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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

86. aba-Jahrestagung 2024 (II):

Volles Programm Berlin…

aber echt: Neulich in Mitte, großer bAV-Bahnhof. Detlef Pohl war dabei und erfuhr dabei: wer dynamisiert wird, ohne aufgebohrt zu werden, wo die Textform nun erlaubt ist, wo noch Chaos herrscht, wer in die falsche Richtung marschiert, was bald 200 Milliarden schwer sein soll, wer wo 22 Prozent zuschießt … und und und … und wer so langsam bei Frau Roßbach anklopft.

Berlin-Mitte, 15. Mai. Erster Tag der 86. aba-Jahrestagung: Nicht der Weltuntergang stand auf der Agenda (anders als zuweilen freitags auf dieser Plattform hier), sondern handfeste Ansätze zu mehr und besserer Altersvorsorge in Deutschland. Diskutiert wird die aktuelle Lage aus unterschiedlicher Ressortsicht, um dem Eisberg namens Altersarmut noch auszuweichen. Zur Sprache kommen Trittbrettfahrer, zwiespältige Rentenpakete, Schlimmeres-Verhinderer, Steuer-Verbesserer und Kurzlebigkeits-Förderer. PI-Autor Detlef Pohl war vor Ort und hörte viele Fakten und manche Nuance:

Endspurt in der Wilhelmstraße

Das BRSG II geht auf die Zielgeraden. Was die Vorschläge aus dem Fachdialog Betriebsrente und den vermeintlichen Erfüllungsstand im gemeinsamen Gesetzentwurf von BMAS und BMF angeht, hat aba-Chef Thurnes schon am Vortag der Jahrestagung vor der Berliner Presse das vermeintliche Ergebnis abgeschätzt.

Auf der Tagung bestätigen die für die bAV zuständigen StS beider Ministerien, dass der Gesetzentwurf „steht und zeitnah in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung geht“.

Wegen der Dichte der Informationen – Stichwort „Volles Programm“ – wird nach dem schon recht dichten ersten Teil der Berichterstattung zum ersten Tag der Tagung die Diskussion im gewohnten PI-Stakkato wiedergegeben (alle Aussagen der Referenten im Indikativ):

Georg Thurnes: Bericht zur Lage – Generationengerechtigkeit ist anders

Die Jahrestagung eröffnet traditionell der aba-Vorstandschef mit dem Lagebericht:

+++ Erfolge in Verbandsarbeit heißt häufig, Schlimmeres zu verhindert oder zumindest gemeinsame das Beste daraus gemacht zu haben +++ Beispiel Nachweisgesetz: BMJ erlaubt nun doch Text- statt Schriftform +++ ähnliche Erfolge bei PUEG noch erhofft, wo aktuell noch Chaos regiert +++ Projekt „Bürgernahe Einkommensteuer“ will Rentner bei Steuerklärung entlasten, bürdet aber Versorgungsträgern als auszahlende Stellen Arbeit, Bürokratie und ggf. sogar Haftung auf +++

Georg Thurnes, aba …

+++ DRV, GDV und aba wehren sich gemeinsam; Ausgang offen +++ baldige Anbindung an Digitale Rentenübersicht bietet auch Chance, sich erfolgreich gegen Vorschlag für EU-Verordnung über Zugang zu Finanzdaten FIDA, zu wehren +++ aba lehnt Einbeziehung von Ruhegehaltsansprüche aus bAV-Systemen in Geltungsbereich FIDA-VO ab +++ dort gehts nur um Vertriebsunterstützung von Produkten, gebraucht wird aber guter Überblick über Anwartschaften und Ansprüche aus allen drei Säulen +++

 

 

Jetzt ist weder Zeit für Realitätsverweigerung noch für alte Schlachten.“

 

 

+++ gleichzeitige Reform aller drei AV-Säulen bietet seltene Chance, Weg zu ebnen für leistungsstarke Altersversorgung (AV) mit dualem Kern aus staatlicher und betrieblicher AV, flankiert durch private AV, die ihren Namen auch verdient +++ jetzt weder Zeit für Realitätsverweigerung noch für alte Schlachten, sondern Zeit Reformmut +++

+++ Rentenpaket II geht in falsche Richtung, soll es doch Rentnern heutiges Leistungsniveau garantieren +++ jedoch: zusätzliche Finanzierungsanforderungen unbegrenzt von jüngeren Generationen zu tragen, die zudem über Gebühr für eigene Lebensstandardsicherung zahlen müssen +++ aba kritisiert: Generationengerechtigkeit sieht anders aus +++ Generationenkapital ist eine Art Hedgefonds mit überschaubarem Kapitalstock, wird nur sehr bescheidene Entlastungen bringen +++ angesichts anspruchsvoller rechtlicher und ökonomischer Voraussetzungen fürs Generationenkapital sollte mehr Kapitaldeckung besser über die bAV und private AV erfolgen +++

