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Jahresauftaktveranstaltung 2019 der Pensions-Akademie:

Vor welchen Perspektiven steht die bAV?

Nicht zuletzt die Regulatorik stand im Zentrum der Agenda der ersten Veranstaltung der Pensions-Akademie in diesem Jahr. Eine Behörde und ein Verband referierten. Frank Vogel war dabei.

 

 

Die diesjährige Jahresauftaktveranstaltung der Pensions-Akademie e.V. am 5. Februar in Frankfurt am Main bot allen Teilnehmern einen fundierten thematischen Mix. Neben einem europäischen Update, den Vertreter der BaFin und der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (aba) gaben, präsentierten weitere Fachbeiträge interessante Wege in die Digitalisierung und den praktischen Umgang mit EbAV-Meldepflichten. Zudem wurde der steigende Stellenwert von ESG-Kriterien für die Anlage unter dem Fokus der Nachhaltigkeit beleuchtet. Ergänzt wurden diese Themen durch praxisrelevante Dokumentationen zwischen Personalmanagement und Risikosteuerung. Im Folgenden ein Rückblick auf die regulatorisch interessanten Vorträge der Veranstaltung.

 

Europäische Aufsicht dominiert weiter

 

EIOPA und mögliche Regularien bleiben ein dominierendes Thema für die deutschen EbAV. Dies wurde umso mehr bekräftigt durch den Vortrag, den Dietmar Keller, Referatsleiter des Grundsatzreferates bAV der BaFin, den Gästen bot. Gerade weil die anhaltende Diskussion über die möglichen Auswirkungen beziehungsweise die von EIOPA in Aussicht gestellten Opinions zur Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie derzeit das Parkett prägt, war der Vortrag bemüht, den Teilnehmern mehr Klarheit in wichtigen Punkten zu verschaffen, ihnen Ängste vor zu viel Komplexität zu nehmen und geeignete Optionen aufzuzeigen.

 

Von der europäischen Sicht zur nationalen Ebene

 

Deitmar Keller, BaFin.

Grundsätzlich wird die EbAV II-Richtlinie 1:1 in deutsches Recht umgesetzt, wobei es allerdings keine Unterschreitung des derzeitigen Niveaus geben wird, so Keller. Die Umsetzung der Richtlinie bringe im Übrigen für deutsche EbAV nur geringe Änderungen mit sich. Grund hierfür sind unter anderem die beispielsweise in Deutschland bereits aus dem VAG bekannten Regelungen etwa zur Geschäftsorganisation (§ 23), dem Risikomanagement (§ 26) oder zum internen Kontrollsystem (§ 29) beziehungsweise der internen Revision (§ 30). Dennoch sollten sich alle Verantwortlichen in den EbAV – vornehmlich bei den Pensionskassen und Pensionsfonds – mit dem notwendigen Anpassungsbedarf beschäftigen, mahnte Keller.

 

Schlüsselfunktionen sind zu besetzen

 

Dazu wurden in einem zweiten Punkt des BaFin-Vortrags die Schlüsselfunktionen detaillierter betrachtet. Infolge der 1:1-Umsetzung der Richtlinie gebe es für EbAV keine Compliance-Funktion (dafür aber eine verpflichtende Whistleblower-Installierung gegenüber der Aufsichtsbehörde). Es bedarf lediglich der von internen Revisions-, unabhängigen Risikocontrollings- und versicherungsmathematischen Funktionen – wobei letzterer Punkt nur für EbAV relevant sind, die selbst Garantien geben.

 

Grundsätzlich bedarf jede Schlüsselfunktion einer natürlichen verantwortlichen Person, die sozusagen „fit & proper“ ist. Dabei darf es keine Personenidentität mit Personen geben, die im Trägerunternehmen in ähnlicher Funktion agieren, es sei denn, es werden Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten ergriffen.

 

Auf dem Weg zu mehr Transparenz

 

Künftig müssen, wie Keller weiter erläuterte, außerdem in weiteren Bereichen schriftliche Leitlinien erstellt werden, die spätestens im Drei-Jahres-Rhythmus beziehungsweise bei gravierenden Änderungen zu überprüfen sind.

