… weil sie viereinhalb Jahre im Erziehungsurlaub ist: Kein Durchkommen gab es gestern in Erfurt für eine Klägerin, auch in der dritten Instanz nicht, und da half auch kein Verweis auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechtes. Ohne Entgelt keine Wartezeit, das gilt auch nach Systemwechsel – dies ist die Quintessenz im höchstrichterlichen Urteil eines Falles, dessen Wurzeln in dieZeiten der Privatisierung der deutschen Bundespost zurückreichen.
Wenn ein Versorgungssystem, nach welchem Arbeitnehmer für einen Versorgungsanspruch eine bestimmte Anzahl vergüteter Monate bei der Arbeitgeberin gearbeitet haben müssen (Wartezeit), abgelöst wird, dann darf der Tarifvertrag auch für die Einführung einer hierauf bezogenen Besitzstandskomponente unterscheiden, ob die Arbeitnehmer die Wartezeit erfüllt haben oder nicht. Und: Erziehungs- oder Elternzeiten ohne Vergütungsansprüche müssen dabei in die Wartezeit nicht einbezogen werden.

So lautet der der Tenor des gestern ergangenen Urteils 3 AZR 65/24 des Dritten Senats des BAG zu einem Fall aus den Zeiten der alten Deutschen Bundespost. Erneut ein paar Details zu dem Fall in den Worten des Senats:
Damals, in den Neunzigern …
Die Parteien stritten über die Anerkennung von Erziehungszeiten als die Wartezeit erfüllend bei einer tariflichen Besitzstandskomponente. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost, insb. der Versorgungstarifvertrag (VTV) Anwendung.
Im Zuge der Privatisierung der Deutschen Bundespost wurde die bAV durch neue Regelungen abgelöst. Dabei wurde mit Tarifvertrag vom 28. Februar 1997 der VTV mit Ablauf des 30. April 1997 außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig trat zum 1. Mai 1997 ein Tarifvertrag zur Regelung des Besitzstandes aus der bisherigen Zusatzversorgung in Kraft, der eine besondere Besitzstandskomponente regelte.
Voraussetzung für die Komponente war das Erfüllen der fünfjährigen Wartezeit. Hier wurde für die Zeit vor dem 1. Mai 1997 jeder Kalendermonat berücksichtigt, der für den Arbeitnehmer nach der einschlägigen Satzung als Umlagemonat galt. Die Beklagte führte die Umlagen zum Arbeitsentgelt der Klägerin an die Versorgungsanstalt ab, nicht jedoch für die Zeiten ihres Erziehungsurlaubs vom 26. Februar 1992 bis 26. November 1996. Damit erfüllte die Klägerin die fünfjährige Wartezeit vor dem Stichtag 1. Mai 1997 nicht.
Prompt ging die Sache vor Gericht, und die Arbeitnehmerin verlangte, dass die Monate des Erziehungsurlaubs auf Wartezeit angerechnet werden. Ihr Argument: Die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten sei eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, da hauptsächlich Frauen diese in Anspruch genommen hätten.
Die Beklagte sah dies anders: Die Benachteiligung sei zulässig, da durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hätten, und überdies seien die Versicherungszeiten der Klägerin in die neue Altersversorgung mit dem Faktor 1,4 überführt worden. Schon die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.
… und über ein Vierteljahrhundert später
Auch die Revision der Klägerin blieb gestern vor dem Dritten Senat also erfolglos. Dessen Begründung, Zitat:
„Eine mögliche mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts ist jedenfalls gerechtfertigt.“ In der bAV ist es – jedenfalls bei umlagebasierten Systemen, die an vergütungspflichtige Zeiten anknüpfen – zulässig, Monate ohne Entgelt (und damit auch Zeiten des ruhenden Arbeitsverhältnisses wegen Erziehungs- oder Elternzeiten) von der Berücksichtigung auszunehmen, so der Senat weiter.
Und das, so führt der Senat weiter aus, gilt auch bei einem Systemwechsel, wenn die vorher erdienten Zeiten weiter Berücksichtigung finden oder gar – wie hier – höher gewertet werden. Diese Grundsätze sind in der EuGH-Rechtsprechung hinreichend geklärt, so dass es keines Vorabentscheidungsverfahrens bedurfte.
Zu den drei anderen an dem Tag verhandelten Verfahren machte das Gericht bis dato keine Angaben.
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