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Frühe Mercer-Schätzung:

Die Lücke schließt sich weiter

Alles korrelierte 2022 nach unten, Aktien und Bonds sowieso, und im Gleichschritt damit auch DBO und Planvermögen – doch das eine mehr als das andere. Im Gegenzug nach oben geht dadurch besonders eines: die Funding Ratio. Im Dax hat sie zum Jahresende einen neuen Rekord hingelegt. Viel der Entwicklung bildet sich in den Büchern ab, manches wird aber auch richtig Geld kosten.

Das Jahr ist noch jung, doch Mercer ist stets früh dran mit einer ersten groben Analyse auf Basis von Geschäftsberichten und aktuellen Kapitalmarktinformationen, wie sich DBO, Plan Assets, DBL und damitFunding Ratio im DAX-40 über das Jahr entwickelt haben. Die Kernergebnisse zu der Schätzung betreffend das Jahr 2022, in dem Korrelation an den Märkten mal wieder groß geschrieben wurde:

Nahezu alle Anlageklassen haben im Gleichschritt Kursverluste verzeichnen müssen. Das hat sich auch auf das Pensionsvermögen im DAX-40 ausgewirkt. Der Zeitwert aller Planvermögen ist von Jahresanfang 299 Mrd. Euro um etwa 60 Mrd. auf etwa 240 Mrd. Euro zum Jahresende gesunken.

Gleichzeitig hat es bekanntlich einen enormen Anstieg des Rechnungszinssatzes gegeben, sodass der bilanzielle Wert der DBO nach IFRS ebenfalls deutlich abgesackt ist – von 412 Mrd. Euro um satte ca. 120 Mrd. auf etwa 290 Mrd. Euro.

Abb. 1:Quelle: Mercer. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Der Deckungsgrad der Pensionsverpflichtungen, der im Vorjahr mit 72% bereits einen hohen Stand erreicht hatte, ist damit auf einen neuen Höchststand von über 80% angestiegen.

Bäumchen wechsel dich im DAX: They ever come back

Der Rückgang der Planvermögen wurde abgemildert durch die mal wieder geänderte Zusammensetzung des DAX-40. An vier Stichtagen wurden insgesamt fünf Unternehmen ausgetauscht. Zwei davon, Beiersdorf und Siemens Energy, haben den DAX im März verlassen, wurden aber noch im selben Jahr wieder aufgenommen. Im Ergebnis haben somit Delivery Hero, HelloFresh und Puma den DAX verlassen, während Daimler Truck Holding, Hannover Rück und Porsche AG neu aufgenommen wurden. Durch diese Änderungen hat sich das Pensionsvermögen um etwa 6 Mrd. Euro erhöht, rekapituliert Mercer.

Die Rentenzahlungen liegen etwas höher als die Dotierungen, per Saldo kam es dadurch zu einem Mittelabfluss von etwa 2 Mrd. Euro.

Im Ergebnis belaufen sich die Kursverluste also auf ca. 66 Mrd. Euro oder 22 Prozent.

Der Blick auf 2022

Mercer nutzt den Anlass, auch das Börsen- und Anlagejahr 2022 nochmal Paroli laufen zu lassen1):

Das Jahr begann an den Kapitalmärkten zunächst recht positiv, gestützt durch die weitreichenden Aufhebungen der Covid-19-Beschränkungen. Aufgrund sich stabilisierender Lieferketten und moderat anziehender Geldpolitik wurde zu Jahresbeginn noch erwartet, dass sich die bereits erhöhte Inflation schnell wieder normalisieren würde.

Dann Ende Februar der Krieg: starker Anstieg der Rohstoffpreise, anhaltende bzw. sich noch verschärfende Lieferkettenprobleme, sehr hohe Inflation, geldpolitische Straffung.

Die Wachstumserwartungen sämtlicher Volkswirtschaften wurden im Laufe des Q II heruntergeschraubt, das Szenario „Rezession“ zur realen Gefahr. Erst Ende 2022 hat sich die geldpolitische Straffung etwas verlangsamt, da nun davon ausgegangen wird, dass in den USA der Inflationspeak bereits überschritten und der Abwärtstrend eingeleitet ist. Zudem erfolgte in China eine nahezu vollständige Aufhebung aller Covid-19-Beschränkungen.

Jeffrey Dissmann, Mercer.

Im Ergebnis wies 2022 insb. eine schwache Performance der Aktienmärkte auf, hat der Consultant beobachtet: MSCI World TR Index -12,3%, MSCI Emerging Markets TR Index -14,5%, MSCI Europe TR Index -8,9% (alles in Euro). Die hohe Inflation und die strenge Geldpolitik führten zu Verlusten von 13,3% an den globalen Bondmärkten (gemessen am Bloomberg Barclays Global Aggregate TR Index, in Euro hedged). „Haben Unternehmen zur Absicherung der bilanziellen Zinsrisiken der Pensionsverpflichtungen eine längere Duration in ihrem Anleihenportfolio gewählt, sind die Verluste sogar noch höher ausgefallen“, schreiben die Mercer-Analysten.

Es kam für Investoren im Jahr 2022 also insbesondere darauf an, das Portfolio risikoärmer aufzustellen und den Verlust möglichst gering zu halten. Aufgrund der stark zinssensitiven Verpflichtungen konnten Pension-Investoren trotz der sinkenden Assets ihre Bedeckung merklich steigern“, bilanziert Jeffrey Dissmann, Leiter Investment Consulting in Deutschland bei Mercer.

