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Neulich in Westfalen:

Von Münster nach München

Immer wieder Münster, immer wieder bAV, immer wieder vGA – der Problemkomplex ist altbekannt und sorgt oft für Streit und Richtersprüche. Jüngst holte sich das Finanzamt in einem lang zurückreichenden Fall vor dem westfälischen Gericht eine Abfuhr – übrigens nicht zum ersten Mal.

Im Mai in Münster – mal wieder Streit um eine bAV, die sich nach Meinung der Finanzverwaltung als vGA entpuppt haben soll. Wie die Longial in einem aktuellen Beitrag erläutert, stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheides für das Veranlagungsjahr 2012.

Die Kläger vertraten hierbei die Auffassung, dass das beklagte Finanzamt eine 2012 erfolgte Abfindung einer rückgedeckten Pensionszusage gegenüber dem klagenden GGF zu Unrecht als vGA behandelt hat (all das erinnert an einen teils ähnlich gelagerten Fall, der ebenfalls dieses Jahr vor dem FG Münster erhandelt worden ist und ebenfalls weit in die Vergangenheit zurück reicht).

Zusage, Krise, Abfindung …

Der Sachverhalt, wie ihn die Longial schildert:

Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr zusammenveranlagt. Sie waren gemeinsam Gesellschafter der seit Juni 2001 bestehenden GmbH. Der 1957 geborene Kläger war zudem GGF. 2002 vereinbarten Kläger und GmbH eine Pensionszusage, welche am selben Tag gewährt wurde.

Eine vorzeitige Inanspruchnahme sollte grundsätzlich nur zulässig sein, wenn der Kläger das 60. Lebensjahr vollendet und die Zusage dann mindestens zehn Jahre bestanden hat. Die GmbH behielt sich ausdrücklich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass ihr eine Aufrechterhaltung des Zugesagten nicht mehr zugemutet werden kann.

Ende 2011 wies die GmbH einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auf. Auch 2012 verringerte sich der Umsatz, die Aufhebung der Pensionszusage zum Jahresende wurde beschlossen. Da war der Kläger 55 Jahre alt, die Zusage bestand seit zehn Jahren.

Mit den Klägern wurde hierzu eine Vereinbarung zur Abfindung getroffen, wonach die GmbH zum 1. Dezember 2012 66.000 Euro an den Kläger leisten sollte. Dieser Betrag stammte aus der zuvor aufgelösten Rückdeckungsversicherung und war geringer als der für ihn zu diesem Zeitpunkt ermittelte Anspruch von 77.000 Euro. Nach Erhalt der Zahlung konnte der Kläger aus der Pensionszusage keine Ansprüche mehr gegenüber der GmbH geltend machen, etwaige Pfandrechte sollten erlöschen.

doch das FA spielt nicht mit …

Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens für das Jahr 2012 berücksichtigte das beklagte Finanzamt bei den Einkünften des Klägers auch besagte 77.000 Euro. Die Betriebsprüfung stellte zudem fest, dass eine sog. „Spontanabfindung“ mit als vGA nicht auszuschließen sei. Grundsätzlich sei von einer gesellschaftlichen Veranlassung der Abfindung auszugehen. Eine drohende Überschuldung der Gesellschaft habe zum Abfindungszeitpunkt nicht vorgelegen. Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, prompt ging die Sache vor Gericht.

das Gericht aber schon

Das FG Münster vertrat unter Az. 4 K 3618/18 E (wie auch in dem oben verlinkten, teils ähnlich gelagerten Fall) die Auffassung, dass die Abfindungszahlung zu Unrecht als vGA behandelt worden sei:

Die erfolgte Zahlung sei nicht gesellschaftlich, sondern betrieblich veranlasst gewesen, zumal eine klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame Abfindungsvereinbarung vorhanden gewesen sei.

Doppelter Fremdvergleich …

Das FG erläutert seine Entscheidung: Eine gesellschaftliche Veranlassung sei grundsätzlich gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte.

Schöne Stadt mit vielbeschäftigtem Gericht: Münster in Westfalen.

Der Maßstab solcher der Sorgfalt sei dadurch gekennzeichnet, dass der gebotene Fremdvergleich nur aus der Sicht der Kapitalgesellschaft gesehen werde. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer würde grundsätzlich jeder Vereinbarung zustimmen, die für die Kapitalgesellschaft vorteilhaft sei. Aus Sicht der GGF hätte auch ein fremder Dritter dem Abfindungsplan zugestimmt. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht entsprochen hätte, könne deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. Dieser doppelte Fremdvergleich sei auch im Zusammenhang mit der Beurteilung einer vGA durch eine Kapitalabfindung einer Pensionszusage an einen GGF-Geschäftsführer zu beachten.

und 11.000 Euro weniger

Der Fremdvergleich scheitere auch nicht daran, dass die GmbH ihr in der Pensionszusage vorbehaltenes Recht auf Kürzung oder Einstellung der zugesagten Pensionsleistungen hätte ausüben können, da ein fremder Dritter einem solchen Vorgehen anstelle des Klägers nicht ohne Gegenleistung zugestimmt hätte.

Der Kläger habe bereits eine Zahlung erhalten, die um 11.000 Euro geringer gewesen sei als der bis dahin erdiente Anteil der Anwartschaft. Zudem sei nicht ersichtlich, dass ein fremder Dritter darüber hinausgehend zu weiteren Zugeständnissen zugunsten der GmbH bereit gewesen wäre. Und schließlich habe die gewählte Maßnahme ausgereicht, um eine Sanierung der GmbH zu realisieren.

Im Einklang mit München

Die Ablehnung der vGA im konkreten Fall widerspreche auch nicht der bisherigen BFH-Rechtsprechung sowie der in der steuerrechtlichen Literatur vertretenen Auffassung, dass eine „Spontanabfindung“ möglich sein soll, wenn es einen wirtschaftlichen Grund gebe.

Der Bundesfinanzhof in München.

Man muss nicht wirklich pleite gehen

Michael Gerhard, Longial.

Michael Gerhard, der Autor des Longial-Beitrages, ordnet das Urteil ein: Ob die Abfindung einer Pensionszusage als vGA anzusehen ist, wird nicht nach den allgemeinen Regeln bestimmt. Bedeutsam, so der Aktuar, ist eine klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung, die aufgrund der Behandlung in einer Gesellschafterversammlung anschließend zwischen den Beteiligten getroffen werden kann.

Sofern die „Entsorgung” der Pensionszusage dazu dient, eine drohende Insolvenzreife und wirtschaftliche Krise einer Gesellschaft zu beseitigen, reicht zur Bestimmung der Krise die drohende Zahlungsunfähigkeit aus; deren tatsächlicher Eintritt oder eine Überschuldung ist nicht notwendig.

Zudem scheitert der Fremdvergleich nicht daran, wenn als Sanierungsmaßnahme statt der Kürzung oder Einstellung der zugesagten Pensionsleistung die Abfindung der Pensionszusage gewählt wird, schreibt Gerhard.

Auf dem Weg nach Süden

Das Urteil des FG Münster ist noch nicht rechtskräftig. Da die Revision zugelassen wurde und die Sache beim BFH unter Az. VIII R 17/23 auch anhängig ist, kann man wohl beizeiten mit einem Update aus München rechnen

Das Urteil 4 K 3618/18 E des FG Münster vom 26, Mai 2023 findet sich hier.

 

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