Die bAV hat bekanntlich ein langes Gedächtnis: In einem Fall der über ein Vierteljahrhundert zurück reicht, überrascht die Finanzverwaltung mit ihrer Sicht auf die Dinge, verliert den Rechtsstreit auch prompt, doch der Lösungsansatz der Richter verwundert nicht minder. Verkehrte Welt, mag man denken. Claudia Veh erläutert Einzelheiten – und appelliert an die Finanzverwaltung, endlich zu klarer Abstimmung und Vorgehensweise zu finden.
Fälle, in denen eine Pensionszusage eines Gesellschafter-Geschäftsführers vorzeitig abgefunden und in diesem Zusammenhang auf Pensionsanwartschaften verzichtet wird, waren schon häufig Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen.
In den bislang bekannten Fällen hatte die Finanzverwaltung in einer Abfindung häufig eine vGA gesehen und gleichzeitig einen Verzicht auf Pensionsanwartschaften, der zu lohnsteuerlichem Zufluss und zu einer verdeckten Einlage geführt hat.

In einem aktuellen Fall, der vor dem FG Düsseldorf mit Urteil 6 K 343/21 K,G,F vom 19. Mai 2025 ausgetragen wurde, war es überraschenderweise mal „anders herum“:
Der Fall – aus vier mach eins
Ein Unternehmen in der Rechtsform einer AG war 2001 durch Verschmelzung aus drei GmbHs mit insgesamt vier Gesellschaftern neu gegründet worden. Diese vier Gesellschafter bildeten den Vorstand der AG. Ein Gesellschafter hatte bei seiner ursprünglichen GmbH eine Pensionszusage aus dem Jahr 1994, die bei der Verschmelzung in die Bilanz der neuen AG einging.
Im Jahr 2010 übertrugen zunächst zwei Gesellschafter bzw. Aktionäre ihre Anteile auf die beiden anderen Aktionäre. 2016 verzichtete einer der beiden dann noch übrigen Aktionäre schließlich mit sofortiger Wirkung auf seine oben erwähnte Pensionszusage, die er noch von der ehemaligen GmbH als seinerzeit pensionsberechtigter GGF erhalten hatte. Im Gegenzug erhielt er hierfür die bestehende Rückdeckungsversicherung mit einem Wert in Höhe von 62.059 Euro.
Die bilanzielle Bereinigung …
In Folge des Verzichts auf die Pensionszusage und der Übertragung der RDV auf den bis dahin Pensionsberechtigten löste die Gesellschaft zum Bilanzstichtag 31. März 2016 die Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz in Höhe von 135.878 Euro sowie den Aktivwert der RDV in Höhe von 62.059 Euro auf (keine Saldierung).
Mit Vertrag vom 13. Januar 2016 veräußerte der Pensionsberechtigte mit Wirkung zum 21. Januar 2016 seine Anteile an den verbleibenden Aktionär, der damit 100% der Anteile am Unternehmen hielt.
… wie oft kritisiert, aber von der Finanzverwaltung gefordert
Und dann ist das Unternehmen genau so verfahren, wie es bei zahlreichen Betriebsprüfungen von der Finanzverwaltung gefordert und umgesetzt wird:
Sie behandelte in der Steuererklärung die Übertragung der RDV als vGA und den Verzicht auf den Pensionsanspruch (ermittelt mit einem Barwert in Höhe von 184.914 Euro) als verdeckte Einlage (im Gegenzug versteuerte der GGF den ermittelten Barwert des verzichteten Pensionsanspruchs als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit UND den Wert der RDV als Einkünfte aus Kaptialvermögen).
Überraschung: Betriebsprüfer verneint verdeckte Einlage
Doch bei einer Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2015 und 2016 verneinte der Prüfer die einkommensmindernde Berücksichtigung des Barwerts des Pensionsanspruchs als vE und den entsprechenden Zugang zum steuerlichen Einlagenkonto des Gesellschafters. Statt eines Verzichtes sah der BP „nur“ eine Abfindung der Zusage in Höhe der RDV.
Vor dem Kadi: die Sicht der AG auf die Dinge …
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Unternehmen erhob Klage vor dem FG Düsseldorf und trug seine Sicht vor:
Die Pensionszusage hatte keine Abfindungsmöglichkeit vorgesehen, deswegen sei die Abfindung „spontan“ erfolgt, was zu einer vGA führe. In diesem Punkt bestand Einigkeit mit dem Prüfer.

