Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Gegenwart und Zukunft von BOLZ und BZML:

Zwischen Historie und Unmöglichkeit

Die Diskussion um das Garantieniveau, welches Beitragszusage mit Mindestleistung und Beitragsorientierte Leistungszusage halten müssen beziehungsweise sollten, nimmt weiter Fahrt auf. Professor Reinhold Höfer erläutert die Problematik sowie den Stand der Rechtsprechung und bezieht bei beiden Zusagearten Position.

 

 

Schon seit vielen Jahren wird diskutiert, ob der Wert der Versorgungsleistung aus einer Beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ) im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) mindestens die Summe der Beitragszahlungen – abzüglich der Kosten für zuvor gewährten Invaliditäts- und Todesfallschutz – erreichen muss. Diese Beitragsgarantie verlangt das BetAVG bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML; § 1 Abs. 2 Nr. 2).

 

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage noch nicht entschieden. Allerdings hat es in seinem Urteil vom 30. August 2016 festgestellt, dass bei der BOLZ bereits im Zusagezeitpunkt feststehen müsse, welche Mindestleistung aus den Beiträgen gewährt wird (3 AZR 361/15, Randnummer 37). Damit ist höchstrichterlich aber nur geklärt, dass eine Mindestleistung für die in Altersversorgung umgewandelten Beiträge festzulegen ist. Ob sie mindestens die Beitragsgarantie aus der BZML erreichen muss, ist damit noch nicht geurteilt.

 

Die jüngere Literatur

 

Die Literatur geht teilweise davon aus, dass auch für die BOLZ die Beitragsgarantie gelte. Dies wird u.a. mit dem Gesetzeszweck begründet, der speziell für Direktversicherungs-, Pensionskassen- und Pensionsfondszusagen bei der im Jahr 2002 in das Betriebsrentengesetz eingefügten BZML eine Untergrenze für das Verhältnis von Beitrag und Leistung zieht. Zwar fordere das BetrAVG die Beitragsgarantie ausdrücklich nur bei der BZML, aber nach dem Gesetzeszweck erstrecke sie sich auch auf die BOLZ. Die BZML sei das Äußerste, was man dem Versorgungsberechtigten an Leistungsunsicherheit zumuten dürfe. Ein Mindestschutz in der Höhe der Beitragsgarantie sei geboten.

 

Reinecke warnt deshalb die Unternehmen vor der Gewährung von BOLZ, bei denen die Beitragsgarantie nicht mehr 100%, sondern nur noch 80% ausmacht. (Betriebliche Alterversorgung – BetrAV – 2017, S. 391). Zumindest gelte dies für eine bAV aus Entgeltumwandlung, bei der der Arbeitnehmer Teile seines Gehaltes für seine bAV aufwendet (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG).

 

 

Die BZML wurde erst im Jahre 2002 in das Betriebsrentengesetz eingeführt, also drei Jahre nach der gesetzlichen Regelung der BOLZ.“

 

 

Andererseits gibt es Literaturstimmen, die entweder bei der BOLZ eine Mindestleistung von 50% der Beitragssumme für ausreichend halten (Doetsch, BetrAV 2018, S. 342) oder die bei versicherungsförmiger Versorgung letztlich keine an der Beitragssumme orientierte Untergrenze ziehen (Langohr-Plato, BetrAV 2018, S. 445; Hanau/Arteaga, DB 2019, S. 131).

 

BOLZ älter als BZML

 

Die rein wörtliche Auslegung des Begriffes der BOLZ stützt die Auffassung, dass bei ihr die Beitragsgarantie nicht zu gewähren ist. Denn der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 1, der die BOLZ definiert, kennt im Gegensatz zur BZML die Bedingung, dass die Versorgungsleistung mindestens den Wert der Summe der Beiträge erreichen müsse, nicht.

 

Auch die historische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die BZML wurde erst im Jahre 2002 in das Betriebsrentengesetz eingeführt, also drei Jahre nach der gesetzlichen Regelung der BOLZ. Wenn der Gesetzgeber auch für sie eine Leistungsuntergrenze in Höhe der Beitragssumme gewollt hätte, hätte er dies klarstellen müssen, zumal auch damals schon bekannt war, dass zumindest bei Versicherungen mit kurzer Prämienzahlungsdauer der Wert der Versorgungsleistung nicht die Prämiensumme erreichen konnte. Das gilt ungeachtet dessen, dass dies damals noch nicht so ausgeprägt war wie heute, da der Höchstrechnungszins für Versicherungen mit Garantiecharakter 3,25% betrug, während er heute nur noch 0,9% ausmacht und demnächst vermutlich noch weiter abgesenkt wird.

 

Nur für die Versicherungsförmigen?

 

Zudem stellt sich die Frage, ob die Beitragsgarantie für jegliche BOLZ gilt oder nur für versicherungsförmige BOLZ, also nur für Direktversicherungs-, Pensionskassen- und Pensionsfondszusagen. Denn BOLZ können auch mit Hilfe unmittelbarer Versorgungszusagen oder Unterstützungskassenzusagen verwirklicht werden.

 

 

Überdies wird man hilfsweise den Beitragserhalt für unmittelbare Versorgungszusagen und U-Kassenzusagen kaum an den versicherungsförmigen Rechnungsgrundlagen messen können, da sie dort nicht passen.“

 

 

Das Gebot der Beitragsgarantie laut § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG erstreckt sich aber nur auf die versicherungsförmigen Durchführungswege. Es gilt nicht für unmittelbare Versorgungszusagen oder U-Kassenzusagen, mit denen nach überwiegender Meinung keine BZML verwirklicht werden kann, die den Schutz des BetrAVG genießt.

