… -subventionieren: Wie die anderen Stakeholder sind auch die deutschen Aktuare im Wesentlichen d’accord mit den Plänen von BMAS und BMF, die bAV etwas wetterfester zu machen. An einem Punkt, der bislang wohl eher als Nebenkriegsschauplatz gilt, heben sie aber den mahnenden Finger.
Neben vielen anderen wie z.B – aba und BAVC – haben auch IVS und DAV den RefE kommentiert. Im Wesentlichen auch hier Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen; Kritik ist v.a. redaktioneller Art.
Bei einer Regelung jedoch steigen die Aktuare tiefer ein, und zwar bei einer, die bis dato alles andere als im Fokus steht: die vorgesehenen Änderungen in § 35 PFAV.
Der Puffer kriegt’s von allen Seiten
In seiner neuen Fassung soll der § 35 Abs. 4 PFAV erlauben, dass die Sicherungsbeitragspuffer der Sozialpartnermodelle nicht nur durch Sicherungsbeiträge der Arbeitgeber, sondern auch durch „Überrenditen“ auf die Versorgungskapitale der Anwärter befüllt werden können.
Und genau das halten die Aktuare für falsch. Man begrüßt zwar grundsätzlich jede Flexibilisierung bei der Gestaltung von SPMs, sieht die vorgeschlagene Regelung gleichwohl in wesentlichen Aspekten kritisch. Die Aktuare schreiben, dass der Gesetzgeber Ansparphase und Rentenbezugszeit bei der rBZ strikt voneinander getrennt habe, um Quersubventionierungen zu verhindern und Umverteilungen zwischen den Generationen jeweils auf Ansparphase und Rentenbezugszeit zu beschränken.
Daher sollten nur über den aus Sicherungsbeiträgen des Arbeitgebers aufgebauten Puffer kollektive Mittel für Anwärter und Leistungsempfänger gleichermaßen verwendet werden können, betonen DAV und IVS in ihrer Stellungnahme. Denn:
„Durch die neue Regelung wird dieses strikte Trennungsprinzip aufgeweicht und eine Möglichkeit zur Quersubventionierung des Rentnerbestandes aus Übererträgen des Anwärterbestandes geschaffen.“
Die Aktuare billigem dem Gesetzgeber sogar zu, dieses Risiko des unerwünschten Gestaltungsmissbrauchs durchaus gesehen zu haben, da der RefE einen expliziten Mindestprozentsatz vom Doppelten des Rechnungszinssatzes als Schwellwert vorsieht, um zu verhindern, dass ein Zuviel der Renditen sofort für den Sicherungsbeitragspuffer abgeschöpft wird.
Friedemann Lucius, CEO des IVS (und im Zivilleben Chefaktuar der Heubeck AG), ging gegenüber PENSIONS●INDUSTRIES ins Detail:
„Die strikte Trennung der Kapitalstöcke für Anwärter und Rentner gehört zu den grundlegenden Strukturprinzipien der reinen Beitragszusage. Nur bei Rentenbeginn können Mittel aus dem Anwärter- in den Rentnerbestand übertragen werden, sonst nicht. Und das aus gutem Grund: Auf diese Weise wird verhindert, dass die Anwärter die Rentner subventionieren und die generationengerechte Verwendung der Erträge insofern unterlaufen wird.“
Mit der vorgeschlagenen Regelung werde insofern keine gleichberechtigte kommunizierende Röhre zwischen den Beständen geschaffen, sondern ein Überlauf vom Anwärter- in den Rentnerbestand. Lucius: „Die Anwärter schauen dabei im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre. Das Ziel einer generationengerechten Finanzierung wird auf diese Weise jedenfalls unterlaufen. Und genau das sehen wir Aktuare kritisch.“
Wenn schon, denn schon angemessen …
Allerdings scheinen die Aktuare nicht davon auszugehen, dass die Regelung wieder verschwinden wird. Denn sie bieten in derselben Stellungnahme eine Anpassung an, die sie für nötig halten:
„Ein der Höhe nach gesetzlich festgelegter Schwellenwert könnte eine normative Kraft entfalten.“
Wenn schon die Möglichkeit geschaffen wird, die abgeschöpften Mittel für die Quersubventionierung zwischen Anwärtern und Leistungsempfängern zu nutzen, dann sehen auch die Aktuare durchaus die Notwendigkeit, die Abschöpfung von Überrenditen zu begrenzen. Aber nicht so, wie der Entwurf es vorsieht:
„Die explizite gesetzliche Normierung dieser Begrenzung der Höhe nach entspricht u.E. nicht dem Geist des SPM. Der Gesetzgeber sollte sich danach lediglich darauf beschränken, den Sozialpartnern eine angemessene Begrenzung des Mindestprozentsatzes aufzuerlegen und ihnen Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit an die Hand zu geben.
