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Nicht ohne einen Grund:

Rente oder Kapital?

Seit einigen Jahren ist es modern, betriebliche Altersversorgung in Form einer Kapitalleistung zuzusagen. Doch so einfach ist es nicht, vor allem für den Arbeitgeber. Margret Kisters-Kölkes über offene Fragen, jahrzehntelange Rückwirkungen und notwendige Sofortmaßnahmen.

Margret Kisters-Kölkes
Margret Kisters-Kölkes

Wird eine Kapitalzusage nur für neu in das Unternehmen eintretende Arbeitnehmer zugesagt, ist dies ohne weiteres möglich. Denn eine einmalige Kapitalleistung ist nach dem Betriebsrentengesetz eine der laufenden Rente gleichwertige Form der betrieblichen Altersversorgung (BAG, 15.5.2012, 3 AZR 11/10, Rdz. 79). Hier können sich nur zwei Fallstricke ergeben: Wird das Kapital in mehreren Raten über fünf oder zehn Jahre ausgezahlt, stellt sich die Frage, ob gemäß Paragraf 16 BetrAVG eine Kaufkraftstabilität zu fordern ist. Zudem stellt sich die Frage, ob überhaupt gesetzlicher Insolvenzschutz für die Auszahlung der zweiten, dritten et cetera Folgeraten besteht.

Sollen bereits bestehende Rentenzusagen in eine Kapitalleistung überführt werden, ist hierfür nach der Rechtsprechung des BAG ein eigenständiger Rechtfertigungsgrund erforderlich (Rdz. 71), wenn den Arbeitnehmern kein Wahlrecht eingeräumt wird (Rdz. 72). Wahlrecht bedeutet, dass der Mitarbeiter selbst bestimmt, ob es bei der Rentenzusage bleibt, oder ob er lieber eine einmalige Kapitalauszahlung haben möchte.

Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber mittels Betriebsvereinbarung eine Rentenzusage in eine Kapitalzusage überführt, indem persönliche Versorgungskonten eingerichtet wurden. Die in der Vergangenheit erdiente Rente wurde in eine Initialgutschrift umgerechnet und dem Basiskonto gutgeschrieben. Die Initialgutschrift betrug das 150-fache der monatlichen Invalidenrente. Das Basiskonto wurde über ein Aufbaukonto aufgestockt, indem Beiträge, die gemäß einer Tabelle in eine Kapitalleistung umgerechnet wurden, gutgeschrieben wurden.

 

Nachteile fordern Rechtfertigungsgrund…

Der eigenständige Rechtfertigungsgrund ist erforderlich, weil zum Nachteil der Arbeitnehmer die Änderung vorgenommen wird. Das Langlebigkeitsrisiko, das bei jeder Rentenzusage abgedeckt wird, wird vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer bei einer Kapitalleistung verlagert. Darüber hinaus verliert der Arbeitnehmer den Inflationsschutz, den er grundsätzlich gemäß Paragraf 16 BetrAVG bei einer Rentenzusage hat. Des Weiteren können steuerliche Nachteile entstehen, da bei einer einmaligen Kapitalauszahlung sofort die Steuern einzubehalten sind und über Paragraf 34 EStG nur eine gewisse Progressionsminderung eintritt. Lediglich die Sozialabgaben sind gemäß Paragraf 229 SGB V über 120 Monate zu verteilen. Auch können bei einer Pfändung Nachteile entstehen, da die Freibeträge leichter überschritten werden.

 Maßstab für den Rechtfertigungsgrund sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Dabei sind die wechselseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Nur dann, wenn das Interesse des Arbeitsgebers die Interessen der Arbeitnehmer erheblich überwiegt, ist eine Umstellung nicht zu beanstanden. Das BAG deutet nur mit der gebotenen Zurückhaltung an, dass wirtschaftliche Gründe eine solche Umstellung rechtfertigen könnten, wenn der Arbeitgeber die Kosten einschließlich der Anpassungsprüfungen für das Versorgungswerk nicht mehr aufbringen könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass er hinsichtlich der Bilanzierung wirtschaftliche Vorteile erhalte, wenn er von einer Rentenzusage in eine Kapitalzusage überwechsle (Rdz. 84). Hiermit ist gemeint, dass der Arbeitgeber bei der Bewertung der Versorgungsverpflichtungen nach der Umstellung keinen Rententrend mehr berücksichtigen muss, mit anderen Worten geringere Pensionsrückstellungen bilden kann und damit eine Erhöhung des ausschüttungsfähigen Gewinns stattfindet.

