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Sperrfeuer – der Kommentar auf LEITERbAV:

Dass der Schwanz nicht mit dem Hund wackelt

Die Assekuranz setzt sich für eine Aufweichung des Garantieverbotes im BRSG ein. Als offenkundigen Versuch der Versicherungswirtschaft, den bAV-Markt vom Wettbewerb zu bereinigen, sieht dies Peter Hadasch, und er findet klare Worte.

 

Peter Hadasch, VFPK und Nestlé Deutschland.

Die Debatte um den Garantieverzicht im Betriebsrentenstärkungsgesetz gerät mehr und mehr zu einem Machtkampf, in den sich die Versicherungsindustrie mit großem Lobbydruck verbeißt, um ihre Marktinteressen durchzusetzen. Dabei nimmt sie auch bewusst das Risiko in Kauf, dass die Stärkung der dringend benötigten betrieblichen Altersvorsorge an dieser Frage scheitert.

 

Aus fachlicher Sicht ist die Debatte nicht nachvollziehbar. Der Garantieverzicht ist richtig und muss bleiben. Denn er schafft in der neuen Welt der reinen Beitragszusage gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer und somit Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb auf dem bAV-Markt. Niemand wird gegenüber dem Wettbewerb besser oder schlechter gestellt. Zudem macht der Garantieverzicht den Weg frei für zeitgemäße bAV-Produkte, die den Gegebenheiten auf den Finanzmärkten gerecht werden.

 

 

Ausgerechnet Garantien?!

 

Dass gerade die Lebensversicherer die Forderung nach Garantien mit großem Lobbyaufwand in die politische Debatte werfen, ist schon ein starkes Stück. Denn außerhalb der bAV-Welt ziehen sie sich Schritt für Schritt aus Garantien zurück und übertragen ihre Bestände in Abwicklungsgesellschaften. Michael Fauser, Vorstandsvorsitzender der Ergo Lebensversicherung, wurde in der FAZ vom 8. April mit der Aussage zitiert: „Im jetzigen Kapitalmarktumfeld kosten Garantien viel Geld und fressen Rendite auf“. Mit den renditeschwachen Garantieprodukten sei es nicht mehr möglich, die Versorgungslücke zu schließen. Und erst kürzlich drang in die Öffentlichkeit, dass die Lebensversicherer weitere Rücklagen von 45 auf 196 Milliarden Euro erhöhen müssen, um die vertraglich versprochenen Garantien finanzieren zu können. Dementi seitens der Versicherer habe ich nicht wahrgenommen. Und jetzt wollen wir Arbeitnehmern ernsthaft vermitteln, dass ausgerechnet Garantien die Sicherheit und Rentabilität ihrer Betriebsrente gewährleisten sollen?

 

Nein, der Kampf um die Garantie ist allein den Marktinteressen der Versicherungsindustrie geschuldet. Die bAV wird als Versicherungsmarkt der Zukunft ins Auge gefasst und soll zum exklusiven Geschäftsfeld für die Vertriebe der Lebensversicherungen ausgebaut werden. Die seit mehr als hundert Jahren bewährten Non-Profit-Einrichtungen der Sozialpartner – die Pensionskassen und Pensionsfonds – sollen dabei als potenzielle Anbieter aus dem bAV-Markt gedrängt werden. Denn im Rahmen einer reinen Beitragszusage könnten Garantien nur noch und ausschließlich über Lebensversicherer angeboten werden. Damit würde die bAV erneut Vermittlern und Maklern überlassen werden – nach den Erfahrungen mit der Riester-Reform eine fatale Aussicht zum Schaden der Sparer.

 

 

Bockig und brachial

 

Die vorgetragenen Argumente der Versicherungsindustrie fallen bei einer fachlichen Prüfung rasch in sich zusammen. So hängt die Sicherheit der Leistungen ausschließlich von der Verlässlichkeit der verwendeten Kapitalanlage ab. Hierüber kann bereits heute die BaFin im Rahmen ihrer aufsichtsrechtlichen Tätigkeit ausreichend wachen. Zudem steht allen Durchführungswegen schon heute die Möglichkeit offen, durch Rückdeckungslösungen Leistungen auch in der Rentenphase gewohnt sicher zu gestalten. Und auch in der neuen Welt mit reinen Beitragszusagen ist die Absicherung von Invaliditäts- und Hinterbliebenenrisiken uneingeschränkt möglich.

 

Der Garantieverzicht macht den Weg frei für bAV-Produkte mit höheren Renditechancen. Denn Garantien gibt es nicht zum Nulltarif. Sie kosten Geld und damit Rentenleistung, die Sparern in der Rentenphase fehlt. Die Niedrigzinsphase macht Garantien zusätzlich teurer, da ein hoher Anteil der eingezahlten bAV-Beiträge zur Absicherung in festverzinsliche Anlagen investiert werden muss. Wer auf Garantien verzichtet, kann dagegen einen größeren Teil der eingezahlten Beiträge in Anlagen mit guten Renditechancen investieren.

