Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

aba-Jahrestagung 2025 (I):

Von bAV, Beamten und Bas

Gestern in Berlin, Pressegespräch der aba im Vorfeld der Jahrestagung. Kernthema: Wie geht es – bestenfalls – weiter mit dem Entwurf des BRSG 2.0? Auch abseits der technischen Details Grund genug, das Thema der deutschen Altersvorsorge erneut grundsätzlich zu beunken. Und was erlauben Bärbel?

Die Zeit drängt“. Unter diesem Titel hat die aba – im Gestalt von Georg Thurnes, Beate Petry und Klaus Stiefermann – gestern im Vorfeld ihrer heutigen Jahrestagung ihre Beurteilung der Lage an die Presse gegeben. Kernaussagen gerafft:

In Deutschland findet eine deutliche Verschiebung der Altersstruktur statt, die sich verstärken und die umlagefinanzierten Sozialsysteme zunehmend belasten wird. Es führt kein Weg an kapitalgedeckter Altersvorsorge vorbei. Durch diese werden alle Quellen des Volkseinkommens für die Vorsorge genutzt und die Lasten über die Kohorten gerechter verteilt. Effizient ist dies über die bAV mit dem Vorteil des kollektiven Vorsorgens. Insbesondere Kapitalmarkt- und Langlebigkeitsrisiken werden so kostengünstig abgesichert. Die bAV ist langjährig erprobt, verfügt über eine sehr gute Infrastruktur und setzt anders als private Vorsorge weniger finanzielle Bildung voraus. Diese bAV-Kernstärken müssen sich umgehend voll entfalten können.“

Georg Thurnes, aba und Thurnes-bAV.

Die aba betont, dass der Entwurf des BRSG 2.0 viele zielführende Reformvorschläge, die von Ministerien, Aufsicht, Sozialpartnern und bAV-Praxis gemeinsam und einvernehmlich entwickelt wurden. Nun sollte der Entwurf, ggf. mit geringen Anpassungen, schnell umgesetzt werden. Auch weitergehende Reformansätze aus dem seinerzeitigen Fachdialog sollten zügig weiterverfolgt werden.

Von A wie Abfindung über …

Im Einzelnen. Sofort umgesetzt werden sollten laut aba – bestenfalls mit Anpassungen:

• Abfindungsmöglichkeiten (§ 3 BetrAVG-E): Grenzen bei Kleinstanwartschaften erhöhen (am besten 2% als direkte Auszahlung ohne Einzelzustimmung und ohne GRV-Einzahlungspflicht; Zusatzzahlungen in die Umlagefinanzierung ohnehin generell abzulehnen, da unsystematisch und nicht generationengerecht).

• Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente (§ 6 BetrAVG-E und § 232 VAG-E) zwecks Anpassung an die neuen GRV-Regelungen.

• Opting out (§ 20 BetrAVG-E): Sollte auch ohne tarifvertragliche Regelung für KMU möglich sein.

• Geringverdiener-Förderung (§ 100 EStG-E): vorgesehene Anhebung und Dynamisierung der Einkommensgrenze gut, besser wäre ein Fördersatz von 50 statt 30%.

Vorübergehenden Unterdeckung des Sicherungsvermögens für bestimmte PK (§ 234j VAG-E) sowie erfolgte Anpassung der AnlV: BaFin-Kapitalanlagerundschreiben und -Stresstest müssen noch angepasst werden (Anm.: Gestern bestätigte die BaFin gegenüber der Redaktion, dass dies bereits in Arbeit sei, konnte aber noch keine Angaben zum Zeitplan machen).

Beate Petry, BASF.

• Zugang zu SPM durch Öffnung auf den Gewerkschafts-Organisationsbereich zu begrüßen, reicht aber nicht: auch nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern und -nehmern sollte der SPM-Zugang ermöglicht werden, wenn es im jeweiligen Gewerkschafts-Organisationsbereich noch kein SPM gibt. Und insb. mit Blick auf KMU sollten RBZ auch andere Zusageformen mit abgesenkten Garantien auch jenseits des SPM ermöglicht werden.

• SPM-Puffer: gut, aber bitte Restriktionen beseitigen.

