Unregelmäßig freitags bringt PENSIONS●INDUSTRIES eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Von ewig toten Gäulen. Von Fun Facts, die ernst sind. Von scheinbaren und echte Ersten. Von 400 Milliarden Nullsummenspiel. Vom Kontrollverlust am Frankfurter Flussufer. Endlich: Die Wende bei Gewerbeimmos ist da! Und im Ausland ist alles in Butter? Jetzt mal schön halblang!
Portfolio Institutionell (11. September): „Nur noch fünf deutsche Pensionsanleger in den Top-300.“
Die (niedergehende) Industriemacht Deutschland, immer noch eine der größten Volkswirtschaften der Welt, belegt mit ihrer größten Kapitalsammelstelle BVK global nur Platz 32 dieser Liste, und auch danach kommen Deutsche nur noch ferner liefen.
Diese Statistik des Thinking Ahead Institutes, von der Portfolio Institutionell aufgegriffen, ist für Deutschland nicht nur ein vorsorgepolitischer, sondern v.a. ein industriepolitischer Offenbarungseid. Und zeigt, dass eine der stärksten Industrienationen der Welt es während ihrer guten Jahrzehnte versäumt hat, sich wetterfest zu machen. Die guten Jahre sind vorbei, jetzt kommen eben die schlechten.
Und: Gäbe es große deutsche staatliche Pensionsfonds, gäbe sie es vermutlich eben gerade nicht mehr – denn hierzulande tendiert die Politik dazu, diese entweder mit Schulden bei sich selbst zu funden (Thüringen, Rheinland-Pfalz, s.u.), oder – wenn echtes Geld darin ist – sich dort zu bedienen (Schleswig-Holstein, NRW).
Und im Ausland ist alles besser? Jetzt mal schön halblang! Wer ist hier laut THI-Studie auf Platz 1 der Kapitalsammelstellen? Aha, ein alter Bekannter, der japanische Staatsfonds GPIF mit ca. 1,6 Bio US-Dollar Kampfgewicht.
Sehen wir genauer hin: Hier finden sich die Angaben zu seinem Asset Management, hier seine SAA:
Die Japan Times weiss es noch genauer, Zitat vom Juli:
„At the end of March, Japanese government bonds made up 89% of GPIF’s local debt holdings worth ¥56.5 trillion.“
Also: 56,5 Bio. Yen seiner Assets hat der japanische Staatsfonds in Schulden des japanischen Staates investiert – entsprechend knapp 400 Mrd. US-Dollar, die er quasi als eigene Schulden bei sich selbst hält und die man als Nullsummenspiel aus der Rechnung nehmen muss. Fakt ist: Der GPIF ist „nur“ 1,2 Bio. US-Doller schwer.
Übrigens ist das nichts neues, im Gegenteil. Kurzer Blick zurück:
Es war im Juni 2013, PENSIONS●INDUSTRIES war (damals als LEITERbAV) erst wenige Monate alt, da musste sich der japanische Staatsfonds schon kassandrisch verspotten lassen – aber damals waren die Größenordnungen noch sichtlich geringer:
„Der staatliche japanische Pensionsfonds ist 850 Milliarden Euro schwer? Röööspäääkt!
Aber 60% davon sind japanische Staatsanleihen? Also der Staat packt seine eigenen Schulden in seinen eigenen Fonds und sagt dann auch noch, das seien Vermögenswerte? Dafür noch mehr Respekt! Alle Gold-Alchemisten des Mittelalters dürften vor Neid erblassen.“
Übrigens: Das die Quote an japanischen Govies im GPIF geringer geworden ist, hat nichts mit Good Governance zu tun. Sondern damit, dass die Govies nun halt die Kollegen von der BoJ aufkaufen.
Verdamp’ lang her alles, aber damals schon fehlte hier nicht der Hinweis, dass man für derlei Kapriolen nicht bis nach Japan reisen muss:
In Thüringen war man weiland auf die Idee gekommen, mit den Geldern des staatlichen Pensionsfonds schlicht eigene Staatsschulden zu kaufen. Der seinerzeitige thüringische Finanzminister Wolfgang Voß (CDU) verkündete 2013 Medienberichten zufolge allen Ernstes:
„Thüringen spekuliert nicht mit dem Geld aus dem Pensionsfonds. Die Mittel für die Beamtenversorgung sind sicher angelegt. Das Geld wird ausschließlich in Schuldscheinen des Freistaates angelegt.“
Also eigene Pensionsverbindlichkeiten mit eigenen Schulden gefundet.
Ähnlich bunt trieb man es in Rheinland-Pfalz. Auch dort diente der ebenfalls vor allem mit eigenen Anleihen „gefundete“ Fonds anscheinend im Wesentlichen zur Finanzierung der eigenen Schulden – so lange, bis am Ende gar nichts mehr ging, sondern nur noch die Auflösung des Vehikels übrig blieb.
