Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Es kommt so anders …

als Kassandra denkt. Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: GRV und GKV im Gleichschritt, alle Jahre wieder norwegische Verluste, im Rausch des Goldes – und warum Jerome Powell alles richtig macht.

Heute nach langer Zeit wieder eine kommentierte Presseschau auf LEITERbAV – mit teils neuen Beiträgen, aber auch teils mit Bezug zu älteren, die bereits auf LbAV Dynamics gepostet worden sind, wo Kassandra in diesen Monaten bevorzugt ihr Unwesen treibt.

 

Der Spiegel (1. Februar): „Dämpfer für Norwegen – Weltgrößter Staatsfonds schreibt Rekordverlust von 152 Milliarden Euro.“

Alle paar Jahre nach schlechten Börsenphasen das gleiche Spiel: Die Medien vermelden die horrenden Verluste des norwegischen staatlichen Pensionsfonds. Diesmal schlägt für 2022 ein Minus von 1,64 Bio NOK = 152 Mrd. Euro zu Buche (wohl ca. 15%). Das ist mehr als das Doppelte der 633 Mrd. NOK aus dem Jahr 2008.

Viel Geld für ein 5-Millionen-Volk. Aber abgesehen davon, dass man als Deutschland froh wäre, auf allen Politikfeldern einschl. dem der Altersvorsorge die Sorgen dieses 5-Millionen-Volkes zu haben, hier ein paar Klarstellungen:

1. Der Fonds kauft weiterhin mit großen Summen weltweit ein. Wenn er nun 2022 also satte Verluste von rund 15% gemacht hat, dann sind die relativ günstigen Einstiegskurse von heute die Gewinne von morgen, vielleicht übermorgen oder wann auch immer. Norwegen kann lange Durations gehen.

2. Man beachte stets zum Vergleich auch das Pensionswesen der mittlerweile 84 Mio. Deutschen. Das macht allein in seinem Umlagesystem jedes Jahr derzeit über 100 Mrd. Euro Verlust (vulgo: Steuerzuschuss), Tendenz steigend, und das in seinen demographisch noch guten Zeiten. Die schlechten kommen erst noch.

3. Doch kann man auch Kritik an den Norwegern üben: Wenn, wie der Spiegel zitiert, der Chef-Fondsmanager Nicolai Tangen meint, dass „der Markt durch den Krieg in Europa, die hohe Inflation und die steigenden Zinssätze beeinträchtigt wurde“, und dies sich gleichzeitig negativ auf den Aktien- und den Anleihenmarkt ausgewirkt habe, „was sehr ungewöhnlich ist“, dann irrt er. Wir leben schon lange in Zeiten durchgängig hoher Korrelationen, die man vor 2007 so kaum kannte. Ungewöhnlich ist anders.

Egal. Seine Sorgen möchte man haben.

 

Versicherungsjournal.de (23. Januar): „Altersvorsorge: Der Blick aufs Älterwerden verdüstert sich.“

Gut, die Menschen wollen mehr vorsorgen, und alle, die können, die sollten das auch tun – und klug tun. Außerdem realisieren die Menschen (und scheinen dies bemerkenswerterweise relativ klaglos zu akzeptieren übrigens), dass das mit dem bisherigen Lebensstandard im Alter in diesem Land für die meisten wohl nichts wird.

Was aber irritiert an der DIA-Umfrage, über die das VJ berichtet, dass die GRV an Vertrauen gewinne?

Das ist nun wirklich erstaunlich. Wie soeben im Vorbeitrag erwähnt: Von ca. 313 Mrd. Euro Steueraufkommen des Bundes (bzw. 833 Mrd. Euro deutsches Steueraufkommen insgesamt 2021) müssen schon heute über 100 Mrd. Euro in das GRV-System gepumpt werden, nur damit dieses nicht direkt auf der Stelle zusammenbricht – und das, obwohl die Bugwelle der BabyBoomer gerade auf dem Höhepunkt ihrer Schaffens-, Beitrags- und Steuerlast ist. Und erneut: Das sind die guten Zeiten. Die schlechten kommen erst noch. Dann vertraut mal schön weiter…

 

PKV: „Bundeszuschüsse zur GKV sind keine Lösung.“

Soeben wurde als zweimal thematisiert, dass innerhalb der vielfältigen Multi-Problemlage Deutschlands das Politikfeld der gesetzlichen Rente eine besonders prekäre Perspektive aufweist – da die schlechten Zeiten erst noch kommen.

Doch glaube niemand, dass die GRV damit im Vorsorge- und Sozialsystem Deutschlands alleine dasteht.