+++ will man mehr und höhere Betriebsrenten, führt am Ausbau von rBZ und SPM kein Weg vorbei, anders als manche Gewerkschaft meint +++ auch Nichttarifgebundene müssen Zugang erhalten, Widersprüche im Arbeits- und Aufsichtsrecht sind zu beseitigen +++ Erfolgsgeschichte Geringverdienerförderung (§ 100 EStG) gehört fortgeschrieben und ausgebaut, am besten mit dynamisierten Einkommensgrenzen (BMF macht Hoffnung; s.u. Toncar) und mehr als bisherige 30% Förderung (BMF bremst; s.u. Toncar) +++ Hoffnung für Pensionskassen wächst, aus „Finanzmarktregulierung“ im Aufsichtsrecht herausgenommen zu werden +++

+++ bei privater AV-Reform ebenfalls Licht und Schatten +++ es kommt kein öffentlich verantworteter Altersvorsorgefonds +++ Förderinstrumentarium der „Riester-Nachfolge-Produkte“ soll weiter für bAV nutzbar sein, denn ca. 10% aller Riester-Renten sind bAV +++ leider soll Riester-Förderung nicht mehr lebenslange Rente voraussetzten; auch zeitlich befristeter Auszahlungsplan wäre förderwürdig +++ Lebenserwartung heute 87-Jähriger liegt bei mindestens 4,5 Jahren +++ nicht staatlich förderwürdig, wenn im Ernstfall, etwa bei erhöhtem Pflegebedarf haben, kein Geld aus privater Vorsorge mehr da ist +++

Rolf Schmachtenberg: die Sicht des BMAS – nachvollziehbar, aber nicht finanzierbar

Der Referentenentwurf für ein Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz steht und wird zeitnah in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung gehen, avisiert BMAS-StS Rolf Schmachtenberg in seiner Rede:

+++ Abschaffung Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten 2023 soll nun auch bei Betriebsrenten und Wertguthaben nachvollzogen werden (in BRSG II) +++ Rentenpaket II wird noch im Mai vom Kabinett beschlossen und ins parlamentarische Verfahren gehen +++ damit wird Rentenniveau von 48% dauerhaft festgeschrieben und Einstieg in teilweise Kapitaldeckung in GRV umgesetzt +++ Generationenkapital soll bis 2036 mit Kapitalstock in Höhe von 200 Mrd. Euro aufgebaut werden +++ ab 2036 soll es aus den Erträgen durchschnittlich 10 Mrd. Euro Ausschüttungen p.a. an GRV geben +++

Rolf Schmachtenberg, BMAS …

+++ Regierung bekennt sich ausdrücklich zur bAV als freiwilliger Form kapitalgedeckter Zusatzrente, will sie weiter stärken +++ im Fachdialog Betriebsrente gründlich Ecken ausgeleuchtet +++ erstes positives Ergebnis: durch BMF-Schreiben ist sichergestellt, dass Pensionskassen ihre KSt-Befreiung nicht verlieren, wenn auf ihren Immobilien Photovoltaik installiert ist +++ weiteres Ergebnis: in AV kommt kein Staatsfonds +++ Kernidee für Staatsfonds, nämlich den Beteiligten hochwertiges, kostengünstiges Finanzprodukt zu bieten, ist bei kollektiv in Unternehmen organisierter bAV, am besten von Sozialpartnern, bereits umgesetzt +++ in BRSG II nicht umgesetzt: 8% SV-Freiheit der bAV-Einzahlungen und 100%-Befreiung von bAV-Leistungen („nachvollziehbar, aber nicht finanzierbar“) +++ ebenfalls in BRSG II nicht umgesetzt: abgesenkte Garantien des Arbeitgebers jenseits rBZ sowie einfachere Eingriffe in bestehende bAV-Zusagen zugunsten Jüngerer +++

 

 

Die Sozialpartner können von nicht-tarifgebundenen Teilnehmern einen Kostenbeitrag verlangen.“

 

 

