Nichts ist mit Störung der Geschäftsgrundlage infolge des fatalen Zusammenwirkens von Niedrigzins und Bilanzrecht! Obwohl er die Vokabel von der Störung der Geschäftsgrundlage just erst im Mund geführt hatte, sieht der Dritte Senat des BAG eben eine solche in einem aktuellen Fall nicht vorliegen. Das hat er heute Nachmittag entschieden.

Wie heute Morgen berichtet, wollte ein Ex-Arbeitgeber die Anpassung einer Betriebsrente verweigern, weil er infolge der Explosion seiner Pensionsrückstellungen infolge von Niedrigzins und BilMoG-Regeln eine Störung der Geschäftsgrundlage erkannt haben wollte.
Auf Revision der Witwe des Betriebsrentners hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts dies Ansinnen heute Nachmittag höchstrichterlich abgewiesen, die Revision der Klägerin hatte Erfolg.
Im O-Ton des BAG heißt das zum Fall 3 AZR 64/19:
„Die Änderung von bilanzrechtlichen Bestimmungen rechtfertigt nicht die Anpassung von Versorgungsregelungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage.“
Inhalt der Versorgungszusage ist ungleich Geschäftsgrundlage
Zu den Gründen führt der Senat aus:
„Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Anpassung von Versorgungsregelungen auf die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu stützen. Vorliegend waren die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht erfüllt.
Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, wenn der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut.
Dem steht die Vorstellung einer der Parteien gleich, sofern sie für die andere Partei erkennbar war und nicht von ihr beanstandet wurde.
Die Beklagte hat sich nicht auf solche Vorstellungen berufen, sondern die vermeintliche Verteuerung der Witwenrente auf Umstände gestützt, die – unverändert – Inhalt der Versorgungszusage sind.
Soweit die Beklagte den Anstieg ihrer bilanziellen Rückstellungen aufgrund angeblich wegen der Änderung des Bilanzrechts gestiegener Barwerte angeführt hat, konnte sie damit ebenfalls nicht durchdringen.
Nach der handelsrechtlichen Konzeption handelt es sich bei Rückstellungen im Wesentlichen um ein Instrument der Innenfinanzierung. Dies hat zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn bzw. Verlust eines Unternehmens. Allerdings berechtigt ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahrs nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung.
Denn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage kann nach den gesetzlichen Wertungen des Betriebsrentengesetzes einen Widerruf von Versorgungszusagen begründen. In so einem Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung.“
Der Senat hat heute in einem weiteren Fall der Parteien, der einen nachfolgenden Zeitraum betraf, der Revision der Klägerin aus den gleichen Gründen ebenfalls stattgegeben.
Erstes Fazit von LEITERbAV
Als der Dritte Senat im Mai dieses Jahres in Zusammenhang in dem Verfahren 3 AZR 157/19 zur Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Pensionskassen fast beiläufig den Terminus von der Störung der Geschäftsgrundlage in den Mund nahm, war man geneigt, dies als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen – dergestalt, dass der Senat angesichts des enormen, nicht voraussehbaren Zinsverfalls hier künftig die Rechtssprechung weiterentwickeln könnte.
Doch nun ist klar, dass der Senat zumindest bei Direktzusagen an eine solche Störung der Geschäftsgrundlage, so sie aus dem Zinsverfall mit der Folge explodierender Rückstellungen in Kombination mit geänderten Bilanzierungsregeln resultiert, für Arbeitgeber auch rechtssystematisch hohe Anforderungen stellt.