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Von Stuttgart nach München:

Direktzusage, RDV, Verzicht, Pensionsfonds, vGA?

Ein Unternehmen ist in Schwierigkeiten, die beiden GGF versuchen zu retten, was zu retten ist, greifen in ihre Zusagen ein, strukturieren mit Hilfe des 3.66 um, scheitern am Ende doch, das Unternehmen geht also in die Insolvenz – und dann sieht der Betriebsprüfer auch noch eine vGA. Prompt geht die Sache vor Gericht, die Finanzverwaltung verliert, gibt aber nicht auf. Claudia Veh analysiert die Lage.

Führt die Auslagerung einer dem Fremdvergleich nicht standhaltenden Pensionszusage auf einen Pensionsfonds bei dem GGF zu Einkünften aus Kapitalvermögen aufgrund einer verdeckten Gewinnausschüttung?

Claudia Veh, Deloitte.

Dieser Frage ging das FG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung 10 K 1444/22 vom 26. Februar 2024 nach. Der Reihe nach:

Der Fall: Brüderlich geteilte Geschäftsführung

In einer GmbH bestanden Pensionszusagen für zwei Brüder, die mit je 50% Beteiligung als GGF die Firma leiteten. Die Zusagen mit zunächst einem Pensionsalter von 65 Jahren wurden mehrfach angepasst und betrugen zuletzt 75% des anrechenbaren Gehalts, wobei die Altersgrenze zuletzt von Alter 65 auf Alter 60 abgesenkt wurde.

Die steuerbilanzielle Ermittlung der Pensionsrückstellungen erfolgte in Einklang mit den seinerzeit maßgeblichen R 6a Abs. 8 Satz 1 EStR auf das Alter von 66 Jahren. Zur Finanzierung der Zusagen bestanden verpfändete Rückdeckungsversicherungen. Eine außerbilanzielle Korrektur der Zusagen erfolgte offenbar bislang nicht.

Die Firma geriet in der Folgezeit aufgrund der Insolvenz ihres Hauptkunden in nachhaltige wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Im Verzicht in zwei Stufen und Auslagerung auf Pensionsfonds …

Aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten verzichteten die beiden GGF zunächst auf Teile ihres Future Service.

In einem zweiten Schritt erfolgte, um die Firma bilanziell zu entlasten und zukunftsfähig zu machen, eine Teilauslagerung der Zusagen auf einen Pensionsfonds. In diesem Zusammenhang wurde auf die nicht ausgelagerten Teile der Pensionszusagen verzichtet. Dieser Verzicht umfasste auch Teile des Past Service. Die Finanzierung des Einmalbeitrags erfolgte über die bestehenden Rückdeckungsversicherungen.

Schließlich musste trotz dieser Maßnahmen Insolvenz angemeldet werden.

erkennt die Betriebsprüfung eine vGA

Nach einer Betriebsprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass ein Teil der für die Auslagerung der Pensionszusagen an den Pensionsfonds geleisteten Prämien bei den beherrschenden GGF als vGA in Form von Kapitalerträgen anzusetzen seien. Seines Erachtens indiziere das Pensionsalter von (nur) 60 Jahren eine im Gesellschaftsverhältnis wurzelnde Veranlassung der Zusagen. Aus diesem Grund seien die Zusagen anteilig als vGA zu behandeln („vGA der Höhe nach“, BMF-Schreiben vom 9. Dezember 2016, Az IV C 6 – S 2176/07/10004: 003). Der vorgenommene Verzicht hingegen wurde als betrieblich veranlasst anerkannt, d.h. eine verdeckte Einlage aufgrund des Teilverzichts erfolgte nicht.

In der Folge wurde der Einkommensteuerbescheid um die Einkünfte aus Kapitalvermögen infolge der vGA angepasst.

Die Ehefrau eines mittlerweile verstorbenen GGF, mit dem sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt war, legte erfolglos Einspruch ein und klagte schließlich vor dem FG Baden-Württemberg.

Die Entscheidung

Das FG Baden-Württemberg sah keinen Zufluss in Form von Kapitalerträgen bei Auslagerung der Zusage auf den Pensionsfonds und gab der Witwe Recht. Der Einmalbeitrag an den Pensionsfonds im Zuge der Auslagerung der Zusage auf den Pensionsfonds führe nicht zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen aus einer vGA.

Die vGA grundsätzlich …

vGA gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Eine vGA durch eine Kapitalgesellschaft ist bekanntlich gegeben, wenn die GmbH ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass ganz oder teilweise im Gesellschaftsverhältnis hat.

FG Baden-Württemberg in Stuttgart.

Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt. Nicht erforderlich für das Vorliegen einer vGA. i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist eine korrespondierende Gewinnminderung auf der Ebene der Körperschaft.

und in diesem Fall

Teil 1: Verzicht und Auslagerung

Beide – im Übrigen aufgrund gleichgerichteter Interessen bei Zusageerteilung – als beherrschend anzusehenden GGF hatten auf große Teile ihrer Zusagen verzichtet, um die Firma bilanziell zu entlasten und zukunftsfähig zu machen. Dieser Verzicht war unstrittig betrieblich veranlasst. Er trug den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firma Rechnung und sollte eine Insolvenz verhindern.