+++ in BRSG II umgesetzt: zwar keine Öffnung der rBZ jenseits von Tarifverträgen, aber künftig vereinfachte Teilnahme: interessierte Sozialpartner können leichter an bestehende Modelle qua Tarifvertrag andocken und müssen sich nicht mehr verpflichtend an dessen SPM-Steuerung beteiligen +++ und: ein SPM, das eine Gewerkschaft abgeschlossen hat, steht allen Unternehmen und Beschäftigten im Zuständigkeitsbereich dieser Gewerkschaft – nach der Gewerkschaftssatzung – offen, wenn beide Sozialpartner dies wollen ++ dabei können sie von nicht-tarifgebundenen Teilnehmern dafür Kostenbeitrag – quasi als Finanzierungsbeitrag zur Errichtung und Durchführung des SPM – verlangen +++ BRSG II adressiert darüber hinaus KMU auch damit, dass betriebliche Opting-out-Systeme unter bestimmten Bedingungen auch ohne tarifliche Grundlage ermöglicht werden +++ Voraussetzung: Arbeitgeber beteiligt sich finanziell besonders +++ Gesetz will auch Abfindung erleichtern +++ wie erwähnt wird vorzeitiger Betriebsrentenbezug an neues Hinzuverdienstrecht der GRV angepasst +++

+++ Verwaltungspraxis PSV wird für digitale Kommunikation weiter geöffnet (PSV kann Beitragsbescheide ohne Sachbearbeitung automatisch erlassen und mit Leistungsberechtigten rechtssicher über ein Internetportal kommunizieren) +++

Florian Toncar: die Sicht des BMF – 100er dynamisiert, aber nicht erhöht

Der Fachdialog Betriebsrente und auch die Fokusgruppe Private AV war mustergültig organisiert, auch dank aba-Mitwirkung, lobt BMF-StS Florian Toncar in seiner Rede – in der er sich in Sachen bAV auf steuerliche Flankierungen beschränkt, die in BMF-Zuständigkeit fallen:

 

 

Änderungen in der Anlageverordnung sollen Pensionskassen die Kapitalanlage erleichtern.“

 

 

+++ bei Geringverdienerförderung nach § 100 EStG werden Einkommensgrenzen dauerhaft dynamisiert, Förderquoten aber nicht erhöht +++ Toncar wiederholt Intention zu Verzicht auf lebenslange Rente bei neuem AV-Fondsdepot, Verwendung für AV zu 70% bleibt vorgeschrieben +++ weniger Optionen in neuer Zulagenrente, etwa Wegfall von Optionen wie BU-Zusatzversicherung +++ Anbieterwechsel auch zu Beginn der Auszahlungsphase noch möglich +++ keine Einschränkungen bei Förderinstrumentarium der „Riester-Nachfolge-Produkte“ geplant („Verlinkung zu Riester-bAV soll bleiben“) +++ AV-Vielfalt gut für Lebensvielfalt der Menschen +++ 13 Mrd. Euro 2023 in Riester-Verträge geflossen, davon 1/3 Förderung +++

Florian Toncar, BMF …

+++ Änderungen in AnlV sollen Pensionskassen Kapitalanlage erleichtern +++ Infrastrukturinvestitionen nicht in Anlageverordnung aufgenommen (dafür soll ein öffentlicher Fonds kommen) +++ BMF für weitere aba-Anregungen dazu offen +++

Gundula Roßbach: aktuelle Entwicklungen der GRV

Auf über 1,8 Mio. neue Rentenanträge verweist Gundula Roßbach in ihrer Rede. „Die Babyboomer kommen langsam bei uns an“, so die DRV-Präsidentin:

+++ 37 Mio. Beitragszahlern stehen aktuell rund 21,2 Mio. Rentner gegenüber +++ Rentner bekommen nach 35 Versicherungsjahren im Schnitt 1.728 Euro Bruttorente, Rentnerinnen 1.316 Euro +++ 2023 geringfügig höhere Einnahmen (375,8 Mrd. Euro) als Ausgaben +++ Nachhaltigkeitsrücklage noch gut gefüllt mit 45 Mrd. Euro (= 1,7 Monatsausgaben) +++

Gundula Rossbach, DRV …

+++ Demografie wirkt ab 2027 nachteilig bei Beitragssatz und Rentenniveau, falls Rentenpaket II nicht kommt +++ Bundeszuschuss mit 22,45% der Einnahmen relativ konstant +++ Rentenpaket II verlängert Haltelinie beim Rentenniveau bis 2039, nicht aber Haltelinie beim Beitrag (2039: 22,3%) +++

 

 

Das Leitbild kann ins Wanken geraten.“

 

 

+++ Lebensstandardabsicherung über Sparpläne wie bei AV-Fondsdepot birgt Gefahr von Altersarmut nach Wegfall der Leistung +++ Verzicht auf Absicherung des Langlebigkeitsrisikos würde seit 2001 bestehendes Leitbild „Lebensstandardsicherung aus mehreren Säulen“ in Frage stellen +++ damals (2001) war Rentenniveau in GRV schrittweise gekürzt worden, sinkende Ansprüche sollten durch staatlich geförderte kapitalgedeckte Zusatzvorsorge kompensiert werden +++ Leitbild kann ins Wanken geraten +++

… und die gemeinsame Diskussion. Alle Fotos: Sandra Wildemann.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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