Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Stimmen zum Entwurf (I):

Von Ködern, Matchbällen und Turboladern…

 

Der Entwurf zum Sozialpartnermodell ist in der Verbändeanhörung, und seit einigen Tagen ist er auch amtlich verfügbar. Wie sind die ersten Eindrücke – von Investoren, Juristen, Politikern und Consultants? LEITERbAV hat sich umgehört.

 

 

Hadasch

Der Entwurf ist seit langem der erste ernsthafte Versuch, die bAV tatsächlich zu stärken. Wir hoffen, die Interessengruppen beteiligen sich kooperativ an der Weiterentwicklung und unterlassen ein Zerreden durch das bekannte Lobby Klein-Klein. Die betrieblichen Pensionskassen begrüßen das Grundkonzeption und werden sich dafür einsetzen, dass nach der Umsetzung die bestehenden Einrichtungen weiter ungestört genutzt werden können.“

 

Peter Hadasch.

Personalvorstand der Nestlé Deutschland und Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Firmenpensionskassen e.V. VFPK.

 

 

 

 

Richard Nicka

Man merkt, dass der Rat der Experten vielfach Berücksichtigung gefunden hat. Ein Knackpunkt ist allerdings, dass sich die Tarifparteien an der Durchführung und Steuerung der bAV bei reinen Beitragszusagen beteiligen müssen. Hier sollte zumindest klargestellt werden, dass dies auch erfolgen kann, indem die Betriebsräte mandatiert werden, die Arbeitnehmerinteressen wahrzunehmen. Dies tun sie ja auch heute schon, beispielsweise in paritätisch besetzten Aufsichtsräten von Pensionskassen. Ein betriebsfremdes Gremium wäre wesensfremd. Wird diese Regelung nicht geändert, werden betriebliche Lösungen von vornherein verunmöglicht.

 

Ein echter Verbreitungs-Turbo wäre es, wenn die reine Beitragszusage generell, also auch ohne Tarifvertrag, auf betrieblicher Ebene eingeführt würde.“

 

Richard Nicka.

Vice President Benefits BASF SE.

 

 

 

 

Birkwald

Die reine Beitragszusage ohne jegliche Garantien und Haftung wird das Kapitalmarktrisiko einseitig zu Lasten der Beschäftigten verschieben. bAV würde zu einem Börsenspiel ohne jede Haltelinie. Die Absicht von Sozialministerin Nahles, mit Betriebsrenten die Lücke zu schließen, die ihre Partei in die gesetzliche Rente gerissen hat, ist mit diesem Gesetz endgültig am Ende. Daran ändern weder die viel zu niedrigen Pflichtbeiträge der Arbeitgeber*innen noch die Förderung für Niedrigverdienende etwas. Stattdessen sollten sich die Arbeitgeber*innen endlich wieder paritätisch an der Finanzierung einer lebensstandardsichernden gesetzlichen Rente mit 53 Prozent Sicherungsniveau vor Steuern beteiligen! Wir brauchen ein festes Fundament für die Altersvorsorge statt dreier wackliger Säulen.“

 

Matthias W. Birkwald.

Rentenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag.

 

 

 

 

Uwe Buchem Mercer small

Mit dem Entwurf möchte der Gesetzgeber insbesondere mit besseren steuerlichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Tarifpartner eine stärkere Verbreitung der bAV – vor allem bei Kleinunternehmen und Geringverdienern – erreichen. Der Köder muss aber am Ende dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Ob die Tarifparteien die Chancen des neuen Gesetzes tatsächlich nutzen werden, bleibt abzuwarten.

 

Um der Verbreitung der bAV einen stärkeren Impuls zu geben, wäre eine Ausweitung der neuen Möglichkeiten für alle Arbeitgeber, also auch für jene ohne Tarifvertrag, nötig.“

 

Uwe Buchem.

Leiter Retirement Mercer Deutschland.

 

 

 

 

Karch

Tarifrenten im Rechtsrahmen der bAV können uns alle einen großen Schritt zu einem nachhaltigeren Rentensystem in Deutschland voranbringen, ohne bereits erfolgreiche Modelle zu schwächen. Angesichts des Mangels an in Deutschland auf dem Tisch liegenden Alternativen lohnt dieser Versuch.

 

Doppelte Beitragslast in der Altersversorgung ist unsystematisch und unfair. Dies gilt seit 15 Jahren für die Riester-bAV und den sozialversicherungspflichtigen Teil in der Veranlagung nach Paragraf 3 Nummer 63 EStG. Für Unternehmen und Tarifparteien ist ein noch unverbrauchter von Beitragslasten freier Teil in der Veranlagung dringend geboten.“

 

Heribert Karch.

Vorsitzender der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.v. aba.

 

 

 

 

Roessler Mayer Brown

Ich begrüße den Entwurf, denn durch die bAV muss ein echter Ruck gehen. Ob der Ansatz über die Sozialpartner der richtige ist, um KMU zu erreichen, wird man sehen müssen. Denn gerade diese Unternehmen sind oft nicht tarifgebunden.“

 

 

Nicolas Roessler.

Partner Mayer Brown LLP.

