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#womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (III):

Die Elterngeldfalle

Mutter sein ist schwer, mit bAV noch viel mehr … Dass viele Frauen sich schwerer mit der zusätzlichen Altersversorgung tun, ist bekannt. Dass in diesem Zusammenhang gerne wird vom Gender Pension Gap gesprochen wird, auch. Henriette Meissner betont einen anderen Aspekt.

Henriette Meissner, Stuttgarter.

Das Gender Pension Gap fällt nicht vom Himmel, sondern ist hausgemacht. Ein Grund: Wenn Kinder geplant sind, geht das oft auch mit einer Zäsur im Berufsleben einher. Mutterschutz, Elternzeit, Teilzeit und Zusatzausgaben für das Kind.

Und da gibt es ärgerliche Hürden in der bAV.

Denn leider reduziert die Entgeltumwandlung zugunsten einer Betriebsrente die Höhe des Elterngeldes gemäß § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG (bestätigt durch BSG, Urteil vom 25. Juni 2009, B10 EG 09/08). Zur Berechnung der Höhe des Elterngeldes wird gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG 67% des in den zwölfKalendermonaten vor der Geburt erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit zugrunde legt.

Entgeltumwandlung drückt Elterngeld

Die steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltumwandlung mindert dabei die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld. Denn bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgebenden Einkommens aus Erwerbstätigkeit bleiben die auf der Grundlage einer Entgeltumwandlung erfolgten Beitragszahlungen eines Arbeitgebers unberücksichtigt. Bei Arbeitnehmern gilt als Einkommen der Überschuss der Einnahmen über die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern sowie Sozialabgaben und pauschalen Werbungskosten, § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG.

Hier eine Musterberechnung (Elterngeldrechner des BMFSFJ):

Verheiratet, Bruttolohn in der letzten zwölf Monaten vor der Geburt 3.000 Euro, Stkl.III, keine bAV

versus

mit 200 Euro p.m. Entgeltumwandlung:

Elterngeld ohne bAV: 1.206,32 Euro p.m.

Elterngeld mit bAV: 1.138,20 Euro p.m.

Das ist dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bekannt, und es weist darauf in seinen FAQ zum Elterngeld auch in schönstem Beamtendeutsch hin:

Ich zahle Beiträge in die betriebliche Altersvorsorge ein. Werden diese Beiträge bei der Berechnung des Elterngelds berücksichtigt?

Das hängt davon ab, wie die Beiträge zu Ihrer betrieblichen Altersvorsorge steuerlich eingeordnet werden.

Für das Elterngeld wird nur der Teil Ihres Einkommens berücksichtigt, für den Sie Steuern zahlen müssen. Für die betriebliche Altersvorsorge bedeutet das: Beiträge, die zu versteuern sind, werden bei der Berechnung des Elterngelds berücksichtigt. Beiträge, die steuerfrei sind, werden nicht berücksichtigt.“

Trotz Familie und Frauen im Namen hat offenbar noch keiner so recht über die verheerende Lenkungswirkung dieser Regelung nachgedacht, geschweige an eine Änderung.

Denn Frauen sind klug und recherchieren. Sie werden nicht nur beim BMFSFJ fündig, sondern auch sonst im Internet, wo sich Frauen über Kinderplanung austauschen und das sehr deutlich benennen. Das klare Learning: „Beiträge zur Betriebsrente sind ‚schlecht‘. Sie kosten mich Elterngeld. Am besten weg damit.“

Damit schreckt diese Information entweder gleich von der Entgeltumwandlung ab oder, wenn diese Hürde erst im Laufe der Kinderplanung erkannt wird, stellt man sehr rechtzeitig also deutlich vor dem Anlaufen der 12 Monatsfrist die Versorgung ein.