 

Die Versicherer drücken mit brachialer Wucht ihre Eigeninteressen in die aktuelle bAV-Debatte. Mit ihrem bockig anmutenden Verhalten nehmen sie bewusst das Risiko in Kauf, dass das ganze Gesetzesvorhaben und damit die Stärkung der bAV scheitert. Das ist für ein so wichtiges Thema wie die Rente kein angemessenes Verhalten – und auch kein angemessener Umgang in der politischen Debatte. Der Schwanz darf nicht mit dem Hund wackeln, deshalb darf die Stärkung der bAV nicht den Interessen der Versicherungslobby geopfert werden.

 

Der Autor ist Personalvorstand der Nestlé Deutschland AG sowie Vorsitzender des Vorstands des Vereins der Firmenpensionskassen e.V. (VFPK), der Interessenvertretung der regulierten Pensionskassen mit mehr als 4.200 angeschlossene Trägerunternehmen, über die mehr als 1,2 Millionen Arbeitnehmer und rund 270.000 Rentner bei den Mitgliedskassen versichert sind.

 

Von ihm und anderen Autoren erschienen zwischenzeitlich bereits als Kommentare zur bAV-Reformdebatte auf LEITERbAV:

 

 

Kein dritter Schuss“

von Bernhard Wiesner, seinerzeit Senior VP Corporate Pensions der Bosch Gruppe, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung und Mitglied des bAV-Ausschusses der BDA, 30. Oktober 2014.

 

Paradigmenwechsel mit Folgen“

von Markus Klinger, Leiter des Fachkreises „betriebliche Altersversorgung und Lebensversicherung“ in der Vereinigung der Versicherungs-Betriebswirte e.V. VVB, 23. Februar 2015.

 

Stunde der Wahrheit“

von Bernhard Wiesner, a.a.O., 26. Februar 2015.

 

Evolution oder Revolution?“

von Klaus Mössle, Leiter des institutionellen Geschäfts bei Fidelity Worldwide Investment in Deutschland, 12. März 2015.

 

bAV in der Breite voranbringen”

von Peter Schwark, Mitglied der Geschäftsführung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), 5. März 2015.

 

Falsche Furcht vor dem Kahlschlag. Oder: Warum der VFPK irrt.“

von LbAV-Autor Detlef Pohl, 1. Juni 2015.

 

Warum nicht die Rosinen picken?“

von Marco Arteaga, Rechtsanwalt und Partner bei DLA Piper in Frankfurt am Main, 19. Oktober 2015.

 

Es könnte so einfach sein…“

von Bernhard Wiesner, a.a.O., 19. Februar 2016.

 

Der Staub der Jahrzehnte“

von André Geilenkothen, Principal bei Aon Hewitt in Mülheim an der Ruhr, 14. März 2016.

 

Weiße Salbe und totes Pferd“

von Bernhard Wiesner, a.a.O., 4. April 2016.

 

Entgeltumwandlung 2.0: Insolvenzschutz einmal anders“

von Cornelia Rütters, Juristin, und Andreas Fritz, Vorstand der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft VVaG, Duisburg, 18. August 2016.

 

Wenn der Fahnenträger wankt“

von Bernhard Wiesner, a.a.O., 10. Oktober 2016.

 

Kaisers neue Kleider statt großer Wurf“

von Manfred Hoffmann, Geschäftsführer der Versorgungswerk der Presse GmbH, 6. März 2017.

 

Das Garantieverbot – überzeugend begründet?“

von Peter Schwark, a.a.O., 21. März 2015.

 

Enthaftung oder Totgeburt“

von Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer Südwestmetall – Verband der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie e.V., 30. März 2017.

 

Dass der Schwanz nicht mit dem Hund wackelt“

von Peter Hadasch, Personalvorstand der Nestlé Deutschland AG und Vorsitzender des Vorstands des Vereins der Firmenpensionskassen e.V. (VFPK), 12. April 2017.

 

 

Hinzu treten die Kommentare, die LbAV-Chefredakteur Pascal Bazzazi zu dem Thema verfasst hat:

 

Nicht, dass wir am Ende blank dastehen“

8. Mai 2014.

 

The Great Game“

18. November 2014.

 

The Great Game (II)“

11. Mai 2015.

 

FT Comment – Endet die Reform der bAV im Run-off? Die Ungunst der Verhältnisse“

12. Juli 2016

 

FT Comment – Demografie, Zins und Vola, Regulierung: Surfen im Bermuda-Dreieck“

31. Oktober 2016

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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