… Zahlungsströme: Die Aktuare des Landes beziehen Position, bevor das Land im Februar an die Wahlurnen tritt. Einige Themen werden adressiert – doch das eher allgemein, und insgesamt bleibt die Positionierung ohne jede Prägnanz.
Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. und ihr Pensions-spezialisierter Zweigverein, das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V., haben gestern ein achtseitiges Positionspapier zur am 23. Februar anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht.In dem Papier unter dem schon nicht sonderlich originellen Titel „Gemeinsam Verantwortung übernehmen: aktuarielle Lösungen für die Herausforderungen von morgen“ gehen sie auf notwendige politische Maßnahmen in der kommenden Legislatur ein, betreffend Demographie, Alterssicherung, Gesundheitskosten, KI-Regulierung und Klimaschutz. Spoiler Alarm: Von der geballten und institutionalisierten aktuariellen Kompetenz des Landes darf man mehr erwarten, und man ist auch mehr gewohnt v.a. Prägnanz.
Zukunftsfest machen, Antworten geben
DAV-Vorsitzender Maximilian Happacher verweist anlässlich des Papiers auf die Notwendigkeit, bei zahlreichen Themen in der kommenden Legislatur zu Entscheidungen zu kommen:
„In diesem Wahlkampf geht es darum, unser Land auf allen Ebenen zukunftsfest und sicher aufzustellen und dabei wirtschaftliche ebenso wie private Risiken beherrschbar zu machen. Wir erwarten von der kommenden Bundesregierung tragfähige Antworten auf die drängendsten Herausforderungen. Ganz besonders zu Themen, die den Wohlstand, die Gesundheit, die soziale Absicherung und die Sicherheit der Bevölkerung betreffen.“
Gut, dass kann wohl in der Politik jede und jeder unterschreiben – und jede und jeder in der Politik würde für sich mit voller Überzeugung in Anspruch nehmen, hierfür genau die richtigen Rezepte zu haben. Insofern ist der Appell Happachers zunächst einmal nicht mehr als ein freundlicher Allgemeinplatz, den man zur Kenntnis nehmen kann, mehr nicht. Konkret angesprochen oder gar unter Druck gesetzt muss sich jedenfalls niemand fühlen.
„Ganz besonders dringend“
Dann wird man konkreter, zumindest ein wenig: Für „ganz besonders dringend“ hält man Reformen der Alterssicherungs- und Gesundheitssysteme sowie der Pflege. Der DAV-Vorsitzende: „Um die Zukunft des Gesundheitssystems zu sichern, braucht es eine stärkere Kapitaldeckung und reformierte Beitragsanpassungsmechanismen. Nur so können Versorgungssicherheit und Beitragsstabilität trotz steigender Kosten und demographischer Herausforderungen gewährleistet werden.“
IVS-Vorsitzender Stefan Oecking ergänzt: „Das Thema zahlt darüber hinaus auf ein anderes ein. Nämlich auf den hohen Finanzbedarf im Alter, der in einer alternden Gesellschaft auch von Pflegekosten beeinflusst wird. Um die Menschen in den kommenden Jahrzehnten zu wappnen, braucht es eine umfassende Reform aller drei Säulen der Alterssicherung. Wichtig ist, dass alle staatlichen Maßnahmen auf lebenslange Zahlungsströme hinauslaufen müssen, die ausschließlich in der Risikogemeinschaft mit vielen anderen zu gewährleisten sind, und dass es gleichzeitig in den Säulen zwei und drei genügend Ausgestaltungsspielräume für Renditen am Kapitalmarkt geben muss.“
Schließlich die KI: Die Aktuare sehen hier besondere Herausforderungen bei der Umsetzung der KI-Regulierung, die der EU AI-Act vorgibt. Der Klimawandel wiederum mache umfassende präventive Anpassungen notwendig, die bisher in Teilen noch gar nicht angefasst worden seinen. „Der reflexhafte Ruf nach einer Pflichtversicherung ist jedenfalls nicht die alleinige Antwort auf die diversen Baustellen, wie etwa eine nachhaltige und effektive Schaden-Prävention oder einen notwendigen Kumulschutz“, so Happacher.
Noch ist nichts aus den Fugen?
Zu dem Papier selbst – in Form einiger Zitate, die zu dokumentieren lohnt:
„Unser Sozialstaat droht aus den Fugen zu geraten.“
„Der Sozialstaat, wie wir ihn kennen, wird in 30 Jahren nicht mehr existieren, wenn keine nachhaltigen Reformen stattfinden. Generationengerechtigkeit als Ideal und Teil der Nachhaltigkeit muss in den anstehenden Reformen verankert werden.“
„Die Alterssicherung von morgen verlangt ebenso wie die Absicherung von Krankheitsrisiken und Pflegebedürftigkeit ein klares Bekenntnis zu solidarischem Handeln, mehr Kapitaldeckung und lebenslangen Renten.“
„Die private Altersvorsorge und die betriebliche Altersversorgung bieten unverzichtbare Ergänzungen.“
„Insbesondere fordert die DAV umfassendere Elemente einer kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherung, um die langfristige Finanzierung der Pflege sicherzustellen.“
Technische Details, konkrete Versäumnisse, gar direkte Schuldzuweisungen an die Verantwortlichen – alles Fehlanzeige. Auf das fertig in den Schubladen liegende BRSG 2.0 geht man mit keinem Wort ein, ebensowenig auf den neulichen Habeckschen Vorschlag einer Verbeitragung von Kapitalerträgen. Der Terminus „betriebliche Altersversorgung“ kommt genau zwei Mal vor.
Insgesamt gilt für das Papier das gleiche wie für die Statements anlässlich seiner Veröffentlichung: Wer auch immer in der Politik sich überhaupt angesprochen fühlen mag, kann das Positionspapier von DAV und IVS wohlwollend und zustimmend zur Kenntnis nehmen – mehr nicht. Es findet sich hier.