 

 

 

 

Reiner Schwinger WTW

Der Entwurf enthält viele grundsätzlich sinnvolle Überlegungen, geht allerdings – etwa mit Blick auf die minimale Erweiterung des steuerlichen Förderungsrahmens – teilweise leider eher kleine Schritte. Mit den Zielrentensystemen gewinnen Unternehmen für den Tarifkreis eine neue – gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld sinnvolle – Gestaltungsfreiheit. Um diese nutzen zu können, müssen sie jedoch künftig im Hinblick auf die bisherige betriebliche Gestaltungsfreiheit in der bAV eine gewisse Einschränkung hinnehmen – die enge Abstimmung mit den Tarifpartnern.

 

Entscheidend wird es dafür auf das gegenseitige Verständnis und die gegenseitige Flexibilität in der Gestaltung von Zielrentensystemen ankommen – also darauf, dass die Beteiligten die jeweiligen Interessen der anderen angemessen respektieren. Dies ist das wahre Novum, und daher bleibt abzuwarten, ob das Ziel einer weiteren Verbreitung erreicht wird.“

 

Reiner Schwinger.

Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson Deutschland.

 

 

 

 

Markus Klinger

Es ist richtig, dass den Tarifpartnern ein ausgewogener Interessenausgleich zugetraut wird und sich dies in den Gestaltungsfreiheiten der Zielrente widerspiegelt. Bleibt zu hoffen, dass die Ministerien dieses Bild einer positiven Kreativität beherzigen und ihre Energie nicht oder nicht voreilig in Verordnungen mit starkem ordnungspolitischen Verständnis fließen lassen. Man beachte jedenfalls die Begründung zu Paragraph 25 BetrAVG, die den Rahmen für die Kapitalanlage nicht durch Tarifpartner, sondern durch den Verordnungsgeber stecken möchte. Ein stärkeres Bekenntnis zur kollektiven Kapitalanlage wäre wünschenswert.“

 

Markus Klinger.

Leiter des Fachkreises „betriebliche Altersversorgung und Lebensversicherungen“ der Vereinigung der Versicherungs-Betriebswirte VVB.

 

 

 

 

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Der Entwurf ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der bAV Insbesondere für Geringverdiener schafft die Reform Vorteile durch Zuschüsse, Freibeträge bei der Grundsicherung sowie die Anhebung der Riester-Zulage.

 

Welchen Beitrag die neuen tarifvertraglichen Instrumente zur weiteren Verbreitung leisten können, bleibt angesichts der restriktiven Regelungen abzuwarten. Der Entwurf sollte dahingehend flexibilisiert werden, dass bei reinen Beitragszusagen auch Lösungen zugelassen sind, die die Arbeitnehmer in ihren Leistungsansprüchen seitens der Anbieter absichern. Das gänzliche Verbot von Garantien würde gleichzeitig auch ein Verbot der Absicherung von Hinterbliebenen und des Berufs- und Erwerbsminderungsrisikos bedeuten. Das erscheint noch nicht zu Ende gedacht.“

 

Peter Schwark.

Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. GDV.

 

 

 

 

Koester Benedikt Deutsche Post DHL

Viele gute Ansätze – aber auch einige Schwächen. Der Vorteil kollektiver Lösungen auf der Kostenseite wird zwar gesehen, scheint aber für die Risiko- und Anlageseite bislang nicht im Fokus der Überlegungen gestanden zu haben. Hier wäre eine stärkere Ausrichtung auf kollektive Ansätze (Beispiel: Goecke-Modell) notwendig und zielführend. Die steuerliche Flankierung ist vermutlich weder für Geringverdiener (Förderbetrag) noch für Normalverdiener (7% der BBG) in ihrer wirtschaftlichen Konsequenz ein Matchball, immerhin aber ein Schritt in die richtige Richtung. Note: 3+.“

 

Benedikt Köster.

Senior Vice President Group Pension der Deutschen Post DHL.

 

 

 

 

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Ich begrüße die Vorlage. Insbesondere durch den neuen Geringverdienerzuschlag und den Freibetrag in der Grundsicherung wird die Attraktivität der bAV gesteigert. Positiv auch, dass die Tarifparteien zusätzliche Handlungsspielräume erhalten.

 

Um tatsächlich die dringend notwendige bessere Verbreitung der zweiten Säule zu erreichen, muss allerdings ein weiteres, zentrales Imageproblem der bAV angegangen werden: die volle Beitragspflicht der Betriebsrentner zur Kranken- und Pflegeversicherung. Als Ausgleich sollte bei Entgeltumwandlung der Arbeitgeber während der aktiven Phase des Beschäftigten verpflichtet werden, einen Mindestzuschuss zur bAV in Höhe seiner Ersparnis bei der Sozialversicherung zu leisten. Wird die bAV bereits durch Arbeitgeberzuschüsse mitfinanziert, muss der aus den ersparten Sozialversicherungsbeiträgen resultierende Arbeitgeberzuschuss mit dem bereits gewährten verrechnet werden können.

 

Erforderlich ist zudem ein Angebotsobligatorium mit Abwahlmöglichkeit auch bei nicht tarifgebundenen Betrieben, nicht also nur wie vorgesehen über Tarifverträge. Für die Sozialpartner in den jeweiligen Branchen brauchen wir außerdem mehr Flexibilität bei der Umsetzung allgemeinverbindlicher tariflicher Vereinbarungen, damit die neuen Spielraume auch tatsächlich genutzt werden können.“

 

Peter Weiß.

Rentenpolitischer Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

 

 

 

To be continued…

 

Teil II der ersten Stimmen findet sich zwischenzeitlich hier.

 

Teil III der ersten Stimmen findet sich zwischenzeitlich hier.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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