Die Auslagerung auf den Pensionsfonds entsprach dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers einer GmbH und halte dem Fremdvergleich stand, entschied das FG: Allein die Übertragung auf den Pensionsfonds könne nicht zu einer vGA führen, wenn die Pensionszusage rechtmäßig in der Bilanz bilanziert wurde und eine außerbilanzielle Korrektur nicht geboten war. Die in Einklang mit § 6a EStG dem Grunde und der Höhe nach korrekte Bilanzierung der Zusage war vom Fachprüfer bestätigt worden.

Zudem hat die Auslagerung auf den Pensionsfonds die Firma nicht wirtschaftlich belastet, da der Einmalbeitrag aus den verpfändeten Rückdeckungsversicherungen finanziert wurde.

Sowohl der Verzicht als auch die Auslagerung der Zusagen an sich seien also betrieblich veranlasst gewesen, so das Urteil.

Teil 2: Frage des steuerlichen Zuflusses

Ein steuerlicher Zufluss beim GGF wurde vom FG verneint, da der GGF im Zusammenhang mit der Auslagerung keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über liquide Mittel erlangt habe. Es habe sich lediglich die Zahlstelle der künftigen Pensionsleistungen geändert (von GmbH auf Pensionsfonds).

Das FG erkennt zwar an, dass der Wechsel von einer Direktzusage auf einen mittelbaren Durchführungsweg mit vorgelagerter Lohnbesteuerung grundsätzlich zu lohnsteuerpflichtigen Leistungen des Arbeitgebers führt. Doch diese Betrachtungsweise könne nicht uneingeschränkt auf die Besteuerung einer vGA übertragen werden, da es sich hier gerade nicht um Arbeitslohn handelt. Vielmehr seien auch Zahlungen für eine Zusage, die beim abgebenden Arbeitgeber schon eine vGA waren, nach § 3 Nr. 66 EStG insgesamt steuerfrei.

Doch selbst wenn man einen Zufluss annehmen wollte, wäre die gesamte Zahlung gem. § 3 Nr. 66 EStG für den GGF in jedem Fall steuerfrei, da die GmbH einen Antrag nach § 4e Abs. 3 EStG gestellt hatte.

Damit hat das FG sehr klar und eindeutig die Sicht der Betriebsprüfung abgelehnt.

Die Revision wurde zugelassen, wovon die Finanzverwaltung Gebrauch gemacht hat (VIII R 19/24).

Revision beim BFH ante Portas

Damit bleibt abzuwarten, ob der BFH sich bei dieser speziellen Fragestellung der bemerkenswerten Sicht des FG anschließt, oder ob er eine andere Sicht auf die steuerlichen Implikationen hat – etwa dass er eine anteilige außerbilanzielle Korrektur des Einmalbeitrags und der über zehn Jahre zu verteilenden Beitragsteile fordert und anteiligen Zufluss in Form von Kapitalerträgen beim GGF sieht.

Der Bundesfinanzhof in München.

Im hier vorliegenden Fall müsste in diesem Zusammenhang auch die bislang noch nicht abschließend höchstrichterlich entschiedene Frage geklärt werden, ob das herabgesetzte Mindestalter von 60 Jahren als betrieblich oder als nicht betrieblich veranlasst anzusehen ist. Denn nur bei einer ganz oder teilweise nicht betrieblich veranlassten Zusage stellt sich die oben aufgeworfene Frage. Es bleibt also spannend.

Die Autorin ist Aktuarin und Partnerin der Deloitte B&W GmbH in München.

Von Deloitte-Autorinnen und -Autoren sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONSINDUSTRIES erschienen:

Von Stuttgart nach München:
Direktzusage, RDV, Verzicht, Pensionsfonds, vGA?
von Dr. Claudia Veh, 17. Februar 2024

Erst Arbeitsgericht, dann Finanzgericht:
Erfurt, Düsseldorf, München
von Dr. Claudia Veh, 21. November 2024

BMF vs. BFH zu GGF-bAV-vGA – Breaking the Case Law (II):
Wer wie was vGA?
von Dr. Claudia Veh, 1. Oktober 2024

BRSG 2.0-E (X) – Spot on SPM:
Die Frage der Einschlägigkeit
von Dr. Klaus Friedrich, Dr. Lars Hinrichs und Dr. Claudia Veh, XX. August 2024

Vergangenen Februar in München:
vGA? Ja. Auflösung der Rückstellung? Nein!
von Dr. Claudia Veh, 31. Juli 2024

Studie zur bAV:
Schnelles Bündel
von Dr. Klaus Friedrich und Dr. Christian Schareck, 19. August 2018

Anm. d. Red.: Der Komplex GGF-bAV-Steuer, nicht selten in Kombination mit der Frage der vGA, ist Dauer-Gast vor deutschen Finanzgerichten und damit in der Folge auch auf PENSIONSINDUSTRIES, allein hier ist mittlerweile eine staatliche Liste an Veröffentlichungen entstanden. Da mit weiteren Entwicklungen zu rechnen ist und die Übersicht nicht verloren gehen soll, hier die wesentlichen Beiträge zu dem Thema; zu nennen sind insb.:

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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