Das Arbeits- und das Finanzministerium wollen in der bAV jetzt Nägel mit Köpfen machen, und sie wollen die grundsätzlichen Fronten geklärt wissen. Deshalb laden sie ein. LEITERbAV hat sich umgehört.
Nichts ist einfach in der Suche nach einer Reform der bAV. Die technischen Herausforderungen sind ebenso vielfältig wie die politischen Interessen der Stakeholder widerstreitend und die Mittel begrenzt.
Am 19. August will es die Bundesregierung nun wissen. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble persönlich haben die Spitzen der Gewerkschaften (DGB, IG BCE, IG Metall und ver.di) und der Arbeitgeber (BDA, Gesamtmetall und BAVC) in den Dienstsitz des BMAS in der Berlin Wilhelmstraße geladen, um die endgültigen Weichen für das Sozialpartnermodell zu stellen – oder das Thema auf die nächste Legislaturperiode zu vertagen.
Offenbar will die Politik nun ein klares und grundsätzliches Bekenntnis der Stakeholder zu einer bAV-Reform. Dem Vernehmen nach sollen die Ministerien bereits im Vorfeld klargestellt haben, dass es halbschwangere Lösungen nicht geben wird. Sollte es zu einem Scheitern der Reform kommen, kann daher mit einer ersatzweisen Verbesserung der Rahmenbedingungen (obwohl wünschenswert) vermutlich nicht gerechnet werden. Die Politik scheint nun alles oder nichts zu wollen.
DA ante portas?
Spricht man mit Beobachtern, sind einerseits die Kernfragen die alten, doch kommt andererseits offenbar Bewegung in die Angelegenheit.
Insbesondere die dem Modell ursprünglich inhärente, aber in diesem Zinsumfeld nicht mehr zeitgemäße und daher auch kaum realisierbare Absicht, den Arbeitgeber zu enthaften und dem Arbeitnehmer gleichzeitig eine Mindestleistung über die gemeinsame Einrichtung zu garantieren, scheint vom Tisch. Stattdessen soll offenbar mit der Zusageart der Defined Ambition gearbeitet werden, die bereits in dem BMAS-Gutachten diskutiert worden ist.
Diese Zielrentensysteme erlauben stärkere Rentenschwankungen und verlagern einerseits das Anlagerisiko auf den Arbeitnehmer, beinhalten andererseits aber immer noch mehr Sicherheit und Kalkulierbarkeit als die typischen Pure-DC-Zusagen und bewahren den kollektiven Charakter der bAV.
Sollten die Gewerkschaften – und hier besonders ver.di – in dieser Frage Kompromissbereitschaft zeigen, wäre damit einer der größten Stolpersteine, die das Projekt Sozialpartnermodell seit seiner Geburt begleitet haben (Stichwort PSV-II) aus dem Weg geräumt.
Auch wenn sich die Arbeitgeber anderes wünschen, dürfte die Reform auf die externen, unter BaFin-Aufsicht stehenden Durchführungswege beschränkt werden (dem Vernehmen nach sollen die entsprechenden Gesetzestexte von BaFin und BMF bereits vor der Fertigstellung stehen; auch mit dem Ziel, einen Gleichklang zwischen Aufsichts- und Arbeitsrecht herzustellen).
Gespannt sein darf man, wie der Gesetzgeber mit der schwer zu lösende Frage der Anrechnung auf die Grundsicherung umgehen wird, die einen ganzen Rattenschwanz an Folgefragen aufwirft, aber besonders den Gewerkschaften – ver.di wohl noch mehr als IG Metall und IG BCE – am Herzen liegt.
Einfache Steuerförderung
Und die Absichten des BMF? Hier sollte man auf dem Parkett mit der Förderung von Geringverdienern rechnen, vor allem über den in dem BMF-Gutachten erläuterten bAV-Förderbetrag, den der Arbeitgeber relativ bürokratiearm von der Lohnsteuer abziehen könnte. In der Frage der Dotierung dürften die bisher nicht sozialversicherungsfreien 1.800 Euro einbezogen werden, vielleicht noch eine kleine Ausweitung das Rahmens samt Dynamisierungsoption hinzutreten. Die anderen im BMF-Gutachten diskutierten Optionen dürften infolge ihrer Komplexität ausscheiden.
Enger Zeitplan
Sollte das Treffen am 19. August nicht zur Vertagung (faktisch: Abbruch) der politischen Bemühungen zu einer bAV-Reform führen, könnten die Ministerien unter Federführung des BMAS Anfang September einen Diskussionsentwurf vorlegen (wie erwähnt scheinen einige der Gesetzesvorschläge bereits heute vorformuliert sein). Nach einer kurzen Kommentierungsfrist für die Stakeholder könnte im Oktober der Referentenentwurf, Anfang November der Regierungsentwurf folgen. Alle Beobachter sind sich einig, dass die Bundesregierung bestrebt ist, die Sache bAV bis zur wichtigen Landtagswahl in NRW am 14. Mai 2017 abzuschließen.