Ein der Höhe nach gesetzlich festgelegter Schwellenwert könnte zudem eine normative Kraft dahingehend entfalten, dass auch die grundsätzlich unkritische Abschöpfung von Überrenditen zur Bildung eines Anwartschaftspuffers implizit begrenzt wird.“
Warum das ein Problem wäre, so es denn Gesetz würde, erläutert IVS-Chef Lucius: „Weil dann nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Aufsicht diese Grenze auch dann zugrunde legt, wenn Überrenditen für den Anwartschaftspuffer abgeschöpft werden sollen. In diesem Fall sind wir jedoch der Meinung, dass es allein den Sozialpartnern überlassen bleiben sollte, diese Grenze zu definieren. Denn diese Mittel bleiben ja dem Anwärterbestand erhalten, so dass die Anwärter weiterhin planmäßig daran partizipieren können.“
… statt konkreter Willkür
Die Aktuare sehen durch die konkretisierende Art der Regelung die Gestaltungsfreiheit der Sozialpartner in unzulässiger Weise eingeschränkt. Außerdem können sie nicht nachvollziehen, wie die Bemessung des Schwellenwertes zustande kommt. Insbesondere erschließt sich ihnen nicht, wieso das Doppelte des Rechnungszinses „ein naheliegendes Maß für Ertragsspitzen bzw. Überrenditen“ sein soll:
„Insofern scheint die Höhe willkürlich gewählt und zudem auch nur am derzeitigen Zinsniveau ausgerichtet zu sein; bei einem deutlich niedrigeren oder deutlich höheren Zinsniveau scheint eine Verdopplung nicht plausibel.“
Vor diesem Hintergrund halten die Aktuare die Regelung in Satz 4 des Absatzes 4, wonach die Volatilität der Kapitalanlage bei der Festlegung des Schwellwertes zu berücksichtigen ist, durchaus für sinnvoll. Jedoch: Um zu verhindern, dass die Sozialpartner den Schwellenwert trotzdem zu niedrig ansetzen, sollte im Fall der Zuführung von Überrenditen in den Sicherungsbeitragspuffer darüber hinaus gesetzlich vorgegeben werden, dass die Sozialpartner diesen bereits im Tarifvertrag der Höhe nach begrenzen müssen. Der Tarifvertrag müsste dann auch regeln, wie das überschießende Vermögen bei Überschreiten der Obergrenze auf die Versorgungsberechtigten zu verteilen ist, fordern DAV und IVS.
Formulierungshilfe
Eine Sprachregelung haben die Mathematiker ebenfalls mitgeliefert, sie schlagen vor, besagten Abs. 4 wie folgt zu fassen:
„Der zusätzlichen Deckungsrückstellung nach Abs. 3 können Nettokapitalerträge aus der Vermögensanlage nach § 34 zugeführt werden, wenn die Vermögensanlage der rBZ für die Versorgungsanwärter und -empfänger zusammen erfolgt und der Tarifvertrag, dem die rBZ zugrundeliegt, die Zuführung zur zusätzlichen Deckungsrückstellung vorsieht. In diesem Fall müssen im Tarifvertrag zudem sowohl ein Schwellenwert in Prozent der Vermögensanlage, oberhalb dessen Nettokapitalerträge der zusätzlichen Deckungsrückstellung zugeführt werden dürfen, als auch eine Obergrenze für die zusätzliche Deckungsrückstellung der Höhe nach explizit festgelegt werden.
Die Zuführung darf nur erfolgen, soweit die zusätzliche Deckungsrückstellung die Grenze von 25% des Barwertes der Leistungen nach § 36 Abs. 1 S. 1 noch nicht erreicht hat. Zudem ist im Tarifvertrag zu regeln, wie Mittel, die die festgelegte Obergrenze übersteigen, zu verwenden sind. Die Grenzwerte in S. 2 sind in Abhängigkeit von der erwarteten Volatilität des Sicherungsvermögens so festzulegen, dass die Kollektivierung von Nettokapitalerträgen angemessen begrenzt wird.“
Beyond Puffer
Die Aktuare sprechen abseits des Puffer-Problems weitere Punkte an, dies aber sichtlich weniger prägnant. So bemängeln sie (nicht zum ersten Mal), dass die steuerliche Behandlung der verschiedenen Bestandteile von (kommenden) SPM-Renten zu kompliziert sei – etwas, dass der Gesetzgeber sicher ohne fiskalischen Verlust anpassen könnte.
Und: Die durch § 3 Abs. 7 BetrAVG eingeführte Fiktion einer Abfindung von Anwartschaften und laufenden Leistungen bei der bald möglichen Auflösung von Pensionskassen begrüßt man zwar grundsätzlich, hat jedoch Bauchschmerzen mit Blick auf Abfindungen in laufenden Arbeitsverhältnissen und deren Future Service und schlägt hier eine Begrenzung auf Renten bzw. Ausgeschiedene vor.
Und wie die aba weist man darauf hin, dass arbeitsrechtliche und versicherungsrechtliche Verpflichtung durchaus auch mal auseinanderfallen können.
Die Stellungnahme der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. und des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. zum „Zweiten Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“ vom 25. Juli findet sich hier.