PSV-Digitalisierung bis zum …

Ohne weitere Änderungen hält die aba die folgenden im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen umsetzbar:

• bAV-Fortführung bei ruhenden Arbeitsverhältnissen.

• Pensionskassen: Beseitigung von Rechtsunsicherheiten bei der Auflösung.

• Pensionskassen: rechtssichere Möglichkeiten für Entnahmen aus der Verlustrücklage.

• Pensionsfonds: Ratenzahlungen und Sterbegelder an Dritte.

• PSV: neue Digitalisierungsmöglichkeiten.

• SPM: Klarstellungen zu Durchführung und Steuerung sowie Kostenbeteiligung.

zum einheitlichen 3.63 und 6a

Und da war ja noch der Fachdialog – mit vielen guten Vorschlägen, die jedoch keinen Eingang in den Entwurf gefunden hatten, welche die aba aber nicht in der Versenkung verschwunden sehen will:

• 3.63: Dotierungsgrenzen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht zumindest auf steuerlichem Niveau vereinheitlichen.

• Doppelverbeitragung nach über 20 Jahren endlich komplett ausmerzen (für die Pflegeversicherung gilt übrigens immer noch nur eine Freigrenze).

• 6a-Abzinsungssatz weiter zu hoch; auch § 4d-Zins anzupassen.

• 253: zuviel Vola, fester Satz wäre besser.

• § 2 KStDV: KSt-Befreiung Pensions- und U-Kassen anpassen, letzte Anhebung war vor über 25 Jahren; zielführend wäre Automatismus.

Schriftformerfordernisse sämtlich durch Textformerforderniss ersetzen.

• Bestandsübertragungen erleichtern.

• BZML-Garantien senken, betreffend Anwartschafts- wie Rentenphase.

• Angemessenes EbAV-Aufsichtsrecht schaffen.

• Benachteiligung von Elterngeldbeziehern beseitigen, um finanzielle Nachteile während der Elternzeit zu vermeiden.

Und was geht gar nicht? Hier sieht die aba zwei kontraproduktive Reformvorschläge, die sie mahnt, keinesfalls umzusetzen:

• Altersvorsorge nicht stärker fördern als Vermögensbildung.

• Kapitaldeckung in der GRV.

Klaus Stiefermann, aba.

Perspektive? Die aba nimmt jedenfalls Signale auf dem Parkett war, die hoffen lassen, dass der Entwurf nun schnell wieder auf die politische Agenda kommt. Bekanntlich will die Bundesregierung aber eine Kommission zur Rente einrichten. Grundsätzlich kann so etwas fruchtbar sein, aber wenn der Entwurf dort reingerät, dann haben wir wieder jahrelang keine Bewegung. Bis dann der nächste Wahlkampf kommt.

Fazit von PENSIONSINDUSTRIES

Soweit die aba. Alles, was sie sagt, hat wie praktisch immer Hand und Fuß (unabhängig davon, ob man jetzt jedem einzelnen Punkt politisch zustimmt oder nicht). Gleichwohl hier ein paar kassandrische Axiome zu dem Thema:

Ohne Wachstum keine Vorsorge

Erstens ganz grundsätzlich: Es wird keinem, wiederholt: KEINEM (!) Industrieland auf dem Planeten gelingen (von den anderen ganz zu schweigen), unter dem fast überall auf der Welt mehr oder weniger gleichförmig herrschenden demographischen Druck sein Altersvorsorgesystem nachhaltig aufzustellen, OHNE dass es währenddessen wirtschaftlich prosperiert. Eine wachsende, gut aufstellte, florierende Volkswirtschaft ist essenziell für ein nachhaltiges Altersvorsorgesystem. Es gilt umgekehrt: kein ökonomischer Erfolg = keine sorglose Altersvorsorge. So und nicht anders lautet die einfache Basisgleichung.

Und ökonomisch sind weder Lage noch Perspektive Deutschlands am Vorabend seines demographischen Zusammenbruchs (der sich ab 2035 dynamisch beschleunigen wird) gut. Das war es bis dato nicht, und die nun im Zuge der industrie- und infrastrukturpolitisch vermutlich wirkungslosen Füllhorn-Programme einsetzende endgültige fiskalische Überdehnung macht dies alles andere als besser.