 

Neu ist die Notwendigkeit der Durchführung einer eigenen Risikobeurteilung (§ 234d VAG). Gefordert wird hier auch, die Ergebnisse der Beurteilung mit strategischen Entscheidungen zu verknüpfen. Die BaFin wird hierzu wie auch zu den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation – die es bisher nur für Versicherungsunternehmen (MaGo) gibt – im Wege eines Rundschreibens weitere Erläuterung geben.

 

Die BaFin und die Opinions

 

Auch zu den Plänen der EIOPA zur Veröffentlichung von Opinions zu bestimmten Aspekten der Umsetzung der EbAV II-Richtlinie, basierend auf Art. 29 EIOPA-Verordnung, äußerte sich Keller. Die BaFin werde diese EIOPA-Papiere „gegebenenfalls“ bei der Ausgestaltung ihrer Rundschreiben berücksichtigen.

 

Informationspflichten gegenüber Versorgungsberechtigten gehören laut Keller zu den wichtigsten Neuerungen. Diesbezüglich stehe die Rechtsverordnung des BMF noch aus. In der Verordnung seien Vorgaben zu Inhalt, Aufbau und Gestaltung der Renteninformation (Pension Benefit Statement), inklusive der konkreten Annahmen zu den Projektionen und die Kommunikation von ESG-Kriterien, zu erwarten.

 

Koste es, was es soll?

 

Cornelia Schmid, aba.

Mit der Umsetzung der neuen Richtlinie rückt quasi naturgemäß auch die Frage nach den Kosten in den Fokus. EIOPA hat bereits ein Papier zu den Informationspflichten gegenüber den Anwärtern veröffentlicht. Darin wird auch die Frage der Aufschlüsselung der Kosten thematisiert und wie weit diese zukünftig herunter gerechnet und individualisiert werden müssen. In dem EIOPA-Papier seien auch Beispiele aus europäischen Mitgliedstaaten enthalten. Abschließend ging der vielschichtige Vortrag noch auf die Punkte ESG, die konkrete Definition „Altersversorgungssystem“, Intergenerationen-Gerechtigkeit sowie den Fakt ein, dass bei Pensionsfonds künftig ein Sterbegeld möglich ist.

 

Wenn EIOPA Fahrt aufnimmt

 

Nach diesen umfangreichen Einblicken übernahm Cornelia Schmid, bei der aba zuständig für die Europaarbeit, den aba-Fachausschuss Kapitalanlage und den Bereich Statistik, die Aufgabe, bei diesen komplexen Zusammenhängen vom europäischen Blickwinkel aus in die nationale Ebene zu wechseln. Sie lieferte den Denkanstoß, dass bei einem Brexit auch einer der größten Player in der europäischen bAV das gemeinschaftliche Terrain zu verlassen droht. Dabei reden wir über knapp 40.000 EbAV und Assets im Umfang von umgerechnet über 1,6 Billionen Euro.

 

Desweiteren ging der Vortrag darauf ein, welche Rollenverteilung in Zukunft zwischen EIOPA und BaFin stattfinden könnte. Hier klang an, dass die BaFin im Hinblick auf die EbAV, die durch das nationale Arbeits- und Sozialrecht geprägt sind, zumindest auf Augenhöhe mit EIOPA stehen sollte. Heute sieht man bereits, dass die angestoßenen Prozesse von einem vorher noch nie dagewesenen, hohen Tempo bestimmt werden. Für so manche EbAV geschieht dies doch ein wenig zu schnell, angesichts der sehr komplexen Änderungen und Anforderungen, erläuterte Schmid. So wird im Rahmen der Offenlegungsverordnung bereits über eine grundlegende Änderung der EbAV-II-RL diskutiert. Denn nicht für alle Teilnehmer sind etwa Taxonomie-Vorgaben im ESG-Rahmen, beziehungsweise entsprechende Standardisierungen, sinnvoll oder einfach umsetzbar. Letztlich gab Frau Schmid einen Ausblick darauf, was auf die EbAV hierzulande im Hinblick auf das EU-Altersvorsorgeprodukt PEPP und die EU-Rentenpolitik zukommen könnte.

 

Mehr Nachhaltigkeit wagen

 

Henry Schäfer, Universität Stuttgart.

