Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Was schon Adam Smith wusste, was auch schon Arnold Toynbee wusste, wenn der Betriebsrentner viel Zeit und Langeweile hat, wenn keiner den Tresor aufbekommt, Ansage an Deutschland – und: Flucht wenn möglich.
LAG Düsseldorf (7. Juni): „Keine Corona-Sonderzahlung für Betriebsrentner.“
Einerseits: Wenn der Staat Steuerzahler- und/oder Notenpressengeld mit dem Füllhorn verteilt, darf man sich nicht wundern, wenn Begehrlichkeiten überall entstehen und zuweilen die Leute durch die Instanzen gehen, wenn sie ihren Teil vom Förder- und Entschädigungskuchen abhaben wollen.
Andererseits muss sich schon wundern, inwiefern sich manche Leute ernsthaft Chancen vor Gericht ausrechnen. Revision ist zugelassen, doch wenn der Betriebsrentner, der pikanterweise auch noch bei einer EbAV beschäftigt war, also vermutlich irgendwie von unserem Fach zu sein scheint – die Sache nach Erfurt trägt, dann muss er schon viel Zeit und Langeweile haben.
Institutional Money (6. Juni): „Net-Zero-Allianzen: Politischer Druck nimmt zu, Mitglieder steigen aus.“
Äußerst interessanter Artikel in der Insti Money, der eine bemerkenswerte Entwicklung beschreibt. Die Austritte aus der Alliance haben Gewicht.
Man sollte die Einwendungen der US-Staatsanwälte nicht ohne weiteres vom Tisch wischen, rechtlich und politisch schon mal gar nicht (das wäre in den USA wie stets sehr gefährlich), aber auch markttechnisch nicht. Wenn die großen und übergroßen Akteure sich zusammenschließen, und sei es mit noch so moralischen Absichten und sei es in welcher Form auch immer, dann droht in der Tat stets die Gefahr der Absprachen und des Herausdrängens kleiner Player aus den Märkten – das wusste schon ein Adam Smith, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Ohnehin passt das, was der Artikel beschreibt, zu dem, was man auch sonst in Fragen der ESG-Regulierung zuweilen beobachten kann: Flucht wenn möglich. Man denke nur an die Umwidmung der zahlreichen Art. 9 Fonds.
Es gilt, wie stets im Leben und besonders für die Regulierung die alte, kölnische Weisheit: Viel gut wird viel schlecht.
Am Rande sei geraten, beim lesen des Insti Money-Artikels darauf zu achten, dass Allianz hier meist Alliance meint und nicht den Allianz-Konzern. Vielleicht hätte der Autor das auch besser so handhaben sollen.
Statistisches Bundesamt (7. Juni): „Demografischer Wandel: Anteil der Bevölkerung ab 65 Jahren von 1950 bis 2021 von 10% auf 22% gestiegen.“
Demographie zum ersten: Kassandra beschließt ihre häufigen pessimistischen Darstellungen der Multi-Problemlage Deutschlands und Europas (Energie, Rezession, De-Industrialisierung, Inflation und Geldpolitik, Migration, politische Zentrifugalkräfte, innerstaatlich wie zwischenstaatlich, der Krieg im Osten etc. etc.) stets mit dem Sahnehäubchen, dass diese zusammenwirkenden Herausforderungen sich am Vorabend des demographischen Zusammenbruchs über die Zeit dergestalt verschärfen, dass sie bei einer Kulmination in z.B 15 Jahren einen Kontinent treffen, der dann in erster Linie ein großes Altersheim sein wird.
Auf unserem Parkett wissen das alle, und in der breiten Bevölkerung eigentlich auch. Trotzdem lässt es einen immer noch ein wenig erschrecken, wenn man dann solche anschaulichen Zahlen wie hier zu der Problematik konkret vergegenwärtigen muss.
Die Welt (6. Juni): „Amerikas Renten-Zeitbombe.“
Demographie zum zweiten: „The worst country to be poor in“; dieses Prädikat verlieh einst der britische Historiker Arnold J. Toynbee den Vereinigten Staaten. Das war in dieser Absolutheit natürlich nicht richtig, und ist es auch heute nicht. Es gibt viel schlimmere Länder, um arm zu sein. Richtig ist aber: Die USA habe ihre eigenen Gesetze, Sorgen, Nöte und Vorstellungen, namentlich für die Bereiche Vorsorge, Sozialstaat, Gerechtigkeit und Verteilung, und die sind mit denen Europas nur bedingt vergleichbar.
Hier nun ein Artikel in der Welt, der für die Vorsorge-Zukunft der USA schwarz zu sehen scheint (freilich ohne Toynbee). Gut, mag ja alles stimmen, was da steht, und rosig ist sicher anders. Jedoch zwei Einwendungen:
Erstens sei das alte kassandrische Axiom wiederholt, dass seit vielen Jahren praktisch alle maßgeblichen geostrategischen Trends für Nordamerika laufen, die USA in den letzten Jahrzehnten hier an massiv an Körperspannung zugelegt haben; das betrifft in der Folge namentlich auch den US-Dollar in seiner Funktion und Position. Insofern sind die USA hier in einer beneidenswert besseren Geo-Lage als Deutschland und Europa.