Der Verzicht führe als zweiter Vorgang zu Zufluss von Arbeitslohn und zu einer vE in gleicher Höhe, die die steuerlichen Anschaffungskosten des Gesellschafters erhöht.
Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung ergebe sich schlichtweg daraus, dass ein fremder Dritter nicht auf Pensionsanwartschaften in dieser Höhe gegen Übertragung einer RDV mit einem viel niedrigeren Wert verzichtet hätte. Der Sachverhalt wäre prinzipiell identisch mit dem Fall I R 38/05, der vom BFH am 14. März 2006 mit genau diesen steuerlichen Folgen entschieden wurde. Zudem ergibt sich dieses Vorgehen auch aus den KStH 8.9:
„Verzichtet der Gesellschafter aus Gründen des Gesellschaftsverhältnisses auf einen bestehenden Anspruch aus einer ihm gegenüber durch die Kapitalgesellschaft gewährten Pensionszusage, liegt hierin eine verdeckte Einlage begründet. Dies gilt auch im Falle eines Verzichts vor Eintritt des vereinbarten Versorgungsfalles hinsichtlich des bis zum Verzichtszeitpunkt bereits erdienten (Anteils des) Versorgungsanspruches. Der durch die Ausbuchung der Pensionsrückstellung bei der Kapitalgesellschaft zu erfassende Gewinn ist im Rahmen der Einkommensermittlung in Höhe des Werts der verdeckten Einlage wieder in Abzug zu bringen.“
… und die der Finanzverwaltung
Doch die Finanzverwaltung blieb bei ihrer Sicht auf die Dinge: Kein fremder Dritter hätte einen Verzicht auf eine Pensionszusage mit einem Wert von 184.914 Euro gegen Erhalt einer RDV in Höhe von 62.059 Euro akzeptiert. Der Grund könne nur in der privaten Anteilsübertragung liegen. Die Finanzverwaltung bestätigt also selbst eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung – zieht aber nicht die üblichen Konsequenzen.
Den in den KStH 8.9 geregelten Sachverhalt wollte der Prüfer vorliegend nicht sehen. Denn hier würde nur ein Verzicht ohne Gegenleistung geregelt werden. Vorliegend läge jedoch kein Verzicht vor, sondern nur eine Abfindung.
Er nimmt Bezug auf zwei BFH-Urteile (I R 89/12 und I R 28/13), bei denen der BFH in der Abfindung zwar eine vGA sah, jedoch keinen Verzicht. Hinweis der Autorin: In diesen beiden Fällen war die Abfindung einer Pensionszusage seitens der Unternehmen als Betriebsausgabe verbucht worden. Bei einer Betriebsprüfung jedoch war die Abfindung als vGA qualifiziert worden, was der BFH bestätigt hat. Das Thema Verzicht und verdeckte Einlage war hier nicht streitgegenständlich.
Die Entscheidung: Verzicht mit verdeckter Einlage bestätigt
Die Düsseldorfer Richter gaben dem Unternehmen Recht. Zwar führt gem. Rechtsprechung des BFH (28. April 2010 – I R 78/08) die Abfindung einer Pensionszusage, um den Verkauf der Geschäftsanteile zu ermöglichen, nicht zu einer vGA, wenn die Leistungen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines nicht beherrschenden Gesellschafters stehen.
Allerdings liegt vorliegend eine gesellschaftsrechtliche Mitveranlassung vor, weil kein fremder Dritter für einen Anspruch in Höhe von 184.914 Euro einen Wert in Höhe von nur 62.059 Euro akzeptieren würde. Dass es sich vorliegend um eine AG und nicht um eine GmbH handelt, ändert an diesem Ergebnis nichts.
Im Ergebnis kommt es zu einer vE in Höhe von 184.914 Euro, wobei gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG die vE das Einkommen der Gesellschaft nicht erhöhen darf. Von daher ist eine außerbilanzielle Korrektur maximal um den Wert vorzunehmen, um den das Einkommen durch die Ausbuchung der Pensionsrückstellung erhöht wurde, also um 135.878 Euro. Soweit die Düsseldorfer Richter.
Wundersamer Ansatz
Dieser Ansatz des FG Düsseldorf verwundert, da doch die außerbilanzielle Korrektur den Gewinn nicht erhöht, sondern vermindert. Sprich: Ist die außerbilanzielle Korrektur infolge der vE höher als die Auflösung der Pensionsrückstellungen, ergibt sich eine Verminderung (nicht Erhöhung) des zu versteuernden Gewinns.