Das Thema ESG klang bereits mehrfach an. Hier regelt die EbAV-II eine verpflichtende Einbeziehung von ESG-relevanten Faktoren in die eigene Risikobeurteilung sowie in das Risikomanagement. Wahrscheinlich optional wird dieser Punkt im Hinblick auf die Kapitalanlage bleiben. Es bot sich also an, dass im Zuge der EbAV-II-Betrachtung der Punkt ESG auf der Jahresauftaktveranstaltung durch weitere Vorträge in den Fokus rückte.

 

So reflektierte Prof. Henry Schäfer von der Universität Stuttgart die Integration von Klimarisiken in die Kapitalanlage von Versorgungseinrichtungen. Dieser Fakt, den bis dato eher Rückversicherer beachteten, wird zunehmend für alle EbAV relevant.

 

Ewald Stephan, Verka. Alle Fotos PensionsAkademie.

Der zweite Erfahrungsbericht „Der Weg zu einer nachhaltigen Kapitalanlage“ von Ewald Stephan (Verka) hingegen definierte grundlegend, wofür ESG (Environmental / Social / Governance) im Einzelnen steht. Hier gab es die Anregung, diesen Grundsatz erst einmal individuell für sich als EbAV zu definieren und anschließend entsprechend zu agieren. Das – so klang es im Vortrag an – ist selbst für ein kirchliches Versorgungswerk nicht immer einfach, obwohl ja prinzipiell bereits christliche Werte als Basis zur Verfügung stünden.

 

Interessant in diesem Zusammenhang war auch, als der Redner darauf zu sprechen kam, das Kriterium „Governance“ ganz im Sinne der kommenden Regularien durch „Generationengerechtigkeit“ zu ersetzen. Dies wiederum wurde durch die „Übernahme der Verantwortung für das Zusammenleben der jetzigen Generation in Gerechtigkeit und Frieden sowie durch Erhaltung der Entwicklungsmöglichkeiten der kommenden Generationen“ definiert.

 

Fazit: Ein breites Spektrum an Themen und Punkten gab allen Teilnehmern die Gelegenheit, sich über teils sehr komplexe Darstellungen und anspruchsvolle Perspektiven zu informieren. Mit diesen werden sich voraussichtlich alle EbAV in Deutschland in den kommenden Jahren detaillierter und im offenen Austausch widmen. Wir als Pensions-Akademie jedenfalls sind bereit, dabei immer wieder mit fachlich hochwertigen Inhalten für individuelle Denkanstöße zu sorgen. Besonders das vielschichtige Thema ESG werden wir als Pensions-Akademie in einer eigenen Seminarreihe tiefer durchleuchten und praxisnahe Ansätze zur ersten Umsetzung liefern.

 


Frank Vogel, KAS Bank.

Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Pensions-Akademie e.V. und Vorsitzender der Geschäftsleitung KAS BANK N.V. – German Branch.

 

Von ihm und anderen Autoren der CACEIS bzw. KAS BANK erschienen zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV:

 

Die Nachbarn sind weiter – Administrations-Alpha durch Kostentransparenz bei der bAV

26. August 2015

 

Trends im niederländischen Pensionswesen als Impulsgeber: Was haben sie?

26. Januar 2016

 

Kollektiv, aber ohne Garantie

13. Oktober 2016

 

Da klingeln bei mir die Alarmglocken“

22. September 2017

 

Zum Glück keine Ruhe für die bAV

16. Februar 2018

 

Kostentransparenz als integraler Bestandteil der Governance – Was bringt sie wem?

11. April 2018

 

Zwischenbilanz und Ausblick: Wer wird wie vom BRSG profitieren?

4. Juli 2018

 

Im Spannungsfeld zwischen PEPP und Praxis

25. September 2018

 

Vor welchen Perspektiven steht die bAV?

26. März 2019

 

Vor welchen Perspektiven steht die bAV?

26. März 2019

 

Diamond Star Award 4.0

20. Mai 2019

 

Das Index Custody – passives Investment, neu definiert

30. Juli 2019

 

Warum nicht einfach mal kurz Bilanz ziehen?

1. Juli 2020

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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