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Heute in Kassel:

Erneute Rechtsprechung zu einem Relikt

Zusatzrenten von Seelotsen sind keine bAV im klassischen Sinne, sondern etwas schwierig zu klassifizieren. Das hindert die zuständigen Kassen nicht daran, sie Verbeitragung zu unterwerfen. Nun muss wieder mal das höchste deutsche Sozialgericht entscheiden. Und das 15 mal.

 

Das Thema „Doppelverbeitragung von Zusatzrenten der Seelotsen“ stand schon im vergangenen Oktober auf der Kassler Tagesordnung, dürfte schon damals nur für einen kleinen Ausschnitt der Leserschaft relevant gewesen sein, und deshalb berichtet LEITERbAV auch heute eher nur unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit.

 

Jedenfalls hatte seinerzeit der in Fragen der Beitragspflicht traditionell beinharte 12. Senat des Bundessozialgerichts in immerhin zwei der vier Fälle auf Beitragsfreiheit erkannt – allerdings eher aus formalen Gründen.

 

Und heute? Stehen gleich 15 Revision auf dem Tagesprogramm des 12. Senats, der diese mündlich verhandeln wird. Erneut geht es darum, ob den als Rentnern in GKV und sPV pflichtversicherten Klägern zugeflossene Kapitalleistungen eines privaten Versicherers Versorgungsbezüge sind, auf die sie Beiträge zur GKV und sPV entrichten müssen.

 

Wieder im Fokus: die Eigenschaft als Versicherungsnehmer

 

Für an dem Thema interessierte hier der zugrundeliegende Sachverhalt, wie der Senat ihn schildert (gerafft):

 

Das Bundessozialgericht in Kassel. Foto Dirk Felmeden.

Die Kläger waren als Seelotsen tätig und beziehen u.a. eine gesetzlichen Rente. Sie gehörten einer Lotsenbrüderschaft in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an (§ 27 Abs 1 Satz 1 Seelotsgesetz <SeeLG>).

 

Einer Lotsenbrüderschaft obliegt es nach § 28 Abs 1 Nr 6 SeeLG, Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Lotsen und ihrer Hinterbliebenen für Alter, BU und Tod gewährleisten, und die Durchführung zu überwachen.

 

Die aus den Lotsenbrüderschaften gebildete (beigeladene) Bundeslotsenkammer (§§ 34 ff SeeLG), ebenso Körperschaft des öffentlichen Rechts, hatte 1972 mit einem privaten Versicherer einen Gruppenversicherungsvertrag (GVV) abgeschlossen, der für bestimmte Lotsenbrüderschaften gilt. Danach ist jeder Lotse, der zugleich Mitglied einer vom GVV erfassten Lotsenbrüderschaft ist, VN einer BU-, Alters-, Witwen- und Waisenrentenversicherung.

 

Das VU verzichtete auf eine Gesundheitsprüfung. Der GVV konnte nur durch die Bundeslotsenkammer oder das VU gekündigt werden. Die Prämien wurden unmittelbar durch die Brüderschaften von den Lotsgeldern abgezogen und von der Kammer an das VU gezahlt. Mit Eintritt in den Ruhestand erhielten die Kläger aus der Gruppenversicherung Kapitalleistungen in erheblicher Höhe. Die See-Krankenkasse und deren Rechtsnachfolgerin, die beklagte DRV Knappschaft-Bahn-See, legten diese Kapitalleistungen verteilt auf 10 Jahre mit dem 120ten Teil (§ 229 Abs 1 Satz 3 SGB V) als monatliche Versorgungsbezüge gemäß § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V, § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI der Beitragserhebung zur GKV und sPV zugrunde.

 

Dagegen haben sich die klagenden Seelotsen ohne Erfolg gewandt. Die beklagte DRV Knappschaft-Bahn-See sowie die Instanzgerichte haben sich unter anderem auf ein früheres Urteil des BSG zu dieser Thematik vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 – SozR 2200 § 180 Nr 43) gestützt. Demgegenüber berufen sich die Kläger in erster Linie auf einen Beschluss des BVErfG vom 28.9.2010 (1 BvR 1660/08 – SozR 4-2500 § 229 Nr 11). Danach hänge die beitragsrechtliche (Nicht-)Berücksichtigung von Kapitalleistungen der bAV als Versorgungsbezug gemäß § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V entscheidend davon ab, ob der Betroffene VN gewesen oder geworden sei.“

 

Die Frage der Eigenschaft als VN hatte den 12. Senat schon im Oktober 2019 kalt gelassen. Ob das diesmal anders ist, wird man sehen. Der Senat stellt zu jedem der 15 Fälle weitere Details zur Verfügung. Auf die explizite Darstellung verzichtet LEITERbAV hier, doch für Interessierte sind sie hier online auf den Seiten des BSG verfügbar.

 

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