Eine unterschiedliche Bemessung der verdeckten Einlage einerseits und der außerbilanziellen Korrektur andererseits entspricht – soweit ersichtlich – auch nicht der Praxis. Zudem bemisst die Auflösung der steuerbilanziellen Pensionsrückstellung nicht den Wert der verdeckten Einlage.
Das steuerlicher Einlagenkonto hingegen wurde um 184.9148 Euro erhöht.
Die Revision war zugelassen. Aktuell offen ist, ob die Finanzverwaltung in Revision geht.
Es ginge auch anders
Nicht thematisiert wurde die ggf. naheliegende Handhabung, nämlich dass ein Teil des Pensionsanspruchs abgefunden würde (in Höhe von 62.059 Euro) und (nur) auf den Rest des Pensionsanspruchs in Höhe von 122.855 Euro (184.914 Euro ./. 62.059 Euro) verzichtet wurde.
Fazit: Irritationen bleiben
Der Fall irritiert doch sehr. In Fällen, in denen ein Pensionsanspruch wertgleich abgefunden wird und der Gesellschafter gerade nicht auf die Zusage verzichtet, sondern vielmehr die Pensionszusage vorzeitig kapitalisiert wird, wird seitens der Finanzverwaltung neben der vGA in vielen Fällen ein Verzicht auf die Zusage und lohnsteuerlicher Zufluss festgestellt.
In diesem Fall, in dem ganz offensichtlich die Abfindung nicht den kompletten Pensionsanspruch erfassen kann, d.h. tatsächlich ein Teilverzicht in Höhe der Differenz aus Barwert des Pensionsanspruchs und der übertragenen RDV vorliegt, wird ein Verzicht mit verdeckter Einlage verneint.
Das ist schwer verständlich.
Man kommt nicht umhin zu vermuten, dass vorliegend die vE vom BP verneint werden sollte, da der Verzicht im Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile am Unternehmen erfolgt ist. Möglicherweise wollte der BP verhindern, dass die vE die Anschaffungskosten des damaligen GGF auf seine Beteiligung erhöht und so den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Anteile dieses GGF bzw. Aktionäres vermindert bzw. damit dessen Steuerbelastung aus dem Verkauf reduziert.
Es wäre für die Praxis dringend erforderlich, dass es zu diesem Themenkomplex endlich eine klare Abstimmung und Vorgehensweise innerhalb der Finanzverwaltung gibt.
Claudia Veh ist Aktuarin und Partnerin der B&W Deloitte GmbH in München.
Von Deloitte-Autorinnen und -Autoren sind zwischenzeitlich bereits auf PENSIONS●INDUSTRIES erschienen:
Neulich in Düsseldorf – GGF-Abfindung und Verzicht mal anders:
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
von Dr. Claudia Veh, 18. Juni 2025
Vom Arbeitsrecht zum Steuerrecht:
Erfurt, Kiel, München
von Dr. Claudia Veh, 22. Mai 2025
Neulich in Köln – der sachliche Geltungsbereich des BetrAVG:
Dreimal Nein am Rhein
von Dr. Claudia Veh und Dr. Lars Hinrichs, 7. April 2025
Von Stuttgart nach München:
Direktzusage, RDV, Verzicht, Pensionsfonds, vGA?
von Dr. Claudia Veh, 17. Februar 2024
Erst Arbeitsgericht, dann Finanzgericht:
Erfurt, Düsseldorf, München
von Dr. Claudia Veh, 21. November 2024
BMF vs. BFH zu GGF-bAV-vGA – Breaking the Case Law (II):
Wer wie was vGA?
von Dr. Claudia Veh, 1. Oktober 2024
BRSG 2.0-E (X) – Spot on SPM:
Die Frage der Einschlägigkeit
von Dr. Klaus Friedrich, Dr. Lars Hinrichs und Dr. Claudia Veh, XX. August 2024
Vergangenen Februar in München:
vGA? Ja. Auflösung der Rückstellung? Nein!
