Unregelmäßig freitags bringt PENSIONS●INDUSTRIES eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: EU-Totgeburt stirbt weiter, Pi x Daumen + ein bisschen PiPaPo, der Akteur mit den tiefen Taschen und dem ganz eigenen Handlungsdruck. Und wenn Kassandra weint vor Glück.
GDV (24. Juli): „CSRD-Umsetzungsgesetz: Versicherer rechnen mit deutlich höheren Einführungskosten als im Gesetzentwurf angegeben.“
Beatrix Tröger von Bosch und Hendrik Sponagel von WTW haben erst jüngst auf PENSIONS●INDUSTRIES die Irrungen und Wirrungen des deutschen Gesetzgebers bei der nationalen Umsetzung der CRSD-Richtlinie dargelegt, die über Umwege eine zuvor erfolgte Erfassung von EbAV wieder aufheben will, dabei aber im Stückwerk bleibt.
Hier nun haben die Versicherer angesichts der Verabschiedung des Entwurfes des Umsetzungsgesetzes im Kabinett weitere Kritik geübt. Wenn Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, zuweilen auch schon gewundert haben, wie genau doch die Beamte in den Ministerien in der Lage sind, den Erfüllungsaufwand für zahllose deutsche Unternehmen bei Umsetzung eines Gesetzes deutschlandweit recht exakt zu erfassen, dann sind sie nicht allein. Im vorliegenden Fall wundern die Versicherer sich auch. Und sie haben recht damit:
„Für die erstmalige Erfüllung der Anforderungen aus dem Gesetz (846 Mio. Euro) sind im Gesetzentwurf nur ungefähr halb so hohe Kosten angegeben wie für die laufende Nachhaltigkeitsberichterstattung (1,58 Mrd. Euro). Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Kosten für die erstmalige Einrichtung einer Berichterstattung mit der notwendigen Qualifizierung von Personal und der Klärung inhaltlicher und methodischer Fragen geringer sein sollen als für die laufende Berichterstattung“, kritisiert GDV-HGF Jörg Asmussen. Fragt sich also, wie man in den Ministerien bei den Berechnungen vorgeht. Kassandras Vermutung: Pi x Daumen + dazu ein bisschen PiPaPo.
Übrigens werden Tröger und Sponagel auf PENSIONS●INDUSTRIES in Kürze ein Update zu dem Gesetzgebungsverfahren geben (das offenbar eine gewisse Verbesserung aus Sicht der EbAV bringt).
VJ (25. Juli): „Fünf Jahre Pepp – eine ernüchternde Zwischenbilanz.“
Ein Jahr ist seit der letzten Zwischenbilanz vergangen, nichts ist besser geworden bei PEPP, der EU-Totgeburt mit Ansage. Nach wie vor gibt es nur einen Anbieter, in der Slowakei.
Es gilt weiter, was Kassandra beim PEPP-Auftakt vor über einem halben Jahrzehnt prophezeite, und es wird weiter gelten, nämlich dass
„… die Volumina, die von deutschen Sparern in PEPP-Produkte fließen werden, den Rahmen des Enttäuschenden nie überschreiten werden.“
WiWo (1. August): „Problemfall Varta: Absturz über Nacht.“
Der traditionsreiche Batteriehersteller Varta produziert gerade ganz eigene Schlagzeilen. Was aus dem Unternehmen wird: unklar.
Da lohnt mal ein – allerdings zugegebenerweise sehr oberflächlicher – Blick in den letzten verfügbaren Geschäftsbericht, der das Jahr 2022 covert. Die Kenndaten der bAV für immerhin über 4.000 Berechtigte erscheinen überschaubar, die Strukturen der Versorgungswerke kann aber etwas irritieren.
So scheint es seit 2016 mindestens eine Rentnergesellschaft (VRT Pensionen GmbH) ebenfalls überschaubarer Größe zu geben (ca. 25 Mio. Euro), die adäquat ausfinanziert scheint, für die man allerdings offenbar die anfangs erfolgte komplette Ausbuchung dann 2022 revidieren musste.