Rentendynamik pressiert durchaus…

Zur DBO: Durch die geänderte Zusammensetzung des DAX-40 haben sich auch die Pensionsverpflichtungen zunächst um 8 Mrd. Euro erhöht. Zudem mussten die Unternehmen aufgrund der starken Inflation die Annahme für die Rentendynamik deutlich anheben, was versicherungsmathematische Verluste von etwa 10 Mrd. Euro ausmacht.

doch der Zins entspannt noch mehr

Umgekehrt führte der starke Rechnungszins zu hohen versicherungsmathematischen Gewinnen. So betragen diese fast ein Drittel der Vorjahresverpflichtung: etwa 140 Mrd. Euro.

Bedingt vor allem durch den Ukrainekonflikt hat sich das Zinsniveau 2022 volatil, insgesamt aber vor allem nach oben entwickelt. Zum Jahresende haben wir den höchsten Monatsendstand seit über zehn Jahren erreicht“, erläutert Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer Deutschland seinen Blick auf die Geldpolitik.

Mercer leitet den Rechnungszins für Pensionsverpflichtungen mittels seiner Mercer Yield Curve her: für die Duration 15 Jahre Zins von 1,31 auf 4,21%, für die Duration 20 Jahre von 1,47 auf 4,25% zum Ende 2022.

Abb. 2:Quelle: Mercer. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Die tatsächliche Erhöhung dürfte bei den DAX-Unternehmen allerdings niedriger ausgefallen sein: „Zum einen sinkt die Duration eines Bestands bei steigendem Rechnungszins, zum anderen gibt es verschiedene Zinsermittlungsverfahren. Insgesamt rechnen wir aber damit, dass die Unternehmen im DAX den Rechnungszins um durchschnittlich 2,5 Punkte angehoben haben“, so Hagemann.

Thomas Hagemann, Mercer.

Aber auch Mercer betont das Bilanzielle an diese Art der Bewertung: Da die Verpflichtungen selbst meist nicht zinsabhängig sind, ergibt sich aus der Zinsentwicklung keine tatsächliche langfristige Entlastung der Unternehmen. An den späteren Rentenzahlungen bzw. deren Cashflow ändert sich nichts.

Anders bei den versicherungsmathematischen Verlusten aufgrund der Anhebung der Rentendynamik: Die Erhöhung von etwa 10 Mrd. Euro bildet die in den nächsten Jahren deutlich erhöhten Rentenanpassungen ab, die zu tatsächlich höheren Zahlungen führen wird. Der Rückgang der DBO aufgrund der Zinsentwicklung verdeckt also das zusätzlich erwartete Verpflichtungsvolumen aufgrund künftiger Anpassungen und zeigt letztlich nur scheinbare Entlastungen.

Funding Ratio auf all time high

Der Deckungsgrad hat sich im DAX-40 wie erwähnt von 72 auf den neuen Rekord von über 80% erhöht, dominiert vom alles überkompensierenden Rückgang der DBO infolge des gestiegenen Zinses. Ein Funding ist in Deutschland traditionell nicht verbindlich, anders als in UK oder den USA. Der Deckungsgrad der DAX-Unternehmen liegt bei ihren dortigen Verpflichtungen daher noch höher.

Bei Unternehmen außerhalb des DAX beobachtet Mercer meist deutlich geringere Deckungsgrade, manche Unternehmen verzichten gar gänzlich auf jedes Funding. Mercer führt hier als Grund die Existenz des PSV an. Doch sicher kommen auch andere Erklärungen infrage, v.a. ein andere strategischer Blick auf die Dinge, nämlich, so sei erneut wiederholt, das Wissen darum …

„… dass gleichwohl für jede Unternehmensspitze, die überzeugt ist, mit ihren Plan Assets an den Kapitalmärkten höhere Returns zu erzielen, als wenn sie die Mittel ohne Outside Funding und ohne die Bildung von Plan Assets im eigenen operativen Kerngeschäft arbeiten lässt, sich bei einer konsequenten Fortführung dieses Gedankens nur eine Handlungsmaxime ergibt: Unternehmen liquidieren und stattdessen Asset Manager werden.“

Gleichwohl sieht Mercer trotz der Entspannung durch die Zinsseite einen anhaltenden Trend zur bilanziellen Entlastung, insb. via Pensionsfonds. „Ausfinanzierungslösungen dienen der angemessenen Risikosteuerung und helfen dabei, bestehende und künftige Verpflichtungen und die daraus resultierenden Bilanz- und Liquiditätsbelastungen optimiert und planbar zu gestalten“, erläutert André Geilenkothen, Leiter Pension Funding Consulting bei Mercer Deutschland.

Und wie gehts weiter?

André Geilenkothen, Mercer.

Die globale Wirtschaft sieht der Consultant auch im aktuellen Jahr weiter vor vielen Unsicherheiten stehen. Ukrainekonflikt und Energiekrise sind nicht vorbei, deren Folgen ebensowenig, und eine Einschätzung über das Gesamtausmaß maßt man sich aktuell noch nicht an. Die derzeit hohe Inflation sieht man sich sich zwar langsam zurückentwickeln, aber noch einige Jahre anhalten, entsprechende Zinssteigerungen inklusive, wenn auch vermutlich niedriger als zuletzt.

Auch die Covid-19-Pandemie könnte laut Mercer von China kommend durchaus nochmal zu Überraschungen führen. Das Rezessionsszenario hält man auf globaler Ebene weiter für realistisch.

Die Unsicherheit hält an, und auch Mercer sieht angesichts des höheren Zinses und des damit meist verbunden hohen Deckungsgrades einen „sinnvollen Zeitpunkt, um wieder in zinstragende Asset-Klassen zu investieren“ – und zu erwägen, mittels LDI die hohe Zinssensitivität der DBO samt einhergehender Bilanzvola unter Kontrolle zu halten.

FN1): s. Min 11.:07

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