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Die EbAV im Sozialpartnermodell (II):

Von der BZML zur rBZ

Dirk Jargstorff und Hansjörg Müllerleile sehen den Pensionsfonds als natürlichen Durchführungsweg zur Gestaltung der Zielrente mit reiner Beitragszusage und erläutern dies anhand bereits bestehender Strukturen. Teils II einer Analyse und Stellungnahme, die sich der praktischen Umsetzung widmet.

 

Dirk Jargstorff, Robert Bosch GmbH.

Das Einbinden der Sozialpartner in die Verbreitung der bAV insbesondere bei KMU ist konsequent, nicht zuletzt, weil die Verbreitung der bAV kein Einmalprozess ist, sondern die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung bestehender Konzepte auf der Ebene der Kollektivvereinbarung wie auch der Einrichtung selbst erfordert. Die Sozialpartner sind aufgrund ihrer weitreichenden Regelungsbefugnisse und ihres Gestaltungswillens hierfür besonders geeignet, zumal die Festsetzung von kollektiven Beschäftigungsbedingungen für diese kein Novum, sondern Kerngeschäft ist. Doch für eine sinnvolle Steuerung ist es essenziell, dass diese einfach, transparent und wirksam ausgestaltet ist.

 

 

Sozialpartner längst mit am Tisch

 

Hansjoerg Muellerleile, Robert Bosch GmbH.

Der Bosch Pensionsfonds mag hier als Beispiel dienen. Die bAV aller Bosch-Mitarbeiter in Deutschland beruht auf Kollektivvereinbarungen, die in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Betriebspartnern und Beteiligung der Tarifvertragsparteien stetig weiterentwickelt werden. In der Bosch Pensionsfonds AG als durchführender Einrichtung sitzen Vertreter der Betriebsparteien in verantwortungsreichen Positionen, etwa in Aufsichtsrat und Kapitalanlageausschuss. Daneben werden wesentliche Funktionen des Risikomanagements durch unabhängige externe Experten ausgefüllt.

 

Sie sind somit in allen wesentlichen Entscheidungen in der strategischen Ausrichtung und bei der Kapitalanlage eingebunden. Im Hinblick auf die Risikosteuerung werden dem Aufsichtsrat alle Erkenntnisse aus den internen und externen Beurteilungen des Risikomanagements zur Verfügung gestellt.

 

Die gemeinsame Steuerung durch die Betriebsparteien ist dabei ein Erfolgsrezept und trägt maßgeblich dazu bei, dass die Einrichtung bei den Mitarbeitern hoch anerkannt ist.

 

 

rBZ sinnvoll – auch für die Begünstigten

 

Die rBZ ist der wesentliche Türöffner für den Abschluss von bAV-Tarifverträgen, und ihre Einführung erkennt an, dass freiwillig tarifgebundene Unternehmen unter Umständen tarifliche Mehrkosten akzeptieren werden, jedoch nicht unbeherrschbare Kostenrisiken außerhalb ihrer betrieblichen Gestaltungsmacht. Die rBZ beseitigt diese Risiken und schafft damit die zwingende Voraussetzung für eine Verbreitungswirkung.

 

Auch aus Sicht der Begünstigten ist die rBZ sinnvoll. Die arbeitsrechtliche rBZ korrespondiert mit dem aufsichtsrechtlichen Verzicht auf versicherungsförmige Garantien. Erst dies öffnet den Weg zur angemessenen ertragsstarken Kapitalanlage, die Voraussetzung für jeden erfolgreichen kollektiven Sparprozess ist. Das ist keineswegs mit einem Verlust an Sicherheit gleichzusetzen, sondern kann geeignet durch alternative Sicherungsmechanismen ersetzt werden. Der Gesetzgeber lässt hierzu über Pufferbildung, Sicherungsbeitrag und geeignete Vorgaben zu Kapitalanlage und Risikosteuerung ein breites Instrumentarium zu, dass die Sozialpartner in der Steuerung ihrer Einrichtung passgenau einsetzen können und müssen.

 

 

Hohe Aktienquote und optimale Risikotragfähigkeit

 

Der Bosch Pensionsfonds und seine Begünstigten können die wesentlichen Vorteile der rBZ bereits heute mit der BZML nutzen. Bosch sagt die Erbringung von Beiträgen an den Pensionsfonds zu und steht arbeitsrechtlich dafür ein, dass im Zeitpunkt des Versorgungsfalls eine Leistung mindestens in Höhe der eingezahlten Beiträge zur Verfügung steht. Der Pensionsfonds legt die Beiträge am Kapitalmarkt an und gewährt den Begünstigten einen eigenen Direktanspruch gegen ihn auf die hierdurch generierte Versorgungsleistung.

 

In der Anwartschaftsphase zeichnet sich die Umsetzung der BZML insbesondere durch optimale Risikotragfähigkeit aus, was nicht nur eine breite, globale Diversifizierung für bestmögliche Renditen bei gleichzeitiger Sicherheit durch Streuung und Mischung ermöglicht, sondern auch eine Haftungsminimierung für die Arbeitgeber.

 

Von Beginn an legt der Bosch Pensionsfonds in seiner langfristigen Kapitalanlagestrategie einen hohen Stellenwert auf Aktien. In seinem Hauptsegment legt der Bosch Pensionsfonds ca. 50% in Aktien an, die ab Alter 55 in einem Lebenszyklusmodell bis zum Renteneintritt sukzessive auf 15% reduziert werden. Hiermit profitieren die Mitarbeiter von hohen Erträgen auf das angesparte Kapital – auch in der Niedrigzinsphase.