Daher schlug Kassandra der Bundesregierung schon vor elf Jahren vor, dass man bspw. zur Deckung der deutschen Beamtenpensionen für – sagen wir – drei Bio. Euro Bunds emittiere, mit dem Emissionserlös eben diese Bunds wieder aufkaufe (am besten direkt beim KfW-Konsortium), in einen Pensionsfonds zur Deckung der Beamtenpensionen stecke und aller Welt erzähle, dass die deutschen Beamtenpensionen jetzt krisensicher und AAA-gefundet seien und man im übrigen nun über den größten Pensionsfonds der Welt verfüge …
Aber: Wer ist nun wirklich der ungefälschte Musterknabe? Fundet sich nicht mit eigenen Schulden? Kauft noch nicht mal heimische Assets, sondern richtigerweise nur ausländische? genau, der norwegische Pensionsfonds, hier auf Platz 2, aber faktisch mit Abstand der größte Staatsfonds der Welt – und das für für gerade einmal 4,5 Mio. Menschen. Man stelle sich so einen Fonds dieser Größe für das Land Berlin vor…
Aber noch etwas fällt in der THI-Studie auf. Wie die Portfolio Institutionell schreibt, sieht das Institut den Pensionsanleger Daimler (also offenbar Mercedes-Benz) als den fünftgrößten deutschen Akteur (nach BVK, BVV, VBL und vor BWVA) auf Platz 250. Da wird man doch direkt stutzig. Was ist denn mit Siemens?
Zumindest im Jahr 2022 lagen die Plan Assets von Mercedes bei ca. 20,5 Mrd. Euro, die von Siemens jedoch bei 26,5 Mrd. Euro. Hat sich in einem Jahr soviel getan?
EIOPA (11. September): „EIOPA proposes a broad reform of the PEPP to tackle Europe’s pension gap and support the digital and green transitions.“
Kassandra hat das PEPP von Anfang als das bezeichnet, als das es sich schließlich auch entpuppt hat: als toten Gaul.
Jedem, der für fünf Pfennig Verständnis für Altersvorsorgesysteme hat, war stets klar: Dieser Gaul war von Beginn an tot, ist heute tot und wird immer tot bleiben. Da helfen auch keineweiteren Sporen mehr. Das ist Störung der Totenruhe, der sich die EIOPA hier schuldig macht.
Was die EIOPA hier also unternimmt, ist nichts anderes, als den Schmalz europäischer Beamtengehirne und deren elektronische Druckerschwärze zu verschwenden – und gleichzeitig den Beweis zu erbringen, dass diese Behörde viel zu groß und offenbar viel zu viele Ressourcen hat. Allein schon Sätze bzw. der Glaube daran, dass so etwas wie das Folgende einzelstaatlich EU-weit politisch, technisch und legal-seitig umsetzbar sei:
„… die Ermöglichung steuerbegünstigter Arbeitgeberbeiträge mit persönlichen Beiträgen innerhalb eines PEPP …“
oder
„… Einführung des Auto-Enrolment in ein persönliches Rentensystem wie das PEPP auf EU-Ebene …“
zeigt, dass man am Flussufer in Frankfurt offenbar nicht die allergeringste Ahnung von der Realität der hochkomplex verästelten Struktur der nationalen Versorgungssysteme in den Mitgliedsstaaten hat. Wer so etwas schreibt, hat definitiv den falschen Job. Besser kann man sich gar nicht disqualifizieren.
VJ.de (13. September): „Rentnerparadiese: Deutschland rückt auf Platz acht vor.“
Interessante Natixis-Studie, die nicht so ganz zur sichtbaren Realität passen will. Hat man die Höhe des Flaschenpfandes in die Untersuchung einbezogen? Dann könnte es wiederum passen.
Im Ernst: Vorsicht bei Studien, die gleich den ganzen Planeten analysieren wollen. Will man wissen, wie Rentensysteme dastehen, sich stets am besten an die Auswertungen lokaler Experten halten. Und der nächste Beitrag dürfte der Realität näher kommen.
VJ.de (9. September): „Frauen erhalten weiterhin deutlich niedrigere Renten als Männer.“
Das Versicherungsjournal hat einen Bericht der deutschen Rentenversicherung ausgewertet, der auf die Unterschiede in der Rentenhöhe für Frauen und Männer eingeht. Aber auch insgesamt sind die – an sich nicht neuen – Ergebnisse wie stets ernüchternd. Zentrale Aussage:
„Die rund 8,3 Mio. männlichen Rentenempfänger erhielten durchschnittlich etwa 1.348 Euro. Die knapp 10,5 Mio. Altersrentnerinnen bekamen im Durchschnitt etwa 908 Euro pro Monat. Das sind 440 Euro bzw. rund ein Drittel (32,7%) weniger.“
Und Sie wissen es längst, liebe Leserschaft, das hier sind die guten Zeiten – in einem System, dass nur deshalb nicht auf der Stelle schon kollabiert, weil es jedes Jahr circa 130 Mrd. Euro Steuerzuschuss insg. erhält, Tendenz steigend.
