten Beraterverträge, auf deren Basis sie für die Firma weiter beratend tätig sein sollten. Ihre Anteile wurden auf ihre Söhne übertragen.

Ab vollendetem 60. Lebensjahr bezogen beide ihre vorgezogene Altersrente aus der Pensionszusage unter Berücksichtigung einer Kürzung um 0,4% pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme.

Bei einer Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2012 bemängelte die Finanzverwaltung etliche Punkte.

Die Prüfer forderten eine Auflösung der Pensionsrückstellungen für die Alters- und Witwenrente, da der Gesellschafterbeschluss zur Erteilung der Zusagen nicht hinreichend konkret gewesen sei und die Formulierung zur vorgezogenen Altersrente nicht eindeutig und damit steuerschädlich gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG sei. Weiter kam die Prüfung zum Ergebnis, dass die laufenden Renten als vGA zu qualifizieren seien, u.a. wegen eines Verstoßes gegen die Probezeit sowie aufgrund zusagewidriger Zahlung von vorgezogener Altersrente, die – nach Lesart der Prüfer – nur möglich sein sollte, wenn unmittelbar mit dem Ausscheiden der tatsächliche Rentenbezug einsetzt, nicht aber, wenn das Ausscheiden und der Beginn der vorgezogenen Altersrente zeitlich auseinanderfallen, d.h. wenn – wie hier – die GGF zuvor mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschieden sind.

Die GmbH konnte beide Ergebnisse nicht nachvollziehen und klagte vor dem FG Düsseldorf – vor dem sie prompt unterlag (Urteil vom 9. September 2021–7 K 3034/15 K,G,F). Mehr Einzelheiten zu dem Fall und dem harschen erstinstanzlichen Urteil finden sich auf PENSIONSINDUSTRIES hier. Das Unternehmen beschritt anschließend das Revisionsverfahren beim BFH.

und die Revision in München

Mit seiner Entscheidung gab der BFH (Urteil vom 28. Februar 2024 – I R 29/21) der Finanzverwaltung im Punkt vGA Recht, nicht jedoch bzgl. einer Auflösung der Pensionsrückstellung.

1. Eindeutigkeit der Zusageregelung nicht nur für jede Komponente separat zu prüfen …

Die Richter kommen nach eingehender Analyse des Wortlauts des § 6a Abs. 1 EStG zu dem Ergebnis, dass eine Pensionsrückstellung für die Altersrente zu bilden ist, wenn und soweit die Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente mit Erreichen der Regelaltersgrenze eindeutig bestimmt sind, auch wenn die Pensionszusage keine eindeutigen Angaben zu den Voraussetzungen eines vorzeitigen Altersrentenbezugs enthält.

Der Bundesfinanzhof in München.

Denn: Mit der Formulierung „wenn und soweit“ in § 6a Abs. 1 EStG wird der Ansatz der Rückstellung nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach (Umfang) angeordnet. Neben der steuerlichen Nichtanerkennung und der steuerlichen (Voll-)Anerkennung („wenn“) kann es folglich auch zu einer steuerlichen Teil-Anerkennung („soweit“) von Pensionszusagen kommen.

Dazu muss die schriftlich erteilte Zusage eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten.

Fehlt es an dieser Eindeutigkeit der Zusage einer Versorgungskomponente, hindert dies insoweit nicht eine Rückstellung für die Zusage einer anderen Versorgungskomponente (bei Teilbarkeit der zugesagten Leistungen). Das heißt:

Ist z.B. in einer Pensionszusage der Bezug einer Invalidenrente nicht eindeutig geregelt, der Bezug der Altersrente hingegen schon, scheidet nur die Bildung einer Pensionsrückstellung für die Invalidenrente aus, nicht jedoch für die Altersrente.

sondern auch hinsichtlich allgemeiner Anspruchsvoraussetzungen und spezieller Voraussetzungen für Zusatzleistungen

Der BFH kommt weiter zu dem Ergebnis, dass auch innerhalb eines bestimmten Leistungsversprechens eine Teilbarkeit vorstellbar und mit dem Wortlaut des Gesetzes zu vereinbaren ist.

So kann etwa hinsichtlich der „Voraussetzungen“ einer „in Aussicht gestellten künftigen“ Leistung (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG) zwischen allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen und speziellen Voraussetzungen für Zusatzleistungen oder Voraussetzungen für den Leistungsbezug dem Grunde und dem Leistungsbezug der Höhe oder der Dauer nach differenziert werden.

Die steuerliche Nichtanerkennung der vorzeitigen Altersrente führt dann dazu, die Rückstellung hinsichtlich des Altersversorgungsversprechens nach dem Pensionsalter für die normale Altersrente zu berechnen und dementsprechend der Höhe nach zu begrenzen. Denn insoweit ist eine Eindeutigkeit der Pensionszusage gegeben, die nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass die Voraussetzungen für einen vorgezogenen Rentenbezug unklar geregelt sind. Gleiches gilt für die Witwenrente, da diese an die Altersrentenversprechen anknüpft.

