LEITERbAV hatte es gestern angekündigt: BMF und BMAS wollten heute die lang erwarteten Gutachten zur bAV öffentlich machen. Dies ist nun erfolgt.
Beide Ministerien haben heute gegen 11.30 Uhr zeitgleich vorgelegt. Im Einzelnen:
Das BMAS-Gutachten „Sozialpartnermodell Betriebsrente“
Das Gutachten „Sozialpartnermodell Betriebsrente“, angefertigt von Professor Peter Hanau von der Universität zu Köln und Rechtsanwalt Marco Arteaga (DLA Piper), findet sich auf 95 Seiten hier, die 23 Punkte der Ergebnisse finden sich auf den Seiten 89 ff.
Zusammengefasst setzt das Gutachten vor allem auf kollektive Lösungen durch Tarifvertrag, sozialpartnerschaftliche Regelung und Steuerung der bAV, von den Tarifparteien vorstrukturierte und rechtlich geprüfte Versorgungslösungen, flexible tarifliche Regelungen von vollumfänglicher Verwirklichung des Sozialpartnermodells bis hin zu rein berechtigenden Tarifverträgen („Leitplanken“), Opting-out, reine Beitragszusage einschließlich der Umwandlung bestehender Renten-Leistungszusagen in reine Beitragszusagen, Zielrentensysteme („Defined Ambition“, „Collective Defined Contribution“), alleinhaftende Versorgungsträger und eine Insolvenzsicherung über ein neues PSV-Segment.
Das Ende der Komplexität?
In einer zugehörigen Mitteilung schreibt das BMAS zu dem Ergebnis des Gutachtens:
„Das Gutachten bestätigt den Grundansatz des BMAS, dass von den Tarifparteien vereinbarte Versorgungslösungen die Komplexität in der bAV beenden und den betroffenen Unternehmen einfache und risikofreie Lösungen verschaffen können. Dies, so schließen die Autoren, sei für Stärkung und weitere Verbreitung der bAV auch und gerade in kleinen und mittelgroßen Unternehmen 'überragend wichtig'“.
„Mehr Handlungsfreiheit für die Tarifvertragsparteien“
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ließ sich folgendermaßen zitieren:
„Die bAV bleibt als zweite Säule zentral für die Alterssicherung in Deutschland. Sie zu stärken und besonders in kleinen und mittleren Unternehmen weiter zu verbreiten, ist ein wichtiger Baustein dabei, unser Rentensystem an veränderte demographische und wirtschaftliche Bedingungen anzupassen. Das jetzt vorliegende Gutachten bestätigt uns darin, hierbei den Tarifvertragsparteien mehr Handlungsfreiheit, aber auch Verantwortung zu geben. Dies und die Prüfung von Veränderungsbedarf bei der steuerlichen Förderung von bAV werden wir nun angehen.“
Das BMF-Gutachten „Optimierungsmöglichkeiten bei den Förderregelungen der bAV“
Das Gutachten „Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung“, angefertigt von Professor Dirk Kiesewetter von der Universität Würzburg
findet sich auf 270 Seiten hier und in Kurzfassung hier.
Neue Förderungen – und mehr
Das Gutachten gibt zwei Reformempfehlungen:
Erstens: Eine gesetzliche Verpflichtung zu einem Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung (Neuzusagen) UND die Einführung eines neuen Anreizes für kleine Unternehmen (weniger als 20 MA) als ein „bAV-Abzugsbetrag“ im Stile des Investitionsabzugsbetrags des § 7g EStG. Dieser würde es neben dem Betriebsausgabenabzug erlauben, jährlich 50 Prozent der Beiträge zur bAV außerbilanziell gewinnmindernd von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abzuziehen.
Zweitens: Verbesserte Riester-Förderung in der bAV unter Beseitigung der ökonomisch nicht zu rechtfertigende Doppelverbeitragung der Riester-geförderten bAV ODER ein Einführung eines neuen „bAV-Förderbetrags“, der Höhe nach der Riester-Grundzulage (154 Euro) entsprechend, zahlbar an Arbeitgeber.
Außerdem fordert das Gutachten eine gezielte bAV-Aufklärung durch unabhängige Institutionen, auch bezüglich des Themas der Haftung auf Arbeitgeberseite, da Umfang und die konkrete Ausgestaltung der Haftung dem Großteil der Arbeitgeber nicht bekannt seien. Verwiesen wird auch auf das Hemmnis der uneingeschränkten Anrechnung der bAV auf die Grundsicherung. Außerdem sollte Laut Gutachten die Zillmerung angesichts der teilweisen eingeschränkten Portabilität vom Gesetzgeber unterbunden werden. Vertriebsprovisionen, die wie Ausgabeaufschläge bei Investmentfonds jeweils nur vom laufenden Beitrag einbehalten werden, würden dagegen helfen, einen Vermögensschaden für Arbeitnehmer mit unregelmäßigen Erwerbsbiografien zu vermeiden, so das Gutachten abschließend.