von Dr. Claudia Veh, 31. Juli 2024
Studie zur bAV:
Schnelles Bündel
von Dr. Klaus Friedrich und Dr. Christian Schareck, 19. August 2018
Anm. d. Red.: Der Komplex GGF-bAV-Steuer, nicht selten in Kombination mit der Frage der vGA, ist Dauer-Gast vor deutschen Finanzgerichten und damit in der Folge auch auf PENSIONS●INDUSTRIES, allein hier ist mittlerweile eine staatliche Liste an Veröffentlichungen entstanden. Da mit weiteren Entwicklungen zu rechnen ist und die Übersicht nicht verloren gehen soll, hier die wesentlichen Beiträge zu dem Thema; zu nennen sind insb.:
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das Urteil des BFH vom Juli 2016 zu den Folgen eines Wechsels des Durchführungsweges
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das BMF-Schreiben vom Dezember 2016 zum maßgebenden Pensionseintrittsalter als Reaktion auf drei BFH-Urteile
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das Urteil des BFH vom 7. März 2018 zu der Frage der Erdienbarkeitsfristen bei der Entgeltumwandlung eines GGF und der Folgen eines Wechsels des Durchführungswegs, das aber Fragen offen lässt (in der Tactical Advantage Vol 1)
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die beiden BFH-Urteile vom Juli 2019 zur Steuerschädlichkeit von Abfindungsklauseln in Pensionszusagen
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eine Studie aus 2019 zur möglichenVerbreitung gefährlicher Fehler in GGF-Zusagen
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das analoge Urteil des BFH vom März 2020 bei der Frage der Gemeinnützigkeit
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das Urteil des BFH vom 17. Juni 2020 zu der häufigen Streitfrage, inwiefern ein Weiterarbeiten des GGF nach Erreichen der Altersgrenze mit gleichzeitigen Bezug von bAV-Leistung eine vGA bedeutet
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das Urteil des FG Düsseldorf vom November 2021 im Fall einer durch Entgeltumwandlung finanzierten GGF-Zusage
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das ebendort im Juni 2021 ergangene Urteil zur (Un-)Klarheit von Formulierungen in Zusagen
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der vor dem FG Nürnberg im Oktober 2022 verhandelte Fall um die Frage, wie eine angemessene Verzinsung von Versorgungskapital abgeleitet werden kann und ob ein innerbetrieblicher Fremdvergleich anwendbar ist
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das Urteil des FG Münster vom 26. Oktober 2022 angesichts konzerninterner Umstrukturierungen und ihrer Wirkung auf die bAV
- das Urteil des FG Nürnberg vom Dezember 2022, das die Frage der Erdienbarkeit einer Zusage durch einen GGF behandelt
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den im Februar 2023 in Münster verhandelten Fall zu dem Umgang mit Abfindung und Verzicht des GGF
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das BFH-Urteil vom 15. März 2023, das geklärt hat, inwiefern der Bezug von Betriebsrente und Geschäftsführer-Vergütung gleichzeitig möglich ist
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das im Mai 2023 ergangene Urteil des FG Münster, bei dem es erneut um die Abfindung einer GGF-Zusage ging
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die Entscheidung des BFH vom 10. Oktober 2023, wonach das bloße Innehaben von Ansprüchen oder Rechten im Zuge des Versorgungsausgleichs noch nicht zum Zufluss von Einnahmen führt und bei einer Pensionszusage erst die Leistungen der Lohnsteuer unterliegt, nicht jedoch bereits die Anwartschaft
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das Revisions-Urteil vom Februar 2024, in dem der BFH das o.a. Düsseldorfer Urteil vom Juni 2021 zur vorgeblichen (Un-)Klarheit von Formulierungen in Zusagen teilweise verwarf
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Das BMF-Schreiben vom 30. August 2024, mit dem das Ministerium – teils im Dissens – auf das Urteil des BFH vom 15. März 2023 zur Regelung von parallelem Bezug von Betriebsrente und GGF-Vergütung reagiert hat.
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Die diesbezügliche Analyse von Claudia Veh mit der Erläuterung der offenen Fragen.
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Die Bewertung des Urteils des FG BW zu dem Komplex Pensionsfonds/Direktzusage/Renteneintrittsalter, ebenfalls von Claudia Veh.
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die Bewertung des Urteils 6 K 343/21 K,G,F des FG Düsseldorf vom 19. Mai 2025, nachdem die Finanzverwaltung den Verzicht eines GGF auf eine Zusage entgegen der üblichen Praxis gerade nicht als vE sehen wollte; ebenfalls von Claudia Veh.