… an die Zusatzvorsorge mit freiwilligen GRV-Beiträgen, die nichts zu wünschen übrig lässt: Auch zum Auftakt der diesjährigen aba-Tagung ist eine Debatte präsent, die der bAV abträglich sein könnte. Die IG Metall wünscht GRV-Zusatzbeiträge statt der reinen Beitragszusage. Fachleute schütteln den Kopf, und Ministeriale offenbar auch. Und zwar heftig. P●I-Autor Detlef Pohl war dabei.
Gestern in Berlin-Mitte, Auftakt der 86. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. Volles Haus, Rang und Namen, und der Tag startet mit Politik. Ein Hauptthema wenig überraschend? Quo vadis, Sozialpartnermodell? Doch eins nach dem anderen …
Der Auftakt der Debatte
Kurz zum Einstieg in die Diskussion: Die IG Metall hatte nach ihrer vorläufigen Absage an das Sozialpartnermodell auf ihrem Gewerkschaftstag im April systematisch und ausführlich dargelegt, was ihr als Alternative für die Zusatzvorsorge vorschwebt. Quintessenz: Verlustrisiken auf den Finanzmärkten dürfen unmittelbar keinen Einfluss auf die Höhe von Alterseinkommen der Beschäftigten haben. Daher sei man gegen jedes bAV-Modell ohne Arbeitgeberhaftung und ohne Garantien. Stattdessen werden Zusatzbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung präferiert. In ersten Schritten werden bereits jetzt Arbeitgeber-Beiträge für zusätzliche Zahlungen gemäß §§ 187a und 207 SGB VI angestrebt.
Auskunft im Vorfeld
Schon drei Wochen vor der gegenwärtig laufenden aba-Tagung hatte PENSIONS●INDUSTRIES in weiser Voraussicht bereits grundsätzliche Fragen an DRV-Bund und BMAS gerichtet, im Kern:
• Können Sonderzahlungen in die Rentenkasse eine Alternative zu dem SPM sein?
• Welche Auswirkungen hätte das auf den Beitragssatz und auf die Rentenversicherung insgesamt?
• Wenn sich später nicht mehr genug Zahler für freiwillige Beiträge finden, haften dann alle Pflichtbeitragszahler der GRV?
Zwischen den Stühlen oder klare Kante?
Die DRV Bund, bekanntlich in einer Selbstverwaltung von Versicherten und Arbeitgebern organisiert, lehnte ein Statement ab. Offenbar fühlt man sich in der Position zwischen den Stühlen, obwohl die aktuelle Rechtslage zusätzliche Sonderzahlungen gar nicht erlaubt.
Anders das – zur Erinnerung: SPD-geführte! – BMAS. Auch hier hatte die Redaktion wie erwähnt schon im Vorfeld der Tagung angefragt. Ergebnis: Das Heil-Ministerium stellt sich stringent contra Sonderzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse. Und antwortet für die die schweigsame DRV Bund gleich mit. Ungekürzter O-Ton:
„In dem Beitrag wird von Hans-Jürgen Urban und Christoph Ehlscheid zum einen diskutiert, ob und wie die Möglichkeit freiwilliger Zusatzbeiträge nach Paragraf 187a SGB VI derzeit auch im Rahmen von Tarifverträgen zum Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge genutzt werden kann. Das BMAS vertritt dazu die Auffassung, dass diese Regelung dem Ausgleich von Abschlägen bei vorzeitigem Rentenbezug dient, aber nicht für den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge gedacht sind. Hinzu kommt, dass von der Möglichkeit zur Zahlung dieser Ausgleichsbeiträge – wie dies die Regelung auch ausdrücklich besagt (Paragraf 187a Absatz 1a Satz 2 SGB VI) – regelmäßig nur nach Vollendung des 50. Lebensjahres Gebrauch gemacht werden kann und für eine frühere Nutzung ein berechtigtes Interesse im Einzelfall nachgewiesen werden muss. Die Regelung ist schon von daher nicht für Massengeschäfte konzipiert, wie dies bei tariflichen Vereinbarungen regelmäßig der Fall ist. Die DRV sieht das ähnlich. Nach Auffassung des BMAS ist Paragraf 187a SGB VI deshalb keine Alternative zur zusätzlichen Altersvorsorge und schon gar nicht zu Sozialpartnermodellen.“
Und weiter deutlich heißt es vom BMAS zur Soli-Rente Plus:
„Sofern in dem Beitrag zum anderen gefordert wird, das Gesetz zu ändern und freiwillige Zusatzbeiträge in die umlagefinanzierte GRV explizit für eine zusätzliche Altersvorsorge zuzulassen, kann das BMAS das nicht unterstützen. Denn die Gemeinschaft aller Beitragszahler müsste bei dem Ansatz Kapitalmarktrisiken auffangen und dafür einstehen, dass die Zusatzrenten für diejenigen stets in voller Höhe erbracht werden, die sich die freiwilligen Zusatzbeiträge leisten können.“
Berlin klipp und klar
Nun also zur aba-Tagung, die gestern in Berlin gestartet ist und heute noch läuft. Auch hier ist das BMAS um Klarheit nicht verlegen:
„In Teilen der Gewerkschaften wird diskutiert, ob freiwillige Zusatzbeiträge in die GRV nicht der bessere Weg als SPM wären“, greift BMAS-StS Rolf Schmachtenberg die Debatte auf, doch „fest steht für uns: Die Einzahlung solcher Beiträge in ein umlagefinanziertes System führt zu zahlreichen Friktionen und auch Ungerechtigkeiten“. Und „wenn daran gedacht wird, die zusätzlichen Beiträge einer solchen freiwilligen Zusatzversorgung kapitalgedeckt zu organisieren, sehen wir nicht, warum das die bessere Alternative zu sozialpartnerschaftlich organisierten Systemen sein soll“, so der Spitzenbeamte abschließend.
