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Einigung im Trilog:

PEPP auf der Zielgeraden

Das europäische Altersvorsorgeprodukt, vor dem Brexit zuweilen als 29. und danach als 2. Regime bezeichnet, scheint unter Dach und Fach. Unmittelbarer Schaden für die bAV steht nicht zu befürchten, doch die Frage nach dem Sinn der Übung bleibt.

 

Noch vor der kommenden Europawahl in der vorletzten Maiwoche hat das Europäische Parlament am 4. April mit einer deutlichen Mehrheit von 338 Stimmen grünes Licht für den Trilog-Kompromiss gegeben, der von den einschlägigen Fachverbänden praktisch durchgängig begrüßt wird.

 

Unter anderem wurden ein Gebührendeckel von einem Prozent für jährliche Kosten und Gebühren festgezurrt. Außerdem obliegt die PEPP-Registrierung nicht der EIOPA, sondern den nationalen Aufsichtsbehörden. Über den Steuer- und Förderungsrahmen entscheiden die Mitgliedsstaaten.

 

Nun muss der Rat der Europäischen Union noch zustimmen. Wie die aba mitteilt, gibt es noch keinen genauen Termin, aber die Zustimmung an sich gilt als sicher. Danach sollen EU-Kommission und EIOPA die Details ausarbeiten. Die aba geht davon aus, dass 2021 die ersten Produkte auf den Markt kommen.

 

Am Anfang war viel Skepsis

 

Rückblick: Schon im Juli 2012 hatte die EU-Kommission die EIOPA zu einer technischen Beratung für Personal Pension Products, die nicht unter die EbAV-Richtlinie fallen, gebeten. Im Sommer 2017 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag präsentiert. Ziel von PEPP ist es, die staatliche und die betriebliche Altersvorsorge zu ergänzen. Zudem soll PEPP europaweit übertragbar sein, so dass diese Produkte auch bei einem Wohnortswechsel innerhalb der EU weiter bespart werden können.

 

Auf dem langen, an Konsultationen reichen Weg, hatte es auf dem deutschen Pensions-Parkett für PEPP reichlich Kritik gegeben. Erste Sorge war, dass durch ein zusätzliches europaweites Altersvorsorgeprodukt die bAV beschädigt werden könnte. So unterzog Alfred Gohdes, seinerzeit Chefaktuar der damaligen Towers Watson, schon im Herbst 2015 die Pläne der EIOPA auf LbAV einer kritischen Analyse.

 

Für Misstrauen hatten auch Äußerungen von EIOPA-Chef Gabriel Bernardino gesorgt, wie er sie auf der EIOPA-Tagung im Herbst 2016 tat, als er Gedankenspiele eines PEPP mit Wirkung auf die zweite Säule mit einer Kompetenzausweitung seiner Behörde zu verknüpfen schien.

 

Stefan Nellshen, Bayer AG.

Andererseits hat sich beispielsweise Bayers Stefan Nellshen auf der jüngsten aba-PK-Tagung im September 2018 in Königswinter für ein bAV-PEPP ausgesprochen – wenn dieses denn einer sachgerechten Regulierung unterläge.

 

Die aba, die in der Vergangenheit ebenfalls viel Kritik an dem Vorhaben, seinem zentralistischen Anspruch und seiner mangelhaften Kollektivität geäußert hat, zeigt sich mit dem nun Erreichten jedenfalls zufrieden: „In einer Gesamtbetrachtung ist die aba der Auffassung, dass die vom Rat und dem Europäischen Parlament bewirkten Änderungen die Verordnung an wichtigen Stellen verbessert haben“, kommentiert sie den aktuell beschlossenen Stand. Auch der Klärung des lange strittigen steuerlichen Rahmens innerhalb der Mitgliedstaaten sei Rechnung getragen worden und PEPP eindeutig kein Produkt der zweiten Säule: Zwar sind auch EbAV unter bestimmten Voraussetzungen als Anbieter zugelassen, doch das PEPP ist ein Produkt der dritten Säule.

 

Dass sich PEPP auch regulatorisch bis in die zweite Säule ausbreiten könnte, ist lange eine der Hauptsorgen vieler Stakeholder auf dem bAV-Parkett gewesen. Doch lassen die Erwägungsgründe 19 und 20 in der EP-Entschließung vom 4. April nun in der Tat nichts mehr an Klarheit zu wünschen übrig. So heißt es im EW 19, dass der Rechtsrahmen für ein PEPP „die bestehenden gesetzlichen und betrieblichen Altersvorsorgesysteme und -produkte ergänzt“.

 

Und weiter hält der EW 19 fest: Dieser Rahmen wird die vorhandenen nationalen privaten Altersvorsorgeprodukte und -systeme weder ersetzen noch harmonisieren, und er wird sich auch nicht auf die bestehenden nationalen gesetzlichen und betrieblichen Altersvorsorgesysteme und -produkte auswirken.“

 

Und der EW 20 ergänzt: Ein PEPP ist ein individuelles, nicht betriebliches Altersvorsorgeprodukt, das PEPP-Sparer auf freiwilliger Basis zur Altersvorsorge abschließen.“

 

Europäische Dachverbände legen Fokus auf Ausgestaltung der Details

 

Matti Leppälä, PensionsEurope.

Auch auf der Ebene der europäischen Dachverbände gab es reichlich Lob. Zugleich wurde nun die Bedeutung der Ausarbeitung der Details hervorgehoben. PensionsEurope nannte den Trilog-Kompromiss „ausgewogen und bedeutsam.“ In den Verhandlungen sei im Vergleich zum Original-Vorschlag viel verbessert worden. Ein Beispiel sei die Rolle der IORPs als PEPP-Anbieter.

