Zeitgleich mit dem Ende der dieses Jahr ohnehin ausgefallenen fünften Jahreszeit am Rhein hat das Projekt Digitale Rentenübersicht den nächsten, legislativen Entwicklungsschritt getan. Dietmar Droste wägt die in der Überschrift gestellte Frage aus Sicht eines Industrievertreters ab.
Der weitgehend nur digitale Karneval 2021 ist vorbei, und der Verfasser dieser Zeilen ist definitiv kein Karnevalist. Nicht zu übersehen ist aber: Pünktlich am Aschermittwoch, dem 17. Februar 2021, hat die Digitale Rentenübersicht, genauer gesagt das ihr zugrunde liegende „Gesetz zur Entwicklung und Einführung einer Digitalen Rentenübersicht – Rentenübersichtsgesetz“ (RentÜG), nun endlich seinen Weg ins Bundesgesetzblatt gefunden.
Allerdings: So klar und übersichtlich, wie der Name des Gesetzes formuliert wurde (immerhin sachlicher und ernsthafter als etwa das „Gute-Kita-Gesetz“), ist die Angelegenheit nicht. Und erst recht ist nicht „alles vorbei“, was ja landläufig dem Aschermittwoch nachgesagt wird. Im Gegenteil: Jetzt geht es erst richtig los.
Die Hoffnung auf aufwandsarme Umsetzung
Es geht damit los, dass die Digitale Rentenübersicht (DigiRÜ) unter der Regie der Zentralen Stelle für die DigiRÜ – anknüpfend an umfangreiche Vorarbeiten und Fachdiskussionen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren – ganz konkret „entwickelt“ werden muss.
Dies geschieht unter Beteiligung zahlreicher Mitstreiter in mehreren Fachbeiräten. Das Gute bei diesem Verfahren ist die Chance, dass die Expertise vieler Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen, u.a. auch von Unternehmen und Beratern, in das Projekt einfließen kann. Aus Sicht der bAV verbindet sich damit die Hoffnung und Erwartung, dass so Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine aufwandsarme Umsetzung durch die Versorgungsträger, auch die Arbeitgeber, möglich machen.
Freiwillig heißt nicht für immer heißt nicht kostenlos
Unterdessen haben wir in den Unternehmen etwas Zeit, immerhin 21 Monate ab Inkrafttreten des Gesetzes, darüber nachzudenken, ob wir uns, soweit unsere Teilnahme an der DigiRÜ nicht verpflichtend ist, ihr freiwillig anschließen bzw. – wie es im Gesetz heißt – an die Zentrale Stelle anbinden wollen.
Eine solche freiwillige Anbindung ist nicht unumkehrbar. Sie kann auch wieder beendet werden. Trotzdem wird aber vermutlich kaum eine Versorgungseinrichtung den Vorbereitungsaufwand für eine nur versuchsweise Anbindung auf sich nehmen, zumal das Gesetz in § 7 Absatz 3 unmissverständlich sagt:
„Die Kosten, die den Vorsorgeeinrichtungen durch die Anbindung und die Übermittlung von Informationen an die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht entstehen, werden diesen nicht erstattet.“
Noch mehr Information?
Solange es für Direktzusagen und U-Kassenzusagen keine gesetzliche Verpflichtung zu jährlichen Standmitteilungen gibt, ist die Anbindung für die Versorgungseinrichtung, bei Direktzusagen also für den Arbeitgeber selbst, freiwillig.
Welche Erwägungen könnten nun – gewissermaßen aus der Vogelperspektive einer generalistischen, HR-lastigen Sicht – gegen oder für eine freiwillige Anbindung eines Arbeitgebers als Versorgungseinrichtung sprechen?
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Zu nennen ist hier zunächst der zusätzliche administrative und IT-Aufwand (manch ein Dienstleister bringt sich bereits in Position) und die damit verbundenen Kosten.
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Darüber hinaus dürfte mit zusätzlichen Fragen von Mitarbeitern zu rechnen sein, wenn diese nach Abruf der DigiRÜ auf tatsächliche oder vermeintliche Abweichungen zu den ihnen bereits vorliegenden Informationen zu ihrer bAV stoßen. Hierdurch könnten die im Regelfall ohnehin knapp bemessenen personellen Ressourcen für die bAV-Administration zusätzlich beansprucht werden.
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Manch ein Unternehmen hat bereits erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der bAV-Kommunikation unternommen, etwa in Form von Portallösungen mit digitalen Standmitteilungen, Versorgungslückenrechnern etc. Da könnte man fragen, ob es wirklich sein muss, noch ein weiteres Informationsmedium zu bespielen.
Gute Gründe dafür
Auf der anderen Seite sind aber durchaus gute Gründe für eine freiwillige Anbindung denkbar – aus Sicht der deutschen bAV sowieso, aber auch ganz konkret aus HR-Sicht im Unternehmen:
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Besonders naheliegend bzw. alternativlos ist eine „freiwillige“ Anbindung dann, wenn der Arbeitgeber neben DZ und/oder UK auch einen zu Standmitteilungen verpflichtenden Durchführungsweg in seinem historisch gewachsenen bAV-Portfolio hat, womöglich sogar mit Anrechnung von PK-Leistungen auf Leistungen aus einer Direktzusage.
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Ein nicht unbedingt bAV-spezifischer Megatrend ist die Idee der Digitalisierung an sich. Digitalisierung von Geschäftsprozessen ist ein großes Thema, das auf alle Funktionen im Unternehmen ausstrahlt, natürlich auch auf HR-Prozesse im Allgemeinen und die bAV im Besonderen. Will man sich da die Blöße geben, bei der DigiRÜ nicht mitzumachen? Dabei könnte die Möglichkeit, bei der Anbindung nach Personengruppen oder Zusagearten zu selektieren, durchaus geeignet sein, für Arbeitgeber mit einer vielfältigen Zusagenlandschaft die Hürde zu einer freiwilligen Anbindung zu senken.
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Eine Einbeziehung der Direktzusagen kann auch deshalb sinnvoll sein, weil das Unternehmen, je nach Ausgestaltung der Zusage, mit der bAV einen sehr werthaltigen Vergütungsbestandteil leistet, so dass es unter dem Gesichtspunkt der HR-Kommunikation geboten erscheint, die Direktzusage auch in der DigiRÜ zu zeigen.
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Außerdem: Will man als großer Arbeitgeber wirklich eines Tages in die Situation kommen, dem Mitarbeiter nach dem Start der vom Staat in Szene gesetzten und voraussichtlich auch öffentlichkeitswirksam präsentierten Digitalen Rentenübersicht erklären zu müssen, dass er hier zwar die gesetzliche Rentenversicherung und ggf. private Altersvorsorgeprodukte findet, aber nicht die wichtige – bei oberen Führungskräften u.U. sogar wichtigste – Säule der Lebensstandardsicherung, die Direktzusage?
Diese Auflistung von Pros und Cons ist möglicherweise nicht vollständig, und nach Abwägung der Argumente mag das Pendel in die eine oder in die andere Richtung ausschlagen. Es ist also keineswegs die Idee des Verfassers, als Antwort auf die in der Überschrift gestellte Frage flächendeckend ein laut schallendes „Ja!“ zu suggerieren.
Ratsam ist aber in jedem Fall, mit der Meinungsbildung im Unternehmen nicht zu spät zu beginnen.
Der Autor ist Leading Expert Pensions der E.ON SE in Essen.
Der Beitrag beruht in seinen Grundzügen auf einem Vortrag des Autors, gehalten auf dem Lurse Round Table bAV 4.0 am 21. Januar 2021.