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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Menschen to mention (CIX):

Erfurt goes Karlsruhe?

Derzeit schlägt die mögliche Berufung einer Potsdamer Professorin in den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts hohe Wellen. In der Tat könnte die Personalie weitreichende Konsequenzen haben. Doch im Schatten dessen gibt es eine weitere zu vermelden, und die betrifft einen auf unserem Parkett nicht Unbekannten. Außerdem unkt Kassandra: Eine Partei kann man wirklich nur bewundern. Eine andere steht nun klar vor ihrem Verbot. Und eine dritte sucht die Gunst der Stunde.

Und schon nach wenigen Tagen gibt es hier auf PENSIONSINDUSTRIES wieder eine Personalmeldung:

Doch zuerst kurz zu der Causa, die zwar nichts mit Pensions zu tun hat, derzeit aber manch Schlagzeile beherrscht:

Am kommenden Donnerstag wird der Deutsche Bundestag über drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Im Fokus des Interesses: Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Potsdam, vorgeschlagen von der SPD (dazu unten mehr). Außerdem hat die SPD die Münchner Professorin Ann-Katrin Kaufhold vorgeschlagen. Bisherige Richter-Erfahrung der beiden Damen, kumuliert, addiert, multipliziert: genau null Minuten. Was soll’s, die hatte Stefan Harbarth auch nicht, als er zum Vorsitzenden des Ersten Senats am BVerfG ernannt wurde. Genau gar keine Richter-Erfahrung zu haben, könnte langsam, aber sicher szenetypisch für neuen Verfassungsrichter in Karlsruhe werden, oder?

Vom Dritten über den Achten zum Verfassungsgericht

Prof. Günter Spinner, BAG. Foto: BAG.

Hier direkt die Gegenthese zum eben Gesagten: Denn der dritte im Bunde ist erstens ein altgedienter Richter-Profi – und zweitens ein alter Bekannter. Denn auch die Union hat das Vorschlagsrecht für einen der Karlsruher Posten – und nominierte auf Vorschlag des BVerfG Bundesrichter Prof. Günter Spinner.

Spinner ist derzeit Vorsitzender des Achten Senats des BAG in Erfurt. Doch wir kennen ihn – der auch in der Fachöffentlichkeit nie das Rampenlicht sucht – als altgedienten Richter „unseres“ Dritten Senats.

Spinner, geboren 1972 in Oppenau (Ortenaukreis) und studiert in Stuttgart, trat 2000 in den Justizdienst Baden-Württembergs ein, zunächst als Staatsanwalt, dann an verschiedenen Arbeitsgerichten. Von März 2006 bis Februar 2008 war er bereits als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das BAG abgeordnet. Im September 2010 wurde Spinner Vizepräsident des ArbG Stuttgart.

Mitte 2011 dann der endgültige Ruf nach Erfurt, und seitdem gehörte er – zuletzt als stellv. Vorsitzender – dem Dritten Senat an. Erst im Herbst 2023 wechselte er als Chef in den Achten Senat – als Nachfolger der seinerzeit pensionierten Prof. Anja Schlewing (die übrigens ebenfalls weiland im Dritten Senat diente).

Nun also dürfte am Donnerstag der Ruf nach Karlsruhe erfolgen, die Mehrheit im BT ist reine Formsache.

Kassandras Zwischenruf

Heute ist zwar nicht Freitag, doch kommt die freche Kröte nicht umhin, zu der Sache ihren Off-Topic-Senf dazuzugeben – und zwar zu der Causa Brosius-Gersdorf. Die Juristin – wie gesagt von der SPD nominiert – gilt Kritikern als, wohlwollend ausgedrückt, weltanschaulich gefestigt. Genannt werden hier ihre teils deutlichen Aussagen bspw. zu Abtreibung, Gendern, Frauenquoten und dem Kopftuch im öffentlichen Dienst.

Wie Robin Alexander, stellv Chefredakteur der Welt, hier berichtet, hatte die Union mit ihrem steten Gehorsam gegenüber den Grünen von ihrem ursprünglichen Kandidaten Abstand genommen, weil er diesen zu konservativ war – und hat sich dann dem Vorschlag des Plenums des BVerfG angeschlossen und den ausgewiesenen Fachmann Spinner nominiert.