Ungeachtet der geringen Größenordnungen drängt sich der Eindruck eines gewissen Wildwuchses mit mehreren Vehikeln auf (Colibri Beratungs GmbH, VC Pensionen GmbH sowie zwei Treuhandgesellschaften), die teils merkwürdige Assets offenbar österreichischer und sonstiger südosteuropäischer Provinz halten.
VJ (20. Juli): „Musiker- und Influencer-Zwillinge Bill und Tom Kaulitz werben für die Gothaer.“
Was für eine wunderschöne Meldung. Man möchte weinen vor Glück.
In der Diskussion um die Vorteilhaftigkeit der unternehmenseigenen Pensionseinrichtungen wird oft betont, dass diese keine Aktionäre bedienen müssen (VVaG auch nicht) und auch keinen Aufwand für Sales und Marketing haben (und u.a. deshalb keine Finanzdienstleister, sondern Sozialeinrichtungen sind). Da ist was dran.
Und dass Versicherer in der Tat (auch als VVaG) zuweilen geneigt sind, viel Geld (der Versicherten) auszugeben für – wohlwollend ausgedrückt – zweifelhafte Marketingmaßnahmen, beweist hier die Gothaer. Niveau: irgendwo zwischen RTL 2 und Dschungelcamp. Immerhin: Es scheint hier nicht um Altersvorsorge zu gehen.
tagesschau (29. Juli): „175.000 Wohnungen im Jahr 2026 – Immer weniger neu gebaute Wohnungen.“
Nun zu einer altbekannten Dauerbaustelle: Real Estate!
An dieser Stelle wird schon lange die Ambivalenz des politischen ÜberThemas Wohnen und damit der Asset-Klasse Real Estate ingesamt besungen. Nach wie vor speist sich diese an sich marktferne Ambivalenz daraus, das mehrere Hemmer (Zinsanstieg, Rezessionsängste, anziehende, aber unklare Regulierung) auf zwei Treiber treffen: weiter einstürzende Neubauten-Zahlen, v.a. aber die enorme Migrationsdynamik in Deutschland.
Heute noch mal ein paar Schlagzeilen, welche das Andauern dieser Ambivalenz unterstreichen:
BZ (14. Oktober 23): „Mieten-Wahnsinn in Berlin – 43.000 Bewerber in 30 Minuten für nur 288 Wohnungen.“
Bild (18. Juli): „61 Apartments gebaut – Schöner Wohnen für Flüchtlinge in Berlin.“
Der erste Beitrag belegt schon durch seine Überschrift, was Kassandra auch in Berlin beobachtet: Der Nachfragedruck ist gigantisch, und er wird ständig gigantischer.
Der zweite Beitrag zeigt, was an dieser Stelle auch schon mehrfach dargelegt worden ist: Der Staat ist im Wohnungsmarkt ein immer wichtiger werdender Akteur – vor allen Dingen als Nachfrager, sei es nach Neubauten, sei es nach Bestand, sei es unmittelbar oder mittelbar (das Geld kommt jedenfalls immer von ihm). Er hat einerseits so tiefe Taschen wie er andererseits einem selbst auferlegten, enormen Handlungsdruck unterliegt, der seit Jahren nur eine Richtung kennt: nach oben. Gegenüber dem privaten Sektor ist das ein staatliches Crowding out at its best. Kann man begrüßen, kann man kritisieren – ist aber Fakt, und nur das zählt hier.
Und es ist keinesfalls so, als sei Berlin hier eine Ausnahme, das findet in großen wie in kleinen Städten statt, landauf, landab, seit Jahr und Tag und erfasst auch die Umwidmung von Seniorenheimen, und Hotels.