Kein 15%-Zuschuss, kein Matching

Dabei geht es ja nicht nur um die Entgeltumwandlung, sondern on-top entgeht der künftigen Mutter auch der verpflichtende Arbeitgeberzuschuss nach § 1a (1a) BetrAVG i.H.v. 15% und, wenn es sich um die häufig anzufindenden Matching-Contributions-Systeme handelt, entfällt ohne die Eintrittskarte „Entgeltumwandlung“ der Arbeitgeberanteil, der meist deutlich höher ist als die gesetzliche Pflicht von 15%.

Dieses „Abschneiden“ der bAV bei der Familienplanung wird dann meist während der gesamten Elternzeit und darüber hinaus beibehalten. In der Folge wächst die Versorgungsanwartschaft, wenn überhaupt schon da, nicht weiter an. Frauen sind in der Regel davon deutlich stärker betroffen, da diese häufiger und länger in Elternzeit sind bzw. Elterngeld beziehen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass eine einmal eingestellte Entgeltumwandlung „von selbst“ wieder aufgenommen wird, und wenn überhaupt, in welcher Höhe, da ja jetzt Kinder zu versorgen sind und möglicherweise durch einen Teilzeitjob das Einkommen niedriger ist, ist eher gering.

Denkanstöße

Hier der Autorin Funkspruch an alle, die jetzt gerade in BMAS und BMF über die Förderung der Verbreitung der bAV nachdenken und am 8. März mit gutem Gewissen wieder einmal den Weltfrauentag begehen wollen:

Ändert diese Regelung – und mehr noch verbessert diese Regelung! Der Kinderwunsch darf nicht zum Begräbnis der bAV und zum Entstehen des Gender Pension Gaps führen. Hier einige Denkanstöße:

1. Lasst die Berechnung des Elterngeldes künftig so erfolgen, als wäre keine Entgeltumwandlung vereinbart worden. Dadurch würde die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld künftig nicht mehr durch eine steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltumwandlung zugunsten einer bAV reduziert werden. Dies könnte z.B. erreicht werden, indem eine Ausnahmeregelung in § 2c BEEG aufgenommen wird. Das geht auch beim Insolvenzgeld schon jetzt!

2. Revolution: Gebt den Beziehern von Elterngeld zielgerichtet und zweckgebunden den bisher aufgewendeten Beitrag zur Entgeltumwandlung während dem Bezug des Elterngeldes on-top, damit die Versorgung fortgeführt werden kann und keine Versorgungslücke entsteht.

3. Und noch mehr revolutionäre Gedanken: Gebt einen zweckgebundenen Zuschlag zum Elterngeld in Höhe der arbeitgeberfinanzierten Zuschussleistung, damit der Gender Pension-Gap möglichst gar nicht erfolgt, oder motiviert z.B. durch eine steuerliche Sonderförderung den Arbeitgeber, dass er während der Elternzeit weiter seine Zuschüsse / Matching-Contribution leistet.

Geht nicht, gibt’s nicht.

P.S.: Auch die aba hat dies schon in ihrem Beitrag an das BMAS zum Dialog „Stärkung der Betriebsrente“ angemerkt.

Die Autorin ist Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH, Vorstand der aba und und Mitbegründerin der Initiative #womeninpensions.

Von ihr sind zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

#womeninpensions-Kommentar – mit Wirkung auf die bAV (III):

Die Elterngeldfalle

von Dr. Henriette Meissner, 9. März 2023

 

Neues BMF-Schreiben zur bAV:

Wirkungstreffer in schwieriger Verpackung

von Dr. Henriette Meissner, Stuttgart, 2. Mai 2022

 

Nachruf – in Gedenken an Dr. Birgit Uebelhack:

Eine Dame …

von Dr. Henriette Meissner, Stuttgart, 4. Juni 2021

 

Sperrfeuer – der Kommentar auf LEITERbAV:

Nichts Genaues …

von Dr.Henriette Meissner, 29.September 2020

 

Experten aus der Praxis erörtern an drei Terminen im September die Chancen und Herausforderungen der neuen Betriebsrente:

bAV-Reform: „Der Informationsbedarf ist hoch“

von Dr. Henriette Meissner, 7. August 2017

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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