Dieses Schicksal teilt Deutschland mit vielen Nationen auf der Welt, aber längst nicht mit allen.

Übrigens: Wer da draußen immer noch glaubt, Deutschland stünde in Sachen Verschuldung im Vergleich zu vielen anderen Ländern noch moderat da, der irrt. Wer hier real vergleichen will, der muss zumindest bei denen (namentlich USA), die ihre Beamtenpensionen mit Real Assets gefundet haben, immer in Betracht ziehen, dass wir in Deutschland roundabout 10 bis 15 Bio. Euro implizite Staatsschulden haben dürften.

Defizit im Asset Ownership

Zweitens: Ebenso wie vornehmlich fremdkapitalgetriebene Volkswirtschaften und Industrienationen seit nunmehr 30 bis 40 Jahren zunehmend aus der Zeit gefallen wirken, sind die dazugehörigen umlagefinanzierten Vorsorgesysteme in Deutschland auch noch in alle Himmelsrichtungen garantiebestückt (sogar in den wenigen kapitalgedeckten Systeme, dies überhaupt gibt).

Auch hier ist Deutschland – die zurückgebliebene Nation – strategisch in der Sackgasse, aus der es kein Entrinnen zu finden scheint. Und hier ist der Kreis der internationalen Leidensgenossen schon kleiner. Es gibt jedenfalls kaum ein Land, in dem (auch durch den Mangel an Realwert-basierter Altersvorsorge) die Asset Management-Industrie und das Asset Ownership im Verhältnis zur ökonomischen Bedeutung so debil ausgeprägt sind wie in Deutschland (wie hier jüngst im Vergleich zu den USA eindrücklich dargelegt).

Man kann es es gar nicht überbetonen: Die Probleme, die wir heute in der deutschen Altersvorsorge sehen, entstammen zu einem großen Teil dem Defizit, dass Deutschland seine starken Jahrzehnte nie genutzt hatte, um mit echten Real Assets und echter Kapitaldeckung echtes Asset Management und echtes Asset Ownership in international standesgemäßen Größenordnungen aufzubauen, sondern stets auf ein System mit drei Säulen gesetzt hat, das fast nur umlagefinanziert ist und zum weitaus größten Teil auf Garantien aller Art, auf Fixed Income und auf Nominalwerten basiert. Sie wissen es: Die guten Zeiten nähern sich dem Ende, und jetzt kommen eben die schlechten.

Gut, was soll man auch erwarten von einem Land, in dem es bis heute nicht ungewöhnlich ist, wenn der Staat Schulden, die er gegenüber seinen Beamten aufbaut, mit Schulden fundet, die er bei sich selber hat?

Das Elend der Garantienvielfalt

Drittens zu den schon erwähnten Garantien: Wer an solche denkt, der denkt zuerst an irgendwelche Formen vom Beitragsgarantien. Das ist aber längst nicht alles. Nicht minder prekär für die Nachhaltigkeit sind Garantien einer niemals fallenden Rentenhöhe und einer lebenslangen Zwangsverrentung. Alle gemeinsam treiben das Asset Management in Fixed Income und einfache Nominalwerte, alles auch mit den oben angegebenen Folgen für Asset Management-Industrie und Asset Ownership.

Man ist geneigt, diese Garantieneigung als deutsche Mentalität abzutun – das ist es aber nicht. Für Branche und Politik an einem Strang wäre es ein Leichtes, hier ein Umdenken herbeizuführen (insofern ist der Autor auch ein Befürworter der auf den ersten Blick so lächerlich wirkenden Pläne von der Frühstart-Rente, um die Menschen von klein auf an ihr John Locke-Grundrecht des Individuums als Asset Owner zu gewöhnen).

Außerdem wird häufig angeführt, dass Rentner ohne Zwangsverrentung bei einer Kapitalzahlung die Mittel vorzeitig ausgeben und dann als Sozialfälle dem Staat und damit dem Steuerzahler zur Last fielen. Auch das ist nicht stichhaltig.

