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Herbsttagung der Pensions-Akademie:

Im Spannungsfeld zwischen PEPP und Praxis

Wie jedes Jahr war auch dieser September vollgepackt mit Veranstaltungen zur bAV. Einige wird LEITERbAVzumindest auszugsweise dokumentieren. Den Auftakt macht hier Frank Vogel, der auf einer Tagung in Frankfurt Vorträge über gewollte Perspektiven und gewonnene Erfahrungen gehört hat.

 

 

13. September, Frankfurt: Die diesjährige Herbsttagung der Pensions-Akademie setzte wiederum auf ein breites Spektrum an zukunftsträchtigen Themen, welche die bAV-Akteure auf ganz eigene Weise sowie mit wachsender Intensität in den kommenden Jahren beschäftigen, bewegen und herausfordern werden.

 

Am Vormittag standen zwei Fachreferate im Mittelpunkt. Während Andre Cera von der Otto Group bisherige Erfahrungen aus dem BRSG bündelt, die an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis angesiedelt sind, präsentiert die EIOPA-Expertin Sandra Hack mit PEPP neue Wege, sprich ein geplantes Produkt, für eine gesamteuropäische Pensionslandschaft.

 

 

Mehr PEPP für alle – aber wie?!

 

PEPP steht für Pan-European Personal Pensions Product – und für besondere Ansprüche. Denn um die geht es mittlerweile in nahezu ganz Europa.

 

Sandra Hack, EIOPA.

Auch wenn laut Frau Hack, Coordinator for Pensions Policy bei der EIOPA, europäische Pensionslösungen nicht unbedingt im Fokus der EU-Entscheider stehen: Im Zuge der hin und wieder mit unterschiedlicher Vehemenz (und durch nationale Interessen) geprägten Diskussion um eine europäische Kapitalmarkt-Union rücken regelmäßig Pläne für grenzüberschreitende Altersvorsorgeprodukte ins Visier. Denn es stehen nicht nur die staatlichen Alterssicherungssysteme vor gewaltigen Herausforderungen, sondern die Menschen selbst vor vollkommen neuen Perspektiven.

 

Das gilt, so Hack, insbesondere für Staaten, in denen bis dato weder die private Altersvorsorge noch die bAV ein relevantes Volumen erreichen. Doch während dank MiFID, EIOPA oder Solvency II etc. auf Anbieterseite europaweit regulatorische Schritte bereits realisiert wurden, sieht die diesbezügliche Produkt-Agenda noch leer aus. Deshalb möchte die EIOPA mit PEPP als Lösung genau dort ansetzen: mit mehr Transparenz, Homogenität, grenzüberschreitende Guidance der Anbieter und zentrale Produktlizenzierung für die nationale Ebene. Aber auch andere Kriterien, die EIOPA für PEPP ins Spiel bringt, sind anspruchsvoll in der realen Umsetzung, dazu zählt Hack u.a.:

 

  • Entwicklung als „echtes“ Rentenprodukt mit Investmentstrategie
  • Effektive Verbindung von Akkumulation mit Dekumulation
  • Kosteneffizient und anbieterneutral
  • Grenzenlose Portabilität
  • Keine fiskalischen Nachteile (Nicht-Diskriminierung)
  • Standardisierung hinsichtlich Transparenz und Skaleneffekten
  • Etablierung als lizensiertes Qualitätslabel für Konsumenten
  • Länderübergreifende Vergleichbarkeit.

 

 

Keine Alternative in Sicht

 

Zu diesen an und für sich schon anspruchsvollen Kriterien kommen noch unterschiedliche nationale Prämissen, steuerliche wie gesetzliche Richtlinien oder verschieden ausgeprägte Anlage- wie Risikomentalitäten der jeweiligen Arbeitnehmer hinzu. Deshalb dürfte schnell klar werden, um welche Komplexität es bei der Entwicklung und der (potentiellen) Implementierung von PEPP eigentlich geht. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf eine mögliche Umsetzungsfrist; vom BREXIT oder anderweitigen nationalen, fiskalischen oder rechtlichen Alleingängen ganz zu schweigen.