Wider die Trittbrettfahrerei
Und Schmachtenberg legt in der Diskussion auf der aba-Tagung nach seinem Vortrag noch nach. Das Modell freiwilliger Zusatzbeiträge klinge im ersten Moment sympathisch, doch sinnvoll sei es bei näherem Nachdenken eben doch nicht. Wer Teile der Versicherten privilegiere, gebe ein Zahlungsversprechen, das ohne zusätzliche Kapitalrücklagen das gesamte Pflichtversicherten-Kollektiv als Garantiegeber heranziehen würde. Unterm Strich verführe die Idee zum „Trittbrettfahren“ im Umlageverfahren.
Auf Nachfrage äußert sich auch die in der Frage der freiwilligen Zusatzbeiträgen zurückhaltende DRV-Präsidentin Gundula Roßbach im Kielwasser des BMAS doch noch zu der Causa. „Mehr Sonderzahlungen wären eine Systemumkehr“, macht auch die DRV-Chefin ihre grundsätzliche Ablehnung deutlich. Eine Vermengung von Zulage und Freiwilligkeit sei in einem Pflichtsystem nur sehr schwierig zu verkraften. „Es wäre beitragssatzrelevant und damit eine enorme Herausforderung, zumal eine grundlegende gesetzliche Änderung nötig wäre“, so Roßbach weiter.
Haare und Berge und nichts zu suchen
Die Kritik am Vorschlag der IG Metall-Führungsspitze setzt sich auch auf der aba-Tagung auch im „Bericht zur Lage“ fort. „Und dann werden noch Stimmen laut, die eine Ausweitung der Möglichkeiten fordern, mit freiwilligen Zusatzbeiträgen in die GRV das Rentenkonto aufzubessern. Da stehen einem die Haare zu Berge“, sagt Georg Thurnes. „In einem obligatorischen Umlageverfahren haben freiwillige Beiträge nichts, aber auch gar nichts zu suchen“, so der aba-Vorstandsvorsitzende weiter.
Thurnesens Begründung: „Einer negativen Risikoselektion und der Nutzung von individuell günstigen, aber kollektiv nachteilig wirkenden Gestaltungsmöglichkeiten würde so Vorschub geleistet.“ Das habe man in den letzten Jahren schon im Zusammenhang mit § 187a SGB VI gesehen. „Wer hat denn angesichts unattraktiver anderer Anlagemöglichkeiten möglicherweise zu erwartende Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente zurückgekauft?“, fragt Thurnes rhetorisch. Und gibt gleich selber die Antwort: „Sicher nicht der immer wieder angeführte Dachdecker, der kaum bis zur Regelaltersgrenze arbeiten wird.“
Besonders bedauerlich sei, dass solche kontraproduktiven Überlegungen in der Metallbranche ein nahezu startbereites Sozialpartnermodell ausgebremst haben. „Das ist fatal“, so Thurnes. Systemgerechter sei es, die Möglichkeiten der bAV zu nutzen. Die biete eine attraktive, rentable und verwaltungskostengünstige Zusatzvorsorge – gerade bei erfolgreicher Implementierung von SPM, ist Thurnes sicher. Wolle man mehr und höhere Betriebsrenten, so führe am Ausbau der rBZ und dem SPM kein Weg vorbei. Auch Nichttarifgebundene müssten Zugang erhalten, Widersprüche im Arbeits- und Aufsichtsrecht gelte es zu beseitigen, appelliert Thurnes an die Politik.
Betreffend Wünsche zum BRSG II und den vermeintlichen Erfüllungsstand im gemeinsamen Gesetzentwurf von BMAS und BMF hat aba-Chef Thurnes schon am Vortag der Jahrestagung das vermeintliche Ergebnis abgeschätzt. Beide Staatssekretäre – der neben Schmachtenberg auch anwesende BMF-StS Florian Toncar – bestätigen auf der Tagung, dass der Gesetzentwurf „steht und zeitnah in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung geht“. Zu weiteren Details der Tagung – insbesondere zur Lage der bAV und zu aktuellen Entwicklungen bei gesetzlicher Rente, bAV und privater Altersvorsorge hier in Kürze mehr.