 

PEPP ist ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg, die Rentenlücke und den demografischen Wandel anzugehen, sowie ein relevanter Meilenstein, um die Kapitalmarktunion zu vervollständigen“, sagte Matti Leppälä, General Secretary und CEO von PensionsEurope. Sollten die technischen Schritte, die die Regelung um PEPP komplementierten, angemessen ausgestaltet werden und es allen PEPP-Anbietern ermöglichen, auf den Stärken des eigenen Geschäftsmodells aufzubauen, werde PEPP die Altersvorsorgezulagen und langfristige Anlagen stützen.

 

Ähnlich äußerte sich auch der europäische Versicherer-Verband. Nicolas Jeanmar von Insurance Europe, sagte, dass die EU einen Schritt in die Richtung gemacht habe, indem sie regulatorisches Umfeld geschaffen habe, das die Bedeutung der privaten Altersvorsorge anerkenne. Er betonte zugleich, dass es zu früh für Prognosen zur Konsumentennachfrage für PEPP sei. Ein entscheidender Faktor würden zweifellos die technischen Maßnahmen auf Level II sein.

 

Der europäische Dachverband der Asset Manager EFAMA hingegen ist überzeugt, dass PEPP das Potenzial habe, Europäer dazu anzuhalten, für den Ruhestand zu sparen. Doch auch EFAMA betonte die Wichtigkeit der nächsten Schritte auf Level 2. Diese müssten gut durchdacht sein, um zu gewährleisten, dass PEPP sowohl für die Sparer als auch die Anbieter attraktiv werde.

 

Wo die Kommission Hand angelegt hat

 

Am 13. Februar hatten sich die EU-Botschafter auf einen Kompromiss geeinigt, der einige Veränderungen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag von Juni 2017 enthält, und nun vom Parlament durchgewunken wurde. Was wurde in der Beratungsodyssee durch die EU-Kommission neben den beiden erwähnten Erwägungsgründen noch bei PEPP nachgebessert?

 

Nicht die EIOPA ist für die PEPP-Registrierung zuständig, sondern die nationalen Aufsichtsbehörden. Bei dem Kompromiss wurde auch die Autonomie der Mitgliedstaaten in einem anderen Punkt gestärkt: Laut aba können sich die „Compartments“, also die Unterkonten eines PEPP-Kontos, an den geltenden Anforderungen des Wohnsitzstaates für die Gewährung von Anreizen ausrichten. „Die jetzt dauerhafte Beibehaltung von Unterkonten ist die Voraussetzung dafür, dass die Mitgliedstaaten (weiterhin) unterschiedliche Fördervoraussetzungen in den Anspar- und Auszahlungsphasen festlegen können“, teilt der Verband mit.

 

Wichtig: Über den steuerlichen Rahmen wird ebenfalls auf nationaler Ebene entschieden. Wie die Bundesregierung im Februar auf eine Kleine Anfrage der FDP antwortet, fällt die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten: „Die Verordnung wird dementsprechend keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zu einer produktspezifischen steuerlichen Förderung von PEPP enthalten.“ Den Anbietern stehe es frei, nationale Kriterien einzubeziehen. „Künftige PEPP-Produkte können in Deutschland steuerlich gefördert werden, wenn sie denselben Vorgaben genügen wie die bestehenden in Deutschland steuerlich geförderten Altersvorsorgeprodukte“, so die Bundesregierung.

 

Giegold: unverschämt unter Druck

 

Sven Giegold.
MdEP Gruene EFA.

Die Kosten und Gebühren für das Basis-PEPP sind auf ein Prozent gedeckelt. „Damit kommen auch in Deutschland die häufig unverschämten Gebühren bei Lebensversicherungen und Investmentfonds für Kleinsparer unter stärkeren Druck des europäischen Wettbewerbs“, sagt Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament, und fügt hinzu: „Wir konnten nicht verhindern, dass auch Akteure wie alternative Investmentfonds das PEPP anbieten dürfen, obwohl sie keinen vergleichbaren prudentiellen Regeln unterliegen wie stärker regulierte Akteure mit Verbraucherfokus.“

 

Giegold betonte, dass lediglich das Basis-PEPP streng reguliert sei. Laut aba können PEPP-Anbieter bis zu sechs Anlageoptionen anbieten. Das Basis-PEPP muss aber immer dabei sein. Kostenlos von der einen zur anderen Anlageoption können die Verbraucher, wie im ursprünglichen Entwurf, alle fünf Jahre wechseln. Ebenfalls alle fünf Jahre kann der Anbieter gewechselt werden.

 

PEPP muss zudem Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte bei der Kapitalanlage berücksichtigen. „Doch eine harte Pflicht zur grünen Geldanlage, wie es das Parlament verlangt hat, haben die Mitgliedsländer verhindert“, erläutert Giegold.

 

Fazit von LEITERbAV: Wenn auch die jetzt gefundene Regelung anders als lange befürchtet keine konkreten Schäden oder Kannibalisierungseffekte für die bAV erwarten lässt, bleibt doch eine Folge des neuen PEPP unstreitig: Die Vorsorgelandschaft in Deutschland verkompliziert sich weiter. Und es sei hier schon jetzt prophezeit, dass die Volumina, die von deutschen Sparern in PEPP-Produkte fließen werden, den Rahmen des Enttäuschenden nie überschreite werden.

 

 

In eigener Sache: Mit dieser Meldung geht LEITERbAV in die Osterpause. Mitte nächster Woche wird die Berichterstattung wieder aufgenommen, u.a. mit weiteren Beiträgen über die verschiedenen Frühlingstagungen der bAV.

Allen Leserinnen und Lesern frohe Ostern.

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