Wegen der Verzögerung der Veröffentlichung des Entschließungsentwurfes der EP-Ausschüsse zum Renten-Weißbuch der Kommission könnten Abgeordnete eine Verschiebung der Plenumsentscheidung auf Juni verlangen, heißt es in Brüssel.
Seit Donnerstag liegt er nun vor, der komplette Entschließungsentwurf des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales (EMPL) im Europäischen Parlament zum Pensions-Weißbuch der EU-Kommission und damit zur Pensionsfondsrichtlinie (Leiter-bAV.de berichtete). Doch angesichts der verzögerten Veröffentlichung in allen Sprachen meinten Beobachter in Brüssel gegenüber Leiter-bAV.de, dass Abgeordnete diese Woche fordern könnten, die Entschließung des Europäischen Parlamentes auf Juni zu vertagen. Bis dato vorgesehen für die Plenumsentscheidung war die Kalenderwoche 21.
Der in dieser Sache federführende EMPL sowie der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) im Europäischen Parlament hatten im Februar und März ihre endgültigen Stellungnahmen verabschiedet. Die Arbeitsteilung zwischen den Ausschüssen sah vor, dass der ECON sich um die Säulen zwei und drei der Altersversorgung kümmert, wobei Pensionsfondsrichtlinie und Eigenkapitalregime im Vordergrund standen. Der EMPL bearbeitete die erste Säule und die Frage der Portabilität in der zweiten Säule.

Der ECON unter Berichterstatter Thomas Mann hatte am 26. Februar 2013 mit der Mehrheit von 44:1 Stimmen eine Stellungnahme angenommen, die sich kritisch mit dem Ansinnen der Kommission auseinandersetzt, ein zu Solvency II ähnliches System über den Holistic Balance Sheet auch für Einrichtungen der bAV einzuführen. Das Ergebnis zeigt, dass die Fraktionen im EP hinter den im ECON gefundenen Formulierungen stehen; das ist nicht ohne Bedeutung, denn anders als im Bundestag werden Ausschussvorlagen im EP nicht ohne weiteres durchgewunken. Eine überragende Ausschussmehrheit für die Vorlage ist da erfahrungsgemäß hilfreich.
ECON lehnt Solvency-II-Muster ab
Besonders der vom ECON verantwortete Teil des Entschließungsentwurfes zeigt der Kommission mit ihrem Wunsch nach einem risikoorientierten Eigenkapitalregime für die EbAV sichtlich Grenzen auf. Hervor sticht besonders der Satz, in dem der Ausschuss „betont, dass bei einer Weiterentwicklung von Varianten zu Solvency II oder HBS nicht angestrebt werden darf, Vorschriften nach dem Muster von Solvency II einzuführen“ (Nr. 50). Außerdem ist der Ausschuss „in Anbetracht der derzeit verfügbaren Informationen nicht davon überzeugt, dass europaweit einheitliche Anforderungen an Eigenkapital oder Bilanzbewertung angemessen wären und lehnt aus diesem Grund jede dahingehende Überarbeitung der IORP-Richtlinie ab“ (Nr. 46).
Wenig Widerstand bei Portabilität
In Fragen der Portabilität ist der EMPL unter Berichterstatterin Ria Oomen-Ruijten (EVP) nicht auf derartigem Konfrontationskurs zur Kommission wie der ECON. Der Ausschuss „betont, dass es wichtig ist, dass Arbeitnehmer innerhalb oder außerhalb ihres Mitgliedstaats den Arbeitsplatz wechseln können […] und ist der Auffassung, dass neben Sprachbarrieren und familiären Gründen die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt durch lange Erdienungszeiträume oder nicht gerechtfertigte Altersbeschränkungen behindert wird, und fordert die Mitgliedstaaten auf, diese zu senken“ (Nr. 33).
Mit „Erdienungszeiträumen“ sind Unverfallbarkeitsfristen gemeint. Festlegungen gibt es noch nicht, doch auf dem Parkett wird von zwei bis drei Jahren gesprochen.
EMPL federführend, ECON autonom
Offiziell ist der EMPL der federführende der beiden Ausschüsse in der Frage der Kommentierung des Renten-Weißbuchs. Der ECON hat aber nach Artikel 50 der EP-Geschäftsordnung die sogenannte „exklusive Kompetenz“ für die Frage des Eigenkapitalregimes erhalten. Somit darf der EMPL in dieser Frage nicht mitbestimmen, sondern muss die Haltung des ECON ohne Abstrich dem Plenum zur Abstimmung vorlegen.
Der gesamte Entschließungsentwurf findet sich hier. Die IORP-Richtlinie wird in den Ziffern 39-52 behandelt.
Berichterstatter Thomas Mann hat sich in einem in drei Teilen veröffentlichten Interview mit Leiter-bAV.de Anfang April ausführlich zur Haltung des Parlaments bezüglich eines risikobasierten Eigenkapitalregime für die bAV, zu den Strategien der Kommission und den Verhältnissen im Europäischen Rat sowie zu den Gefahren zu weitgehender Portabilität geäußert. Die drei Interviewteile finden sich auf dieser Seite unter dem Menüpunkt „Europa“.
Die Pensionsfondsrichtlinie wird im Mitentscheidungsverfahren verabschiedet, das heißt Rat und Europäisches Parlament müssen sich zwingend einigen, sonst kommt keine Richtlinie zustande.