 

Nun wäre es aber inkonsequent, wenn der Gesetzgeber den Beitragserhalt bei BOLZ aus unmittelbaren Versorgungszusagen und U-Kassenzusagen nicht gefordert hätte. Es gäbe hierfür keinen einleuchtenden Grund. Wenn aber bei diesen Durchführungswegen keine Beitragsgarantie verlangt wird, legt dies den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber ihn auch bei versicherungsförmiger Durchführung der BOLZ nicht wollte.

 

Überdies wird man hilfsweise den Beitragserhalt für unmittelbare Versorgungszusagen und U-Kassenzusagen kaum an den versicherungsförmigen Rechnungsgrundlagen messen können, da sie bei unmittelbaren Versorgungszusagen und U-Kassenzusagen nicht passen. Aus diesem Grunde differenziert der Gesetzgeber ja im § 4 Abs. 5 BetrAVG bei der Bemessung des Übertragungswertes zwischen unmittelbaren Versorgungszusagen und U-Kassenzusagen einerseits und versicherungsförmigen Zusagen andererseits.

 

Festzuhalten bleibt, dass mehr dafür spricht, dass bei der BOLZ keine Mindestleistung aus der Beitragssumme abzüglich einer Risikotragung gewährt werden muss. Eine gesetzliche Wertung, dass bei Beitragszusagen generell, also nicht nur bei der BZML, sondern auch bei der BOLZ der Beitragserhalt geboten ist, lässt sich aus dem BetrAVG nicht zwingend ableiten.

 

Die BZML muss an das Niedrigzinsniveau angepasst werden

 

Unabhängig von der zuvor erörterten Problematik stellt sich die grundsätzliche Frage, ob bei versicherungsförmigen Zusagen der bAV die BZML noch ohne Verstoß gegen das Beitragserhaltungsgebot praktizierbar ist.

 

 

Wegen des Niedrigzinsniveaus stellt sich nun heraus, dass der Gesetzgeber Vertragsgeboten festhält, die nicht selten auf eine unmögliche Leistung gerichtet sind.“

 

 

Denn das anhaltend geringe Zinsniveau des Kapitalmarktes in Verbindung mit den vorsichtsgeprägten Vorschriften für die Vermögensanlage der Versorgungsträger reduziert den Zinsertrag für risikofreie Anlagen, die zur Bedeckung der Mindestleistung heranzuziehen sind, weitgehend auf einen Nullzins oder sogar einen Negativzins.

 

Die Bedingung, dass der Wert der Versorgungsleistung mindesten die Beitragssumme erreichen müsse, ist daher häufig nicht mehr erfüllbar (s. hierzu auch das Ergebnis der Arbeitsgruppe „Garantien in der bAV im Niedrigzinsumfeld“ der Deutschen Aktuarvereinigung; LEITERbAV vom 11.März 2021, und den Beitrag von Raulf in BetrAV 2021, S. 8 f.).

 

Denn wegen des Niedrigzinsniveaus stellt sich nun heraus, dass der Gesetzgeber im § 1 Abs. 2 Nr. 2 an Vertragsgeboten festhält, die nicht selten auf eine unmögliche Leistung gerichtet sind. Die Rechtsfolge wäre laut § 275 Abs. 1 BGB, dass der Versorgungsträger hinsichtlich der unmöglichen Leistung nicht erfüllen muss (Teilunmöglichkeit).

 

Allerdings trifft dann den Arbeitgeber hierfür die verschuldensunabhängige Haftung aus § 1 Abs 1 Satz 3 BetrAVG. Dies fördert jedoch kaum die vom Gesetzgeber erwünschte Ausbreitung der betrieblichen Altersversorgung. Der Gesetzgeber muss daher reagieren und die Bedingungen für die BZML adäquat anpassen. Die Reduktion der Leistungsgarantie auf z.B. 80% der Beitragssumme wäre sachgerecht, zumal dadurch die Renditechancen zugunsten des Arbeitnehmers erhöht werden.

 

Der Autor ist Mitverfasser eines Standardkommentars zum Arbeits-, Steuer-, Sozialabgaben-, Bilanz- und IFRS-Recht der betrieblichenAltersversorgung.

 

Von ihm sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

aba-Forum-Steuerrecht (IV):

Nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen

von Professor Reinhold Höfer, 31. Juli 2023

 

Gegenwart und Zukunft von BOLZ und BZML:

Zwischen Historie und Unmöglichkeit

von Professor Reinhold Höfer, 7. April 2021

 

Trennung von Arbeits-, Steuer- und Versicherungsaufsichtsrecht:

Die „Reine Beitragszusage“ über den Pensionsfonds (II)

von Prof. Reinhold Höfer, 15. April 2014

 

Trennung von Arbeits-, Steuer- und Versicherungsaufsichtsrecht:

Die „Reine Beitragszusage“ über den Pensionsfonds (I)

von Prof. Reinhold Höfer, 14. April 2014

 

Diskussion um die entgeltliche Übernahme von Versorgungsverpflichtungen:

Teilwertverfahren statt PUC nicht folgerichtig

von Prof. Reinhold Höfer, 17. April 2013

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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