 

…auch für den Future-Service

 Einen eigenständigen Rechtsfertigungsgrund wird man nicht nur dann fordern müssen, wenn für den Past- und Future-Service eine Umstellung von Rente in Kapital erfolgt, sondern auch dann, wenn zwar für den in der Vergangenheit erdienten Teil die Rentenzusage erhalten bleibt, für die zukünftig zu erdienende Anwartschaft aber auf eine Kapitalleistung umgestellt werden soll.

 Selbst wenn das gezahlte Kapital bei einer statistischen Durchschnittsbetrachtung ausreichen würde, um durch private Vorsorge Einbußen zu kompensieren, müsste eine spezifische Rechtfertigung erfolgen.

Doppelzahlung: das lange Gedächtnis der bAV

 Dieses Anforderungsprofil ist nicht nur von Bedeutung, wenn künftig eine Umstellung vorgenommen werden soll, sondern es ist auch für bereits erfolgte Umstellungen maßgeblich. Damit stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten könnten, wenn ein Rechtfertigungsgrund fehlt oder nicht ausreichend substanziiert vorgetragen werden kann. Aus der Sicht der Arbeitnehmer ist die Antwort einfach: Sie haben ihre Rentenzusage behalten, weil die ablösende Betriebsvereinbarung unwirksam ist (Rdz. 71). Aus Arbeitgebersicht ergibt sich das Problem, dass über Jahre oder gar Jahrzehnte zu geringe Pensionsrückstellungen ausgewiesen wurden und damit ein Nachfinanzierungsbedarf entsteht, wenn – spätestens nach einer rechtskräftigen Entscheidung eines Arbeitsgerichts – die Rechtslage festgestellt ist.

Was ist aber mit den im Versorgungsfall ausgezahlten Kapitalbeträgen, die vor Rechtskraft der Entscheidung ganz oder teilweise vorgenommen wurden? Ist der Arbeitgeber von seiner Leistungspflicht freigeworden, oder ist die Auszahlung wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 3 BetrAVG nichtig (Paragraf 134 BGB)? Besteht die Gefahr, dass der Arbeitgeber auch den Versorgungsempfängern, die „ihr“ Kapital bereits ausgezahlt erhalten haben, eine Rente zahlen muss, es also zu doppelten Zahlungen kommt?

 Mit diesen Fragen musste sich das BAG nicht auseinandersetzen. Es hat vielmehr den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil noch diverse Fragen zu klären sind.

 

Was tun?

Welche Empfehlung kann man den Entscheidungsträgern geben? Zunächst sollte geprüft werden, ob ein Kapitalwahlrecht besteht. Ist dies nicht der Fall, ist zu klären, ob im Änderungszeitpunkt ein eigenständiger Rechtfertigungsgrund bestand. Dieser sollte so umfassend wie möglich dokumentiert werden, damit er noch in Jahren, gegebenenfalls Jahrzehnten, nachvollzogen werden kann. Die Dokumentation sollte so umfassend sein, dass auch die Entscheidungsgrundlagen einschließlich der hierfür erstellten Berechnungen (hierzu BAG, 8.12.1981, 3 AZR 518/80, Rdz. 37) dauerhaft dokumentiert bleiben.

 Stellt man nunmehr fest, dass es keinen nachvollziehbaren Rechtfertigungsgrund gab, hat man vielmehr nur umgestellt, weil dies „modern“ ist oder man gar beim Versorgungsaufwand sparen wollte, wäre zusammen mit dem rechtlichen Berater die Gefahr abzuschätzen, inwieweit künftig zu tätigende Auszahlungen gegen das Abfindungsverbot verstoßen könnten. Diese Klärung ist zu empfehlen, weil eigentlich nach wie vor Rentenzusagen bestehen und für diese nach Paragraf 3 Abs. 1 BetrAVG ein Abfindungsverbot besteht, wenn (in 2013) die monatliche Rente den Betrag von 26,95 Euro übersteigt.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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