Die Union zu schwach, die SPD zu entschlossen.“

Mit derartigen Befindlichkeiten hält sich die SPD nicht auf, die – obgleich es durchaus aus den Reihen nicht der Grünen, sondern des eigenen Koalitionspartners Kritik gibt – an ihren Nominierungen unbeirrt fest.

Doch die Kritik der Union ist in diesem Spiel irrelevant. Alle drei Nominierungen werden am Donnerstag – dies ist Kassandras Prognose – genau so durch den Bundestag gehen wie avisiert. Die Mahnung Alexanders an Union und SPD, sie mögen hier „noch einmal neu nachdenken“, dürfte völlig ungehört verhallen; die Union zu schwach, die SPD zu entschlossen.

Beachte das Timing!

Nun, drei neue Richter in Karlsruhe – ist das einen Unkenruf wert? Ja, durchaus. Denn Brosius-Gersdorf bewegt schon jetzt die Politik, obwohl noch nichtmal formell berufen – allerdings muss man dazu genau hingucken. Doch wichtiger istwie stets in der Politik, – auf das Timing zu achten:

Haben Sie mitbekommen, dass Sahra Wagenknecht sich nun just dieser Tage spürbar der AfD annähert, gar Gespräche initiiert hat? Das muss nicht überraschen. Denn es ist der letzte – und gut getimte – Versuch, ihre Partei und sich selbst vor der Bedeutungslosigkeit zu retten. Warum das?

Nun, wie es hier schon vor der Geburt des BSW geunkt worden ist: Das BSW war von Anfang an auf die Wählerschaft im Anti-Lager ausgerichtet. Jedoch: Im Anti-Lager (der AfD) nach Wählern zu fischen, dann aber nach den Landtagswahlen in Thüringen mit der CDU und in Brandenburg mit der SPD koalieren – das geht vor der Wählerschaft halt schlecht zusammen. Der sich anschließende Absturz bei der Bundestagswahl war dabei absehbar. Kassandra prophezeite Wagenknecht im Februar ihren „letzten Tango in Berlin“. Und das hat sich exakt so realisiert.

Jetzt, genau jetzt biedert sie sich also der AfD an. Warum? Weil beide die gleiche Wählerschaft haben und Wagenknecht über diese Kuppelei mit der AfD ihre Glaubwürdigkeit im Anti-Lager zurück gewinnen will. Diese Wählerschaft im Anti-Lager macht derzeit mehr oder weniger 30% aus (vielmehr werden es auch nicht werden) und wird fast alleine von der AfD besetzt (WerteUnion und andere Kleinparteien spielen keine Rolle).

Der Jubel im AfD-Lager (und der ihr wohlgesonnenen Kommentatoren) ist groß, glaubt man doch, durch die Kontaktaufnahme des BSW den ersehnten Schritt aus der Isolation heraus zu machen. Auch bei der AfD liegt also offenbar Kurzsichtigkeit vor, v.a. mit Blick auf Wagenknechts Timing.

Alternative zur Alternative werden?

Denn der chronisch erfolglosen, dafür aber sehr klugen Wageknecht geht es um etwas ganz anderes, denn sie weiss genau:

Nach der nun absehbaren Neubesetzung des BVerfG mit Brosius-Gersdorf an der Spitze des zweiten Senats steht ein Verbot der AfD eindeutig auf der Tagesordnung. Bis dahin, so wettet Kassandra, wird es keine 24 Monate mehr dauern.

Sie bereitet das Feld.“

Und die Erbin macht sich schon bereit: Nach dem Verbot der AfD wird deren Wählerschaft zwar zum größten Teil ins innere Exil und damit ins Nichtwähler-Lager abwandern. Doch genau auf den anderen, wenn auch sichtlich kleineren Teil dieser Ex-AfD-Wähler schielt Wagenknecht schon jetzt, ist es doch wie gesagt die einzige Chance für sie – Deutschlands intelligenteste Versagerin – nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Das ist der einzige Grund, warum sie sich jetzt der AfD anbiedert. Sie bereitet das Feld.