 

Dennoch soll PEPP entwickelt werden – und wird es dem Anschein nach auch. Denn die demografischen Entwicklungen in Europa, der zunehmende Druck auf staatliche Altersvorsorgesysteme, eine wachsende Mobilität der Arbeitnehmer sowie immer niedriger werdende Ansparmöglichkeiten und Alterseinkünfte etc. lassen für Hack kaum Spielraum, um einer Rentenlücke mit wahrhaft kontinentalen Ausmaßen und Auswirkungen entgegen zu steuern.

 

 

Selbst Ziele stehen noch im Weg

 

Europaweit gängige Produkte brauchen auch grenzenlose Expertisen, um den europäischen bAV-Markt gesamtheitlich weiterzuentwickeln. Doch geht der Autor dieser Zeilen davon aus, dass der Weg zu einem einheitlichen europäischen Pensionsprodukt, das transparent, kosteneffizient und etabliert ist, noch voller Hindernisse sein dürfte. Etwas übertrieben formuliert, könnte es auch heißen: Bei PEPP stehen selbst manche Ziele noch im Weg. Denn ein absehbar zusätzlicher Verwaltungsaufwand und so manches Detail dürfte die Attraktivität selbst für ein grenzenloses Produkt auf nationaler Ebene begrenzen. So fragt sich der Autor beispielsweise, gesetzt den Fall, eine fiktive „Deutschland-Rente“ hätte eine PEPP-Lizenz, ob es dann möglich wäre als Ausländer grenzüberschreitend Einzahlungen zu leisten, und wie dabei nationales Steuerrecht zur Anwendung käme? Es sind also noch eine Menge Fragen offen. Dennoch: Mehr Pep in der Altersvorsorge ist durchaus angebracht, bevorzugt in der bAV. Dafür setzt sich auch die Pensions-Akademie ein, und wir freuen uns über engagierte Mitstreiter!

 

 

BRSG – Erste Erfahrungen zur Umsetzung aus der Praxis

 

Andre Cera, Otto Group.

Das in diesem Jahr initiierte BRSG geht für viele Akteure auf dem Parkett theoretisch wohl in eine richtige Richtung. Aber in der Praxis lassen sich dann noch etliche Details identifizieren und Schwachstellen finden, an denen Nachbesserungen dringend angeraten sind. Auch deshalb nahm sich Referent Andre Cera, Aktuar und Bereichsleiter, Altersversorgung, Vergütung & Controlling bei der Otto Group in Hamburg, fünf wichtige Bestandteile des BRSG und deren Auswirkungen im bAV-Alltag detailliert vor. Immer wieder kommt Cera mit pointiertem Blick zur Anschauung auf ein beispielhaftes Berufsbild zurück: den Friseur. Generell wurde schnell deutlich, dass anhaltende Komplexität und systematische Darstellungszwänge es den Arbeitgebern nach wie vor schwer machen, eine bAV effizient auf den Weg zu bringen – zum Beispiel eben im Friseursalon. In manchen Punkten kommt aus Sicht von Cera durch das BRSG eben (noch) keine Hilfestellung, sondern es droht zusätzlicher Aufwand.

 

 

Fünf Punkte im kritischen Fokus

 

Beginnend mit dem Punkt Förderbeitrag für Geringverdiener stellt der Mathematiker fest, dass zwar die Intention, neue Anreize für Zusatzvorsorge zu schaffen, durchaus Anerkennung findet. Dennoch gilt die Förderung nur für neue Beiträge. Bis dato engagierte Arbeitgeber werden diesbezüglich benachteiligt. Noch kritischer wurde der damit verbundene administrative Aufwand sowie mögliche Förderbeitragsrückforderungen gesehen. Auch den zweiten Punkt, Erweiterung der steuerlichen Förderung, sieht Cera eher skeptisch betrachtet – zumal hiervon eher Besserverdienende profitieren und die eigentliche Zielgruppe (KMU-AN, Geringverdiener) diesbezüglich leer ausgeht.

