Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Quietschfidel?
aktuar.de (10. Dezember): „DAV empfiehlt Senkung des Höchstrechnungszinses auf 0,5 Prozent.“
Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag (11. Dezember): „Kein Etikettenschwindel bei der Finanztransaktionsteuer.“
Handelsblatt (22. November): „CDU-Parteitag einigt sich bei Riester-Rente.“
Die FTT-Pläne des Olaf Scholz sind ob ihrer völlig absurden Ausgestaltung in sachkundigen Medien landauf landab und selbst von der Fraktion des Koalitionspartners so umfassend kritisiert worden (v.a. punktuelle Schädigung der Altersvorsorge, keine Wirkung auf Derivate und Hochfrequenzhandel), dass dies an dieser Stelle nicht extra kommentiert werden muss – höchstens dergestalt, dass dieser völlige fehlführende Vorstoß die Frage aufwerfen muss, ob Scholz fachlich überhaupt weiß, was er tut (die diesbezügliche Diskussion im Finanzausschuss findet sich übrigens hier).
Jedoch rät Kassandra, die Dinge, die unabhängig voneinander vermeldet werden, in ihrem Zusammenwirken zu betrachten:
Erstens eine FTT, welche die Altersversorgung in der tiefsten Niedrigzinsphase noch weiter belastet. Dann ein Rechnungszins, der vor einer Absenkung auf 0,5 Prozent steht und deshalb auch dem letzten Vorgestrigen klar machen sollte, das alles mit Garantien in der Altersvorsorge kaum mehr darstellbar ist. Und drittens eine Politik, die die kommenden Riester-Absatzzahlen als Maßstab nehmen will, ob sie nun einen Zwangsstaatsfonds einführen will. Da ahnt man schon, was dabei herauskommen wird.
Sven Giegold (11. Dezember): „Klassifizierung nachhaltiger Investitionen: Macron blockiert Herzstück der Agenda für grüne Finanzmärkte.“
Weiter gehts in Sachen Taxonomie – oder auch nicht. Der vergangene Woche noch so optimistische, grüne MdEP Sven Giegold ist schon diese Woche sichtlich enttäuschter. Und dies vor allem darob, dass Frankreich nun doch im Ministerrat die Weiterentwicklung in der Sache offenbar blockiert, weil es sich gegen die Disqualifikation der Atomkraft stellt. Kassandra hatte schon angemerkt, dass alles andere auch eine Überraschung wäre. Am 16. Dezember tagt der Ministerrat bzw. die ständigen Vertreter erneut.
Deutscher Bundestag (12. Dezember): „Systemfehler beseitigen – Betriebliche Altersvorsorge attraktiver gestalten.“
Dass die Partei Die Linke seit Jahr und Tag die Abschaffung der Doppelverbeitragung fordert, ist bekannt. Auch die AfD (die übrigens in diesen Monaten im Bundestag eine Kleine Anfrage nach der anderen zu Rentenfragen und -daten aller Art unternimmt, vermutlich weil sie derzeit an ihrem Rentenkonzept arbeitet) hat nun einen diesbezüglichen Antrag im Bundestag gestellt mit dem Ziel einer auch rückwirkend nur einmaligen Belastung – der wie üblich ohne Chance sein dürfte. Da hülfe wohl selbst eine ohnehin eher unwahrscheinliche Koalition zwischen AfD und Linke nicht.
Der Betrieb (Nr 47, 25. November): „Bewertung von Versorgungsverpflichtungen im Jahr 2019; sind die herkömmlichen Zinsannahmen noch zeitgemäß?“
Prof. Reinhold Höfer sowie die Mercer-Mathematiker Thomas Hagemann und Günter Neumeier verfassen seit Jahren jeweils im November in der Zeitschrift „Der Betrieb“ einen Beitrag zur Zinsermittlung für das jeweilige Jahr.
Für dieses Jahr gehen die Autoren davon aus, dass bei der Bewertung nach IFRS / IAS 19 und nach dem amerikanischen Standard ASC 715 bzw. FAS 87 ein Zins zwischen 0,9 bis 1,3% gerechtfertigt sei. Künftige Rentenanpassungen könne man mit 1 bis 1,5% p.a. ansetzen, wenn keine Rentenanpassungsgarantie von mindestens 1% zugesagt wurde. Bei gehaltsabhängiger Versorgung scheine ein Trend von 1,5 bis 2,5% angemessen zu sein.
Im Übrigen wenden sich die Autoren ausdrücklich gegen den Ansatz eines Negativzinses bei kurzfristigen Verpflichtungen (auch wenn das in der Schweiz in der Vergangenheit schon zuweilen praktiziert worden ist).
Angesichts das anhaltenden Niedrigzinses unterbreiten Höfer, Hagemann und Neumeier außerdem einen neuen Vorschlag zur Zinsermittlung:
Ableitung des Zinses aus dem langfristigen Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von z.B. den DAX-Unternehmen und aus Gründen der Vorsicht um 2 bis 2,5-Prozentpunkte gemindert. Man erhielte dann Stand heute einen Zins von ca. 4%.
Kassandras Meinung: Dieser Vorschlag hätte für Deutschland praktische Relevanz – nicht nur, weil er die Lücke zwischen den Paragrafen 253 HGB und 6a EStG verringerte, sondern weil er auch echte Realitätsnähe mit sich brächte. Denn im Großen und Ganzen stellen deutsche Unternehmen ihren Pensionslasten entweder ein CTA-Funding entgegen – dort fahren sie infolge der Zinslage mittlerweile durchaus stark Real-Asset-lastige Strategien. Oder aber sie finanzieren ihre Pensionslasten mit Rückstellungen gegen und zahlen die anfallenden Betriebsrenten aus ihrem Cashflow – dann entspricht die „Rendite“ aus diesen Rückstellungen der Rendite des eigenen Unternehmens. Beides sollte in der Realität näher an dem hier vorgeschlagenen KGV-Vorsichtswert liegen als an AA-Corporates bzw. an dem 253er-HGB-Durchschnittszins.
Deutsche Steuerberater Versicherung (12. Dezember): „Pressemitteilung nach der 57. Vertreterversammlung: Die Deutsche Steuerberater-Versicherung – Pensionskasse der steuerberatenden Berufe VVaG sorgt für die Niedrigzinsphase vor und beschließt Sanierung.“
„…sorgt für die Niedrigzinsphase vor.“ Will man Ende des Jahres 2019 vorsorgen für etwas, das schon seit gut einem Jahrzehnt pressiert? Insofern klingt ein solcher Satz heute etwas nach Verspätung. Nun, jedenfalls gibt es erneut Neues von der Bonner „EbAV“, deren Entwicklung auf LEITERbAV recht eng redaktionell begleitet wird. Hier Aussagen, welche in Anbetracht der offenkundig nicht einfachen Lage der Einrichtung erstaunlich optimistisch und quietschfidel klingen, findet Kassandra. Mehr dazu nächste Woche auf LEITERbAV.