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Am Mittwoch Großkampftag in Erfurt (I):

Entscheide es noch einmal, Erfurt

Erneut steht das Spannungsverhältnis zwischen 15er-Zuschuss und älterem Tarifvertrag vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht. Ein Arbeitgeber, der in beiden Vorinstanzen verloren hat, will sich damit nicht abfinden. Und mittlerweile gibt es Rechtssprechung, die seine Haltung stützen könnte.

Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Landkreis Vorpommern-Rügen (Kommunaler Arbeitgeberverband Meck-Pomm e.V. in Schwerin) verpflichtet ist, einen Arbeitgeberzuschuss zur bAV des Klägers zu leisten – oder ob ein hierauf gerichteter Anspruch wegen einer abweichenden Regelung in einem vor Inkrafttreten der Bestimmung geschlossenen Tarifvertrag ausgeschlossen ist.

Stephanie Rachor, BAG. Foto: BAG.

Der Fall 3 AZR 53/24 angelehnt an den Worten des Dritten Senats:

Der Kläger ist seit 1995 als Sachbearbeiter bei dem Beklagten beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gelten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes der Kommunen (VKA). Zu diesen gehört der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im Kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) von 2003. Auf seiner Grundlage wandelt der Kläger monatlich bei der Sparkasse Pensionskasse AG Entgelt iHv. 39,88 Euro und bei der P. AG Entgelt iHv. 150,00 Euro zur Begründung seiner bAV um.

Mit seiner Klage macht der Kläger einen monatlichen Zuschuss des Beklagten gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG iHv. 15% des umgewandelten Entgelts geltend. Denn: Der lange vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG geschlossene TV-EUmw/VKA könne die Zuschusspflicht des Arbeitgebers nicht verdrängen. Bei seinem Abschluss hätten die Tarifvertragsparteien § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht voraussehen können und dazu auch keine Regelung getroffen. Eine tarifliche Neuregelung nach Inkrafttreten des Gesetzes existiere nicht.

Der Beklagte vertritt demgegenüber die Ansicht, der gesetzliche Anspruch nach § 1a Abs. 1a BetrAVG sei durch den TV-EUmw/VKA abbedungen. Die Tarifvertragsparteien hätten von ihrer Befugnis zur Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für eine Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht und den Wunsch der Gewerkschaften nach einem Arbeitgeberzuschuss abgelehnt, weshalb eine entsprechende Verpflichtung der Arbeitgeberseite in den Tarifvertrag nicht aufgenommen worden sei. Soweit der Fall.

Es sei an die drei hier ausführlich diskutierten Entscheidungen des Dritten Senats vom August 2024 erinnert, in denen der Dritte Senat sich dieser Thematik mit großer Klarheit angenommen und die Pflöcke deutlich eingeschlagen hat.

Wie dem auch sei, das ArbG hatte der Klage stattgegeben, das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 19. Oktober 2023 – 4 Sa 23/23 – die dagegen gerichtete Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt dieser sein Klageabweisungsbegehren weiter. Nach Einschätzung von PENSIONSINDUSTRIESdürfte er das Recht auf seiner Seite haben.

Am gleichen Tag entscheidet der Dritte Senat noch über zwei weitere Fälle:

Und nochmal …

Unter 3 AZR 75/24 steht ebenfalls die Frage des Zuschusses zur Altersvorsorge nach § 1a Abs. 1a BetrAVG auf der Agenda. Vorinstanz war hier mit 4 Sa 803/23 das LAG Hamm vom 10. Januar 2024. Dessen Leitsätze lauteten in dem offenbar nicht unähnlich gelagerten Fall:

1. Nach Ablauf der Übergangsfrist des § 26a BetrAVG ist der Arbeitgeber nach § 1a Abs. 1a BetrAVG seit dem 1. Januar 2022 auch dann gegenüber einem Arbeitnehmer, der von seinem Recht, Arbeitsentgelt in eine Anwartschaft für eine bAV umzuwandeln, Gebrauch gemacht hat, zu dessen Gunsten zur Zahlung eines Zuschusses an den Träger der bAV verpflichtet, wenn er an einen vor dem 1. Januar 2019 zustande gekommenen Tarifvertrag gebunden ist, der Regelung über eine Entgeltumwandlung enthält (hier: Tarifvertrag über die Förderung einer tariflichen Altersvorsorge und Entgeltumwandlung in der deutschen Süßwarenindustrie vom 18. April 2011), ohne einen Arbeitgeberzuschuss wegen der Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber vorzusehen (gegen LAG Niedersachsen, Urteil vom 16. Oktober 2023 – 15 Sa 223/23 B).

2. Ein Abweichen durch Tarifvertrag nach § 19 Abs. 1 BetrAVG von § 1a Abs. 1a BetrAVG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Gesetzesnorm sich bewusst dafür entschieden haben, eine andere Regelung treffen zu wollen.

3. Der Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtung aus § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht dadurch, dass er aufgrund einer von ihm zu beachtenden tariflichen Verpflichtung eine anderweitige bAV zugunsten des Arbeitnehmers, der von seinem Recht, Arbeitsentgelt in eine Anwartschaft für eine betriebliche Altersversorgung umzuwandeln, Gebrauch gemacht hat, finanziert.

und schließlich

Zum Dritten geht es vor dem Dritten am Mittwoch unter 3 AZR 136/24 um den Anspruch auf Gewährung einer bAV. Vorinstanz war das LAG Köln mit Urteil 10 Sa 451/23.

Das zur heutigen Headline anregende Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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