Kassandra empfiehlt vor der Gemengelage weiter ausdrücklich, sich als Akteur in der Immobilienwirtschaft mit der Geschäftsstrategie komplett auf den Staat als Nachfrager zu fokussieren und außerdem stets zu prüfen, inwiefern sich angeschlagene Gewerbeimmobilen mglw. in Wohnen umwidmen lassen.
Das gilt umso mehr, als zu dieser Ambivalenz der Asset-Klasse gehört, dass besagte Hemmer gegenüber besagten Treibern zumindest phasenweise auch die Überhand behalten können (wie krachende Fondspreise zeigen), was auch in so manch ungenanntem Versorgungswerk Vorstands- und ggf. auch BaFin-Thema sein dürfte – Stichwort „Träge Tretminen“.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Zinsen und Finanzierung, Migrationsdruck (Stichwort 90 Millionen), Regulierung, Inflation, Underperformance bei den Neubauprogrammen usw. usf.: Neben einigen anderen Problemfeldern wird die Wohnungsfrage zum Überthema dieser Bundesregierung werden bzw. bleiben.
Und für den anhaltenden Handlungsdruck sorgt die Politik schon selbst; daran wird sich auch unter kommenden Bundesregierungen nichts substantielles ändern. Eine Änderung der Politik kann man zwar je nach politischem Standpunkt fürchten oder hoffen – doch hält Kassandra beides für irreal.
Und es ist durchaus respektabel, wie erfolgreich gerade die Ampel, sonst nicht immer mit Erfolgen gesegnet, hier in enormem Tempo Nägel mit Köpfen macht – jedenfalls zieht sie bei der Einbürgerung wie bei der Einwanderung alle Register (teils mglw. auch am Recht vorbei, Stichwort Visa-Affäre). Das hat dauerhafte, äußerst nachhaltige Folgen für die Struktur dieses Landes, das muss man der Ampel lassen. Vermutlich die große Mehrheit der Menschen im Lande begrüßt das, doch darum geht es hier nicht. Für dieses Parkett interessiert nur, dass die Nachfrage nach Wohnraum für viele Jahre überragend bleiben wird, denn …
Bayerische Staatszeitung (29. Februar): „Gemeinden müssen Familien von Flüchtlingen Unterkunft geben.“
… auch die Rechtslage sorgt dafür, dass die Menschen, die einwandern, unmittelbar von Staats wegen untergebracht werden müssen – will sagen: Die Migration schlägt mit dem Staatsgeld unmittelbar auf den Wohnungsmarkt durch. Das Dilemma, das der folgende Beitrag zeigt, stellt sich dort gar nicht erst.
Bild (31. Juli): „Immer mehr Arbeitslose: „Wegen der Mieten lohnt es sich nicht mehr zu arbeiten!“
Bemerkenswert v.a. die Beobachtung des Betroffenen:
„Wegen der hohen Mieten in Berlin lohnt es sich für viele nicht mehr zu arbeiten. Wer Mindestlohn bekommt, der geht nur fürs Wohnen arbeiten.“
Das illustriert einen Aspekt besagter Ambivalenz der Asset-Klasse: Kosten für Finanzierung und Bau sind für die Investoren so hoch, dass die potentiellen Mieter Mieten in einer Höhe, die für die Investoren das Investment erst auskömmlich machen, gar nicht leisten können. Wir haben eine enorme Nachfrage, ständig steigend – aber immer weniger Menschen können es sich leisten, diese Nachfrage zu bezahlen.
Also: Nachfrage ja, entsprechende Kaufkraft nein – eine Marktlage, die man auch nicht alle Tage sieht und die sich durch die Vielfältigkeit, mit der der Staat in diesen Markt reinregiert, auch nicht ohne weiteres auflösen wird … was wiederum weitere staatliche Eingriffe provozieren wird (Stichwort Pfadabhängigkeit der Politik) … was diesen Markt noch verzerrter und noch ambivalenter machen wird usw. usf. … Und eben dieser Staat ist der Akteur auf dem Real-Estate Markt, der am Ende jeden Preis zahlt. Es wäre ein Fehler, sich als Real Estate Manager nicht auf diesen Akteur zu konzentrieren.