Und zweitens und in Zusammenhang damit hier ein Blick auf den wichtigsten Parameter überhaupt in dieser Frage, den alles entscheidenden, nämlich die Altersstruktur. Hier die US-Demographie, scrollen Sie runter zu „Total population in 2021“. Ja, auch reichlich füllig in der Mitte und etwas schlanker untenrum, doch „Tannenbaum grüßt Urne“, könnte jeder Amerikaner auf den Welt-Artikel mit Fug und Recht antworten. Insofern können sich deutsche Leitartikler gern Sorgen machen um das US-Rentensystem – aber wenn sie dabei übersehen sollten, wie Lage und Perspektive ihres eigenen Landes aussehen, dann werden sie ihr blaues Wunder erleben.
FAZ (5. Juni): „Hunderttausend ausländische Fachkräfte? Das reicht nicht!“
Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil sind zusammen nach Brasilien gejettet, um dort Pflegekräfte zu animieren, nach Deutschland zu ziehen – und haben dies in einem Gastbeitrag für die Frankfurter erläutert. Viele, viele warme Worte kann man in dem Beitrag lesen. Überhaupt ist die Bundesregierung hier sehr aktiv, der Finanzminister hat es neulich erst in Ghana versucht – ohne großen Erfolg übrigens, wie nicht nur die TAZ spottet.
Deutschland, du bist immer noch hochentwickelt und hochindustrialisiert. Und Du hast in den letzten zehn Jahren um circa 5 Mio. Menschen zugelegt. Du hast gewaltige Potenziale und Probleme gleichermaßen. Denkst du nicht, dass Du Deine Probleme hier selber lösen solltest, und zwar ohne durch Schwellen- und Entwicklungsländer zu reisen, also durch Länder, die ihre eigenen Sorgen und Nöte und die es schwer genug haben, und diesen die wenigen Fachkräfte, die diese armen Länder selber ausgebildet haben, auch noch abzuwerben? Reicht es Dir nicht, dass Du offenbar auch Deine ganze eigene Art der Klimarettung offenbar ohne Rücksicht auf Verluste v.a. der armen Menschen in armen Ländern versuchst umzusetzen?
Solltest Du nicht besser daran arbeiten, Dein weiland zeitgemäßes und adäquates Bildungssystem wieder aufzurichten? Solltest Du nicht dafür sorgen, dass sich Ausbildung, Arbeit und Leistung auch hierzulande wieder lohnen, und zwar für die, die all das geben, und für die, die das nehmen. Noch kannst Du es. Noch hast Du alle Kapazitäten dazu. Aber es werden ständig weniger, jeden Tag. Und je länger Du wartest und je weniger du hier erreichst, desto weniger attraktiv wirst Du ohnehin für fremde Fachkräfte. Dann werden noch mehr Politiker als nur Lindner ihren Ghana-Moment haben. Und vielleicht ist das auch gut so. Denn spätestens dann wirst Du lernen müssen, deine Lage selbst in den Griff zu bekommen.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
Versicherungsjournal.de (6. Juni): „Ausgeraubte Frau bekommt nur Bruchteil des gestohlenen Geldes ersetzt.“
Interessanter Bericht im VJ. Zunächst irritiert das Verhalten des Versicherers. Wenn die VN argumentiert, dass in diesem Fall ein hochwertigerer Tresor keinen Unterschied gemacht hätte, dann hat sie recht. Man darf gespannt sein, ob der Fall vom Ombudsmann vor Gericht geht.
Hier jedoch für alle, die es angeht, ein kassandrischer Hinweis grundsätzlicher Art:
Einen Tresor im Haus zu haben, den zu öffnen nicht jeder im Haushalt in der Lage ist, stellt ein erhebliches Risiko dar!
Dann sollte es zu einem räuberischen Einbruch kommen und im Haus zufällig gerade nur Familienangehörige ohne Zugang zum Tresor anwesend sein, so droht diesen schwerster Ungemach. In der heutigen Zeit und der diesbezüglichen Sozialisation vieler räuberischer Einbrecher muss klar damit gerechnet werden, dass diese zu Prügel oder gar regelrecht zu Folter greifen, um das Öffnen des Tresors zu erzwingen. Wer dann dazu gar nicht in der Lage ist, weil er die Kombination gar nicht kennt oder den Schlüssel gar nicht hat, muss mit dem Allerschlimmsten rechnen.
Deshalb der Rat: Alle im Haushalt sollten in der Lage sein, einen vorhandenen Tresor auch öffnen zu können. In einem echten Dilemma sind allerdings Sportschützen und Jäger, für das sich keine einfache Lösung aufdrängt: Hier ist es rechtlich nicht zulässig, dass Nicht-Berechtigte über die Möglichkeit verfügen, den Tresor zu öffnen. Wenn nun der Inhaber der waffenrechtlichen Erlaubnis während eines Einbruchs nicht im Haus ist, die Verbrecher den Tresor sehen, darin Wertgegenstände vermuten und von den anderen Familienmitgliedern die Öffnung verlangen, diese dazu aber nicht in der Lage sind, dann… tja…