Denn schon heute ist unser Altersvorsorgesystem (einschließlich Pflege und Gesundheit) dermaßen insuffizient, dass im Zusammenwirken mit dem demographischen und ökonomischen Niedergang (s.o.) ohnehin ab 2035 Millionen Menschen von irgendeiner Art der Grundsicherung abhängig sein werden. Und tun wir doch nicht so, als seien sie das nicht schon heute. Warum? Dieser Staat steckt jährlich über 115 Mrd. Euro Steuergeld in seine umlagefinanzierte GRV, nur damit diese nicht – wohlgemerkt in den guten Zeiten ihrer stärksten Alterskohorte auf dem Höhepunkt ihrer Steuer und Abgabenfähigkeit – direkt auf der Stelle zusammenbricht. Man stelle sich vor, diese 115 Mrd. Steuerzuschuss unterblieben und würden zu entsprechenden Rentenkürzungen führen: Wie viele Millionen Menschen wären dann schon heute in einer Grundsicherung, und werden diese Millionen also nicht schon heute erst mit Steuermitteln davor bewahrt? Doch, werden sie.

Und noch mal: Wir haben in Deutschland eine umlagefinanzierte erste Säule, die extrem garantielastig ist, gleichzeitig aber den absoluten Löwenanteil des Alterseinkommens der Menschen ausmacht (wenn man bei der schon heute kümmerlichen Performance überhaupt von Löwenanteil reden kann). Nötig wäre ein Wechsel im Denken – in der Politik, bei Anbietern, bei den Menschen: nämlich dass Zusatzversorgungen aller Art grundsätzlich mit voller Vola der Märkte, ohne jede Garantie und zu 100% in Real Assets angelegt werden – gar werden müssen! Jedes Engagement in Fixed Income zumindest vor Endalter 70 gehört an sich ebenso verboten, wie es die Beitragsgarantien im SPM (immerhin) schon sind.

So, ist jetzt mal langsam Schluss mit den kassandrischen Unkenrufen zum Auftakt der aba-Jahrestagung?

Nein, einen gibt es noch:

Thema Tempo: Tripel Schritt

2002 wurde der deutsche Pensionsfonds ins Leben gerufen – und das gaaanz vorsichtig. Und gaaanz vorsichtig bastelt man seit fast einen Vierteljahrhundert an ihm herum. „Entfesselt im Trippelschritt“ hatte der Autor schon 2008 (damals noch für die dpn) geunkt. Und wo sind wir heute: nur wenig weitergekommen. Jede echte Verbesserung kann man sich rot im Kalender einrahmen. In 23 Jahren hat man Dinge erreicht, die man von Anfang an hätte haben können. Und fertig ist man noch lange nicht. Hauptsache: immer schön gaaanz vorsichtig.

Uraltes kassandrisches Axiom: Good Governance kostet den Staat gar nichts, die gibt es ganz umsonst – wenn man sie denn macht.

Was tun also?

Zurück zum Anfang: Wenn die aba gute Vorschläge macht (die teilweise schlicht technisch notwendig sind, um den reibungslosen Ablauf der bAV zu gewährleisten), dann tut sie recht. Und wenn hier alle, die der Sache wohlgesinnt sind, sich ein möglichst umstandsloses Durchschieben des BRSG 2.0-Entwurfes durch die parlamentarischen Gremien wünschen, dann tun sie damit auch recht. Doch bleibt es dabei, dass es sich hier nur um taktische Verbesserungen handelt, nicht um strategische. Was tun also? Im Prinzip ist das alles schon oben angerissen worden:

Am wichtigsten: Dieses Land ökonomisch und industriepolitisch mit aller Konsequenz zurück in die Spur bringen!. Eine Herkules-Aufgabe, die in ihren Einzelheiten nicht Gegenstand unserer Plattform hier ist (in dem Beitrag „Abrechnung in zehn Akten“ auf ALTERNATIVESINDUSTRIES finden sich einige Einzelheiten). Prognose? Leider völlig infaust.