Damit müssen die gebildeten Pensionsrückstellungen in der Bilanz nicht aufgelöst werden.

2. Leistungen trotz unklarer Regelung führt zu vGA

Auf der zweiten Prüfebene schloss sich der BFH im Ergebnis jedoch der Sicht des FG Düsseldorf und der der Prüfer an: Die laufenden Renten sind als vGA zu behandeln, d.h. es kommt außerhalb der Bilanz zu einer Korrektur des steuerbilanziellen Gewinns.

Für den BFH führt die Gewährung einer Leistung an einen beherrschenden GGF zu einer vGA, wenn diese erfolgt, obwohl die maßgebliche Regelung unklar ist. In diesem Fall hält das Erbringen von Leistungen zugunsten eines versorgungsberechtigten beherrschenden GGF dem Fremdvergleich nicht stand.

Zurück nach Düsseldorf

Zur tatsächlichen Feststellung der Rückstellungshöhe (auf Basis der regulären Altersrente) sowie der Frage, ob für alle Streitjahre eine außerbilanzielle Korrektur unter dem Gesichtspunkt der vGA vorzunehmen ist, wurde der Fall an das FG zurückverwiesen. Diese wird also u.a. zu klären haben, ob etwa ein Probezeitverstoß zu einer dauerhaften vGA führt, wobei der BFH darauf hinweist, dass bei der Prüfung des Probezeiterfordernisses die Neuerteilung der Zusagen im Jahr 1992 zu berücksichtigen ist.

Fazit

Das Urteil ist bzgl. der Erfordernisse des § 6a EStG, konkret der Erfordernis von Klarheit und Eindeutigkeit im Hinblick auf Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen, eindeutig zu begrüßen.

Claudia Veh, Deloitte.

So scheitert eine Pensionsrückstellung für eine Zusagekomponente (Altersrente) nicht daran, dass eine spezielle Voraussetzung für eine Zusatzleistung (vorgezogene Altersrente) nicht erfüllt ist.

Im Hinblick auf die vGA bedeutet das Urteil, dass man bei beherrschenden GGF bei der Formulierung von Pensionszusagen besonders auf ein-eindeutige Regelungen achten und stets prüfen muss, ob ein anderer Leser der Zusage zu einer anderen Auslegung kommen könnte. Wenn ja, sollte die Formulierung nachgeschärft werden.

Das Urteil sollte insb. als Anlass genommen werden, Pensionszusagen von GGF im Punkt „vorgezogene Altersversorgung“ zu überprüfen. So muss z.B. eindeutig geregelt sein, ob auch nach vorzeitigem Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft ein vorgezogener Bezug der Altersrente möglich sein soll oder nicht; oder auch ob etwa mit der Nennung eines frühestmöglichen Alters für den Bezug der Altersrente mit Verweis auf die gesetzliche Rentenversicherung lediglich auf den frühestens im Sozialgesetzbuch überhaupt genannten Zeitpunkt für den Bezug einer Altersrente referenziert werden soll oder ob für den vorzeitigen Rentenbezug die dafür im SGB genannten besonderen Voraussetzungen vorliegen müssen.

Das Urteil I R 29/21 des BFH vom 28. Februar 2024 findet sich hier.

Die Autorin ist Aktuarin und Partnerin der Deloitte B&W GmbH in München.

Von Deloitte-Autorinnen und Autoren sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES erschienen:

BMF vs. BFH zu GGF-bAV-vGA – Breaking the Case Law (II):
Wer wie was vGA?
von Dr. Claudia Veh, 1. Oktober 2024

BRSG 2.0-E (X) – Spot on SPM:
Die Frage der Einschlägigkeit
von Dr. Klaus Friedrich, Dr. Lars Hinrichs und Dr. Claudia Veh, XX. August 2024

Vergangenen Februar in München:
vGA? Ja. Auflösung der Rückstellung? Nein!
von Dr. Claudia Veh, 31. Juli 2024

Studie zur bAV:
Schnelles Bündel
von Dr. Klaus Friedrich und Dr. Christian Schareck, 19. August 2018

Anm. d. Red.: Der Komplex GGF-bAV-Steuer, nicht selten in Kombination mit der Frage der vGA, ist Dauer-Gast vor deutschen Finanzgerichten und damit in der Folge auch auf PENSIONSINDUSTRIES, allein hier ist mittlerweile eine staatliche Liste an Veröffentlichungen entstanden. Da mit weiteren Entwicklungen zu rechnen ist und die Übersicht nicht verloren gehen soll, hier die wesentlichen Beiträge zu dem Thema; zu nennen sind insb.:

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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