 

Dazu kommt das Risiko der Doppelverbeitragung für unterhalb der BBG-Verdiener und tariflich fixierte Umwandlungsgrenzen. Drittens tritt hinzu der verpflichtende Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung, der in Anspielung auf Politiker-Äußerungen durchaus als „die Mutter aller Probleme“ bei der Umsetzung des BRSG bezeichnet werden kann. Gerade dieses Kriterium macht, wie Cera darstellt, neben wenigen positiven Aspekten gerade im Vertragsbestand extrem komplexe Berechnungen notwendig, zumal in der Planungsphase auch vergessen wurde, IT-Dienstleister und Versicherer bzw. Produktanbieter in den Entwicklungsprozess einzubinden. Folge: Hinter der formell definierten 15%-Bezuschussung durch einen Arbeitgeber steckt ein enormer administrativer Aufwand, da nicht einfach „on-top“ gezahlt werden kann. Schließlich weiß auch kein Unternehmen, was am Jahresende an Zahlungsverpflichtungen oder -möglichkeiten offen bleibt – und salopp gesagt: wohin dann damit.

 

Auch zur Riester-Rente spricht Cera: Mit der Anpassung der Riester-Rente und der damit verbundene Abschaffung der Doppelverbeitragung für dieses Produkt hat der Gesetzgeber zwar einen fulminanten Missstand beseitigt, aber eben nicht ganzheitlich für die komplette bAV-Produktlandschaft. Für Arbeitnehmer dürfte damit aus Sicht des Referenten ein bAV-Riester-Vertrag zwar attraktiver, aber nicht zwingender geworden sein, vom zusätzlichen Aufwand für die Arbeitgeber ganz zu schweigen. Auch Cera betonte seine grundsätzliche Skepsis: „Kann mir jemand einen einzigen Vorteil nennen, warum Riester in der bAV sinnvoller als in der privaten Vorsorge sein soll?“. Der fünfte und letzte Punkt, der Freibetrag in der Grundsicherung, fand die positivste Resonanz beim Referenten und schafft gerade für prekäre Zielgruppen erheblichen Mehrwert, bei überschaubarem Aufwand für Arbeitgeber.

 

Ceras Fazit: Anhaltende Komplexität in der bAV – und über die freut sich mit Sicherheit nicht der Friseur, sondern höchstens sein Steuerberater.

 

Das Publikum auf der Tagung der Pensions-Akademie im September in Frankfurt.

 

Eine Zusammenfassung weiterer Vorträge und pointierter Eindrücke von der 5. Fachtagung der Pensions-Akademie gibt es hier.

 

Impressionen der Fachtagung finden Sie in der Fotogalerie.

 

Frank Vogel, KAS Bank.

Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Pensions-Akademie e.V. und Vorsitzender der Geschäftsleitung KAS BANK N.V. – German Branch. Von ihm und anderen Autoren der CACEIS bzw. KAS BANK erschienen zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV:

 

 

Die Nachbarn sind weiter – Administrations-Alpha durch Kostentransparenz bei der bAV

26. August 2015

 

Trends im niederländischen Pensionswesen als Impulsgeber: Was haben sie?

26. Januar 2016

 

Kollektiv, aber ohne Garantie

13. Oktober 2016

 

Da klingeln bei mir die Alarmglocken“

22. September 2017

 

Zum Glück keine Ruhe für die bAV

16. Februar 2018

 

Kostentransparenz als integraler Bestandteil der Governance – Was bringt sie wem?

11. April 2018

 

Zwischenbilanz und Ausblick: Wer wird wie vom BRSG profitieren?

4. Juli 2018

 

Im Spannungsfeld zwischen PEPP und Praxis

25. September 2018

 

Vor welchen Perspektiven steht die bAV?

26. März 2019

 

Diamond Star Award 4.0

20. Mai 2019

 

Das Index Custody – passives Investment, neu definiert

30. Juli 2019

 

Warum nicht einfach mal kurz Bilanz ziehen?

1. Juli 2020

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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