BILD (11. September): „Carolabrücke in Dresden eingestürzt.“
BILD 3. März 23): „Das sind 40 Jahre Verspätung – Bahn verschiebt Pünktlich-Plan auf 2070.“
BILD (11. September): „Bundeswehr erst in 100 Jahren wieder voll ausgestattet.“
Diese drei Meldungen – hier aus der BILD gewählt – zeigen exemplarisch, was wir hier alle wissen und was in Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten eklatant versäumt worden ist.
Wer immer dieses Land künftig regiert, wird nachhaltige und nur äußerst schmerzhaft zu bewältigende Aufgaben vorfinden, deren – wenn es überhaupt passiert – erfolgreiche Finalisierung er selber in der Verantwortung nicht mehr miterleben wird.
Infrastruktur sanieren ist teuer, dauert lange, ist technisch anspruchsvoll und kompliziert, polarisiert vor Ort die Betroffenen, sprengt meist Kosten- und Zeitrahmen massiv und ist so in der Summe was? Genau: politisch undankbar. Und deshalb tendieren politisch Verantwortliche gern dazu, die Aufgaben zu schieben, bis es erst hakt. Dann quietscht. Und irgendwann kracht. Deutschland scheint nun langsam in die dritte Phase einzutreten.
Irgendwie fragt man sich, welche wirklich Fähigen sich in der Politik dieses Landes künftig überhaupt noch engagieren sollen (also abseits der üblichen Versager, die das Geld brauchen), wenn am Ende doch nur undankbare Horroraufgaben auf einen warten und die Karriere „draußen“ doch viel eleganter ist.
Wie dem auch sei, für unser Parkett steht eines jedenfalls fest: Insbesondere Deutschland wird für viele Jahrzehnte ein Nachfrage-getriebener Markt für Infrastruktur-Investitionen sein.
Klingt gut, heißt aber alleine noch gar nichts. Denn:
Ob sich diese Nachfrage paart mit politischem Willen, behördlicher Kompetenz und Effizienz sowie demzufolge auch mit Interesse der privaten Investoren (ja, Sie hier sind gemeint), das steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.
Key ist nicht zuletzt hier besagte behördliche Kompetenz, die hier bereits mal adressiert worden ist: Diese ist – anders als viele wohl gemeinhin glauben – alles andere als gesetzt, und ihr Fehlen alles andere als eine Chimäre.
Aktuelles Beispiel Dresden: Derzeit häufen sich die Medienberichte mit Vorwürfen gegen die politische Spitze der Stadt sowie den Stadtrat, nachdem offenbar erst vor einem Jahr ein Antrag der Freien Wähler auf einen Bericht über den Zustand aller Brückenbauwerke in Dresden abgelehnt worden ist. Für Lacher im Netz sorgt dabei der eigentlich gar nicht so nicht komische Fun Fact, dass der zuständige Dresdner Baubürgermeister Stephan Kühn ist – ein Diplom Soziologe (mit grünem Parteibuch).
Gegen diese Berufung dieses akademisch offenkundigen Nicht-Fachmannes regte sich seinerzeit Widerstand, der bis vor Gericht ging – dort jedoch prompt abgeschmettert wurde (das „Auskungeln von Posten“ sei halt üblich, so der Richter damals).
Richtig ist natürlich, dass die marode Brücke von Dresden nun nicht eingestürzt ist, weil der zuständige Baubürgermeister ein grüner Soziologe ist (persönliche Versäumnisse der letzten Jahre wären zu klären, auch in Zusammenhang mit dem o.a. Antrag der FW), aber symptomatische Bände in in Sachen Kompetenz der öffentlichen Verwaltung bei der Sanierung der Infrastruktur spricht das durchaus.
Zwischenzeitlich hat die BILD einen genaueren Blick auf die Lage in der Elbmetropole geworfen – und Dinge zutage gefördert, die belegen, dass dort offenkundig die schönste Frau Deutschlands regiert: Miss Management!
Spielt das alles keine Rolle? Doch, sehr wohl! Denn immerhin reden wir hier von Investoren, die am Ende des Tages Hunderte von Milliarden ihrer Berechtigten investieren sollen. Wenn man dann bei den erheblichen Größenordnungen in Deutschland als Counterpart auf der öffentlich-rechtlichen Seite diplomierte Soziologen vom Schlage und mit Track Record Kühn hat, kann man durchaus in seiner Due Diligence fragen, ob man im richtigen Land ist mit seiner Milliarden, die man dort ins Feuer geben soll.
Kölner Stadt-Anzeiger (11. September): „Kölner Pascha – Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Europas größtes Bordell.“
Endlich: Die Wende am Gewerbeimmobilienmarkt ist da! Und wie immer: Staat als Nachfrager, Sie wissen schon …