In diesem Beitrag (leider ohne Datum, aber vermutlich recht aktuell) dokumentiert der PKV-Verband, dass der reguläre Bundeszuschuss zur GKV von 14,5 Mrd. Euro mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz um weitere 2 Mrd. Euro aufgestockt worden ist (während der Pandemie gab es übrigens 28,5 Mrd. Euro). Die Soziale Pflegeversicherung erhält seit 2022 einen Steuerzuschuss von 1 Mrd. Euro.

Angesichts von Lage und Perspektive hilft hier wohl nur ein anderer Blick auf die Dinge: Auch ein steuerfinanziertes System als Umlagesystem betrachten – und schon ist alles wieder stabil.

 

Institutional Money (8. Februar): Citi-Stratege: Sechs-Prozent-Leitzins droht, Positionen glatt stellen!“

Die Insti Money zitiert einen Analysten über die Folgen eines Zinsanstieges auf sechs Prozent. Sechs Prozent? Ist das nicht irreal, jetzt, wo die Fed gerade noch 0,25% erhöhen konnte – ihr also, wie manche Kommentatoren schrieben, die Luft ausgeht?

Nein, ist es nicht. Denn solange Katastrophen an Aktienmärkten und in der Realwirtschaft trotz der Zinserhöhungen ausbleiben, die Inflation aber weiter pressiert – warum um Himmels Willen soll Jerome Powell denn mit den Zinserhöhungen aufhören? Solange die Stimmung gut bleibt, ist er gut beraten, die Gunst der Stunde zu nutzen und die Zinsen zu erhöhen, solange es geht.

Und dass er nun nur um 0,25 erhöht hat? Dagegen ist nichts einzuwenden. Powell weiss sehr gut, dass große Volkswirtschaften große Tanker sind, die langsam reagieren. Insofern tut er gut daran, nach den schnellen großen ersten Schritten nun behutsam fortzufahren und im Auge zu behalten, ob und wann Märkte und Realwirtschaft reagieren.

Powell macht alles richtig.

 

dpn (6. Februar): „Zentralbanken im Goldrausch.“

Mehrere Fachmedien, hier die dpn, berichten dieser Tage von den in der Tat bemerkenswerten Volumina, in denen Zentralbanken derzeit Gold akkumulieren (die dpn spricht gar von „Goldrausch“) und der insgesamt robusten Nachfrage. Bemüht wird in den Medien dabei meist das Jahr 2011, so auch von der dpn:

Bezogen auf sämtliche Sektoren sprang die weltweite Nachfrage nach Gold mit 4.741 Tonnen auf den höchsten Wert seit 2011.“

Manch Gold-Augur, der in diesen Medien zitiert wird, sieht diese Entwicklung äußerst positiv für Gold, und auch Kassandra hält das Metall für eine reizende Asset-Klasse (wenn man sie sich leisten kann). Dazu jedoch drei Fragen:

Erstens: 2011? Da war doch was. Setzte Gold nicht just 2011 zu einem jahrelangen Tiefflug an, während Aktien auf neue Höhen klommen?

Zweitens: Kann das damit zu tun haben, dass bei hohen Beständen bei den Anlegern deren Spielraum für neue, preistreibende Käufe begrenzt, der für mögliche Verkäufe aber groß ist?

Drittens: Führt nicht der aggressive Kurs der Fed (s. vorherigen Beitrag) dazu, dass zumindest mit dem USD eine, und zwar die führende FIAT-Währung eine grundsätzliche Stabilität zurückerhält, die (bei allen unbestreitbaren Defiziten der FIAT-Währungen) zumindest die Sorge um einen schnellen, unkontrollierten Währungsverfall verpuffen lässt und so dieses Motiv des Goldkaufs massiv an Bedeutung verliert?

Kassandra jedenfalls rechnet nicht damit, dass Gold in Kürze in eine echte Hausse gehen sollte. Die Anleger sind teilgesättigt, und der Dollar funktioniert. So what? Andererseits gilt natürlich immer: Es kommt so anders, als man denkt. Und wie man sich dann fühlt, kann man in dem hier auch verlinkten Kulturstück nachhören. Ob die Künstler hier verpassten Chancen beim Goldkauf nachtrauern, ist aber unklar.

Jedenfalls findet sich das in diesem Sinne zur heutigen Headline anregende Kulturstück hier.

Noch in eigener Sache: In den beiden folgenden Karnevalswochen wird LEITERbAV in einer Taktung erscheinen, die derzeit noch nicht absehbar ist. Wundern sollte man sich über nichts.

Kassandra bei der Arbeit.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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