Stehen sich diese beiden Damen bald in Karlsruhe gegenüber? Frauke Brosius-Gersdorf, Uni Potsdam (links), und Alice Weidel, AfD.
Fotos: Uni Potsdam bzw. AfD.

Und die AfD selbst? Irrelevant. Dort dürfte es den Verantwortlichen an jeder Raffinesse mangeln, die Entwicklung zu antizipieren.

Wie geht es danach weiter?

Kassandas Prognose: An einigen der kommenden Landtagswahlen wird die AfD noch teilnehmen dürfen, im Osten vielleicht auch mal über 30% kommen (Sachsen-Anhalt), aber nach wie vor keinerlei strategischen Erfolge erzielen – und dann verboten werden, und zwar rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl.

Auch hier wird das Timing wieder eine Rolle spielen. Taktisch dürfte es für die Befürworter eines Verbotes am klügsten sein, dass sich die neue Richterin erst mal in Karlsruhe etabliert und einen Namen macht. Dann lässt man die kritische Wahl in Sachsen-Anhalt vorbeigehen, ohne dass die öffentliche Diskussion durch das Verbotsverfahren aufgeputscht wird (was der AfD nützen würde), und erst nach der Wahl bringt man das Verbot auf die Tagesordnung.

Unterdessen wird sich das BSW weiter als Alternative zur Alternative aufblasen, als selbsterklärter AfD-Erbe in die besagte BTW gehen, akzeptable Ergebnisse erzielen – und dann? Dann steht im neuen Bundestag die Union mutterseelenallein mit Grün, Links, SPD und BSW vier linken Parteien gegenüber. Das dürfte für das Linksbündnis locker reichen, und auch für Schwarz-Grün besteht dann aus Sicht letzterer keinerlei Notwendigkeit mehr.

Bewunderung der alten Tante

Die eine wird verboten, die zweite wird ihre Reste beerben, die dritte kann man nurbewundern. Kassandra jedenfalls verehrt die SPD seit jeher. Nicht für ihre Weltanschauung, nicht für ihre Politik, sehr wohl aber dafür, dass die alte Tante es in ihrer DNA hat, im Sinne ihrer Ideologie signifikant mehr rauszuholen, als ihr der Wählerwillen an sich zugebilligt hat.

Kassandra hatte schon am Rosenmontag prognostiziert, dass die SPD die seit jeher grotesk naive Union auch diesmal, wie schon 2013, politisch über den Tisch ziehen wird. Dies ist längst Realität.

Marsch durch die Instanzen“: Diesen Kampfbegriff der längst verblichenen 68er hat die SPD offenkundig zu ihrer Maxime gemacht.

Politische Spitzenämter besetzt die 16%-Partei sowieso über die Maßen, den Bundespräsidenten, die drei deutschen Mega-Geldtöpfe BMF, BMAS und BMVg etc. pp, doch auch abseits der akuten Politik hat sie sich tief in der Gesellschaft verankert – der DFB-Präsident, der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und der Deutschen Bank gleichermaßen, der Chef der Bundesbank, der Vorstands-Chef der GIZ, die Chefin der Arbeitsagentur, die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowieso, ganz zu schwiegen von den zahllosen NGOs, die man mit Steuergeldern füttert und wo man selbst vor engsten verwandtschaftlichen Verbindungen nicht zurückschreckt – und nun die Spitze des Obersten Gerichtes … nicht schlecht für eine Partei, die stramm Richtung Einstelligkeit marschiert. Das muss man neidlos anerkennen. Niemand kann ihr hier das Wasser reichen.

Berlin 2027: Kassandra legt den Eid auf die Verfassung ab.

Apropos Einstelligkeit: Das wird sich beizeiten wieder bessern. Nicht, weil wieder mehr Menschen SPD wählen werden, sicher nicht. Aber wenn nach dem kommenden AfD-Verbot (wie gesagt, keine 24 Monate, so lautet die Wette) zwei Drittel ihrer Wähler zu Nichtwählern werden (der Rest geht wie gesagt zum BSW), dann brechen zwar die Wahlbeteiligungen rapide ein, doch steigt der Anteil aller anderen und damit der SPD wieder deutlich an. Für die Sozialdemokraten heißt es dann: „Nie mehr ein-stellig, nie mehr, nie mehr…“.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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