 

 

Die Zielrente in der Auszahlungsphase

 

Im Sozialpartnermodell hat sich der Gesetzgeber ausschließlich für lebenslange Rentenleistung entschieden. Dabei wird das gesamte für den einzelnen Begünstigten vorhandene Versorgungskapital pensionsplangemäß nach aktuariellen Rechnungsgrundlagen verrentet. Diese umfassen neben Sterbetafeln und Kosten die zu erwartende Rendite der Kapitalanlage während der Rentenphase. Anders als dies lange Zeit für die versicherungsförmige Verrentung gewohnt war, handelt es sich bei der anzusetzenden Rendite nicht mehr um den für Lebensversicherungen geltenden Höchstrechnungszins, sondern um die aus der konkreten Kapitalanlage und dem konkreten Rentnerbestand abgeleitete zu erwartende Rendite. Auch bei der Zielrente handelt es sich um die Weiterentwicklung eines bereits bestehenden und erprobten Konzeptes.

 

Der Gesetzgeber hat bereits Ende 2015 die wegweisende Weichenstellung für die Einführung einer Zielrentensystematik und damit einer allwetterfesten Gestaltung der bAV vorgenommen. Mit Änderungen im VAG wurde die Rentenphase im Pensionsfonds für die nicht-versicherungsförmige Rente – die sogenannte Fondsrente – geöffnet. Der Bosch Pensionsfonds setzt diese Fondsrente seit Anfang 2016 für alle neuen Renteneintritte von Bosch-Mitarbeitern um. Zu ihren Erfolgsmerkmalen gehört, dass durch die ertragsstarke Kapitalanlage im Pensionsfonds nicht nur in der Anwartschaftsphase ein hohes Versorgungskapital für die Mitarbeiter aufgebaut wird, sondern dass dieses auch tatsächlich in höheren Renten mündet.

 

Zum einen trägt dazu eine ertragsstarke Anlagestrategie bei, die nun auch über den Rentenbeginn hinaus fortgesetzt wird. Die Kapitalanlagestrategie in der Rentenphase wurde hierzu vollständig neu aufgestellt und beinhaltet einen Anteil von 30% Aktien und Alternatives. Zum anderen können die aus der konkreten Kapitalanlage abgeleiteten, künftigen Renditen bereits bei der Ermittlung der Startrente eingerechnet werden. Diese sind somit ca. 20% höher als bei einer versicherungsförmigen Rente. Der Verzicht auf die versicherungsförmige Garantie spielt bei der Fondsrente die entscheidende Rolle, da erst hierdurch eine ertragsstarke Kapitalanlage und adäquate Weitergabe der Erträge von Beginn an ermöglicht werden.

 

 

Zielkonkurrenzen im Sozialpartnermodell – mit Wirkung für Jahrzehnte

 

Entscheidend ist, dass nun keine kontraproduktiven Marktdynamiken ausgelöst werden, sondern eine konsequente und zukunftsfähige Umsetzung der Sozialpartnermodelle erfolgt. Es mag verlockend erscheinen, sich gewachsener und vertraut erscheinender Versorgungsstrukturen zu bedienen. Diese sind jedoch unbedingt auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen. Dabei bestehen bereits bei den strategischen Weichenstellungen verschiedene Zielkonkurrenzen, v.a.:

 

a. IORP II vs. Solvency II

b. Einfache Pensionspläne vs. überkomplexe Pensionspläne

c. Selbst steuern vs. steuern lassen.

 

Die Entscheidungen bei der Einrichtung der Sozialpartnermodelle werden sich noch in Jahrzehnten auf die Renten der Begünstigten auswirken – voreilige Schnellschüsse sollten hier vermieden werden. Eine ausführliche und tiefgehende Vorbereitung wird sich noch lange auszahlen.

 

 

Schlussfolgerungen

 

Es besteht kein Zweifel, dass in der kapitalgedeckten Altersversorgung keine Schönwetter-Konzepte gefordert sind, sondern nachhaltig allwetterfeste Konzepte, die auch schwierigen Kapitalmarktphasen standhalten und bestmögliche Leistungen hervorbringen. Das BRSG gibt den Sozialpartnern hierfür ausgezeichnete Handlungsoptionen. Das berechtigte Bedürfnis nach berechenbarer Mindestsicherheit und das Ziel gut fundierter Anlageergebnisse sind dabei sorgfältig zu balancieren; das gilt für die Anwartschafts- wie auch für die Rentenphase.

 

Die Sozialpartner sind die geeigneten, vertrauenswürdigen Gewährsträger, um unter ihrer Obhut die notwendigen und auch anspruchsvollen Impulse für eine weitere Verbreitung sinnvoller Konzepte der bAV umzusetzen.

 

Pensionsfonds als beaufsichtigte Einrichtungen unter IORP II stellen die idealtypische Struktur dar, um die Zielrente aufsichtsrechtlich und organisationspolitisch durch die Sozialpartner umzusetzen. Sie richten die deutsche bAV europatauglich aus.

 

Die Einrichtung einer zukunftsweisenden und nachhaltigen Zielstruktur mit einer optimalen Leistungsgestaltung für die Begünstigten kann aus tarifpolitischen Gründen Zeit in Anspruch nehmen. Diese Zeit ist sinnvoll für die Vorbereitung und Ausgestaltung zu nutzen. Blaupausen sind dafür auch in Deutschland bereits vorhanden.

 

 

Teil I dieses Beitrags findet sich hier.

 

 

Dirk Jargstorff ist Senior Vice President Pensions and Related Benefits der Robert Bosch GmbH. Hansjörg Müllerleile ist Director Pensions and Related Benefits der Robert Bosch GmbH.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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