Randnotiz: Abgesehen davon belegt der Beitrag, wie das Zusammenwirken von Wohnungslage und Sozialleistungen auch den Arbeitsmarkt degeneriert.
Es gilt bei der Asset-Klasse Immobilien jedenfalls nach wie vor: Immobilen werden für Eigentümer einerseits immer mehr Ärger machen (Regulierung), andererseits aber auch immer höhere Renditen bringen (Nachfrage). Weiter Zeit für Profis also. Alle anderen halten sich besser raus.
NDR (31. Juli): „Arbeitsmarkt im Juli – Arbeitslosenzahl steigt stärker als üblich.“
Apropos Arbeitsmarkt: Nun sind wir bei 6% entsprechend gut 2,8 Mio. ohne Job, das kann sich langsam durchaus sehen lassen. Es wäre auch ein Wunder, schlügen sich die zahlreichen schlechten Nachrichten der letzten Monate nicht irgendwann auch in schlechten Arbeitsmarktdaten nieder.
Wir nähern und damit wieder gewisser Normalität an. Die Zeiten, in denen Jobs quasi-ubiquitär waren, scheinen zumindest in Deutschland zuende zu gehen.
Man erinnere sich: Zwischen Kassandra und den Kanzler passte bei der Prognose der Bevölkerungsentwicklung auf oben erwähnte 90 Mio. Einwohner seinerzeit ja kein Blatt Papier. Genau gegensätzlich war jedoch zwischen Kanzler und Kröte verteilt die Perspektive für das Land. Der Kanzler sah bekanntlich ein neues Wirtschaftswunder kommen, Kassandra – freundlich ausgedrückt – keines.
Nun, nicht auszuschließen, dass der Kanzler doch noch Recht behält; man müsste vielleicht mal bei ihm nachfragen, wann jetzt genau das Wirtschaftswunder denn nun kommt, von dem er sprach. Vielleicht hat er sich ja nur im Timing ein bisschen vertan. Oder sollte am Ende die Kröte doch recht behalten? Das wäre schlecht für uns alle.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
tagesschau (23. Juli): „Regierungsreisen zur EM – Sechs Flüge für eine halbe Million Euro.“
Welt (31. Juli): „Bundesregierung erhielt fast 200 EM-Tickets umsonst.“
Nicht als einziges Medium, hatte auch Kassandra gefragt, warum sich so viele unserer Regierungsmitglieder immer in den EM-Stadien in der ersten Reihe getummelt haben. Hier nun die Auflösung und weitere Details. Zwischenzeitlich wurden auch die Kosten hierfür ermittelt und thematisiert.
Die Kritik, die hier geäußert wird, ist durch die Bank richtig. Dass ein Regierungschef oder Staatsoberhaupt ein Finale besucht, bei dem das eigene Land teilnimmt – geschenkt. Das gab es früher schon, und das ist auch vertretbar. Warum ein Gesundheitsminister bspw. bei mehreren Spielen der EM auftauchen muss, und das (vermutlich) auf Staatskosten, ist in der Tat nicht zu begründen. Insofern handelt es sich klar um eine private Angelegenheit, für die Steuermittel eingesetzt worden sind.
An sich ist das in demokratischen Staaten ein klarer Rücktrittsgrund, vielleicht sogar mehr. Richtig wäre, Reisekosten aus privater Tasche (nach-)zu zahlen und kostenlose EM-Karten als geldwerten Vorteil versteuern (abgesehen von der Frage, ob Politiker derartige Geschenke überhaupt annehmen dürfen).
Von solcher Governance hat sich die Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2024 längst Lichtjahre entfernt. Hier gilt heutzutage: Je schöner die Bilder, desto besser. Das reicht, um Politik zu machen (als Strategieberatung freundlicherweise hier schon dargelegt).