Dann ein Umschalten im Denken der Politik: Sie sollte endlich begreifen, dass sie dort, wo die Altersvorsorge bis heute relativ störungsfrei funktioniert und sie einen guten Ruf bei den Menschen hat, die Politik außerdem nicht allein ist: in der bAV. Sondern hier – und nur hier – hat sie immer noch wohlgesinnte und hilfsbereite Verbündete, vornweg die Arbeitgeber. Es wäre also smart von ihr, exakt hier ihre Unterstützung zu fokussieren. Und mit Unterstützung ist Unterstützung gemeint, nicht Regulierung und Rechtunsicherheit.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Regulierung ist wichtig. Die Aufsicht, auch um die Seriosität der Marktteilnehmer sicherzustellen. Nicht minder wichtig ist sie bei den Kosten.

Noch mehr Umschalten ist nötig, und zwar im Sinne eines Kann das weg? Ja, kann weg“: BZML, BOLZ, lebenslange Verrentung, Quoten in der AnlV … die Liste ließe sich fortsetzen.

Was? Einfach abschaffen? Schockierend! Undenkbar! Ja, klar. So ist das nun mal, wenn alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen, über die die Zeit hinweggegangen ist. Und bevor Sie jetzt direkt bewußtlos werden, entspannen Sie sich: Klar ist, dass das Abschneiden der alten Zöpfe nur im Neugeschäft möglich wäre. Bestehende Systeme müssen unangetastet bleiben bzw. auf Umstellung mit Zustimmung des Berechtigten eingerichtet werden. Daher muss das Umschalten auch in den Köpfen der Menschen, zumindest der jüngeren, angestrebt werden. Wie erwähnt verstecke man sich hier nicht hinter einer angeblichen nicht abänderbaren Urmentalität der Deutschen. Dieses Mantra ist der blanke Unsinn. Es ist einfach ein über Jahrzehnte von Politik und Anbietern vorgelebtes, gelerntes Verhalten. Sage keiner, das ließe sich nicht ändern. Deutschland ist auch hier schlicht und ergreifend eine zurückgebliebene Nation, sonst nichts.

Jedenfalls muss man – auch das ein alten Axiom hier – als Politiker schon auf den Kopf gefallen sein, um die Chancen zu übersehen, die sich in der bAV auftun; auf der taktischen Ebene (BRSG 2.0 anschieben), doch auf der strategischen (alte Zöpfe gnadenlos abschneiden) erst recht.

Was erlauben Bärbel?

Zum Schluss: Nicht Fehlen soll ein kurzer Blick auf Bärbel Bas, die dem bemerkenswert sang- und klanglos verschwundenen Hubertus Heil als Arbeitsministerin nachfolgt ist. Denn die hat sich direkt zur ersten öffentlichen Meinungsäußerung ein Spezialthema ausgesucht: der Einbezug der Beamten (und Selbstständigen) in die GRV. Und zwar – wie üblich – um diese zu stabilisieren.

Das Thema poppt regelmäßig auf, ohne dass da jemals Substanz entsteht, und das wird diesmal nicht anders sein. Der letzte, der fachfremd sich zu dem Thema der stumpfen Verbreiterung der Beitragsbasis meinte äußern zu müssen, war Robert Habeck. Substanz oder gar Relevanz? Gleich null. Habeck ist politisch nun Geschichte. Für Deutschland wäre besser, er bliebe es für immer.

Zurück zu Bas. Grundsätzlich wäre ein Einbezug der Beamten in die GRV absolut wünschenswert. Nur: Erstens nicht, um das System zu stabilisieren (denn das täte die Maßnahme nicht), sondern aus Gründen der Gerechtigkeit und der politischen Hygiene, um Über-Privilegierung und weiteres Aufblähen des Beamtenapparat entgegenzuwirken. Und zweitens: Passieren wird das niemals. Denn dem stehen ganz profan technische und politische Gründe entgegen, die das Deutschland im frühen 21. Jahrhundert längst nicht mehr in der Lage ist zu überwinden. Wir leben hier nunmal nicht im Wünsch-dir-was-Ponyhof, das wird auch Bas schnell lernen. Es kann daher nur wiederholt werden: Wem angesichts von katastrophaler Lage und Perspektive des Umlagesystems nicht mehr einfällt als eine stumpfe Verbreiterung der Beitragsbasis, hat nichts begriffen – nichts von der Funktionsweise eines Umlagesystems und nichts von Wirkung und Folgen eines demographischen Zusammenbruchs.

Zu der völligen strategischen Insuffizienz eines solchen Vorhabens träten technisch-taktisch unlösbare Probleme: zunächst die enormen, legislativen Herausforderungen; bekanntlich ist die Altersvorsorge arbeits-, steuer-, europa- und hier auch beamtenrechtlich dermaßen fein verästelt, dass es unvorstellbar scheint, wie Bund, Länder und Städte eine solche technisch legislative Großbaustelle irgendwie gemeinsam bewältigen könnten.

Außerdem wurde sofort Druck entstehen, dass die Beamtengehälter massiv erhöht werden, weil die stattlichen Pensionen der Beamten ja u.a. der Schließung einer vorgeblichen Lücke zu den Gehältern der freien Wirtschaft dienen sollen. Zudem müsste eine Gehaltserhöhung treten, damit die Beamten die Beiträge zur GRV überhaupt bezahlen könnten. Außerdem stellen sich zig andere Fragen nach BBG und Höchstrenten. Außerdem müsste man die kümmerlichen, aber gleichwohl vorhandenen Pensionsfonds für die Beamten in die GRV übertragen (noch eine der einfacheren Aufgaben).

Entsprechend die Frage, wie man die bestehenden Ansprüche der Beamten in GRV-Rentenansprüche umrechnen würde. Ein Punktesystem drängt sich auf, und man weiß es aus VBL & Co., dass dies die Gerichte jahrzehntelang beschäftigen wird, nicht weniger. Wenn die Idee überhaupt irgendeine Chance auf eine Realisierung haben sollte, dann wäre das grundsätzlich nur für das Neugeschäft, also Neuverbeamtung, überhaupt ansatzweise denkbar (doch wenn man so weit ist, dann könnte man die deutsche, längst überholte Vollkasko-Verbeamtung gleich abschaffen und komplett auf die beweglicheren angelsächsischen Systeme umstellen; das wäre erst der eigentlich Durchbruch). Last but not least natürlich der politische Widerstand der Beamtenschaft.

Und fiskalisch? Würde das alles also unterm Strich mehr oder weniger Jacke wie Hose bedeuten: Was der Staat jetzt an zusätzlichem Gehalt aufwenden müsste, bekäme er teils als Beitrag in die GRV zurück, wo entsprechend der gegenwärtige Steuerzuschuss etwas sinken könnte – doch gezahlt werden müssen die Renten der Beamten eines Tages auch.

Also: So wünschenswert und dringend nötig eine Enschlackung des deutschen Beamtenwesens qualitativ, quantitativ, legislativ, standesrechtlich und auch rentenpolitisch wäre: das Thema Beamte in die GRV hat mit der Realität so viel zu tun wie der 1. FC Köln mit der Champions League. Warum Bas direkt zu Anfang dieses Fass aufmacht, lässt sich wohl nur mit ihrer Unerfahrenheit in Renten- und Arbeitsmarktpolitik erklären (vielleicht, gepaart mit der Absicht, die Union etwas zu provozieren). Nun, das wird sich geben, und wie jedes Mal wird das Thema Beamte in die GRV wieder in der Versenkung verschwinden. Bis irgendwann der nächste unerfahrene Politiker es wieder anfasst. Insofern, liebe Bärbel Bas: einfach weitermachen in der Tagesordnung. Die Themen werden Ihnen schon nicht ausgehen. Wenn Sie ernsthaft an der Nachhaltigkeit der Strukturen und Zukunftsfähigkeitder Bundesrepublik Deutschland arbeiten wollen, wäre schon viel erreicht, würden Sie mit ihrem politischen Einfluss dafür Sorge tragen, dass der ständige Ausbau des deutschen Beamtenapparates – eine klare Begleiterscheinung einer Gesellschaft im Niedergang – endlich zu einem Ende kommt. Prognose: Sie und Ihr werter Kollege Klingbeil werden genau das Gegenteil bewirken.

Berlin 2027: Kassandra legt bei ihrer Verbeamtung den Eid auf die Verfassung ab.

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