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Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Nicht für Deutschland

Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Schon wieder fest in ausländischer Hand? Und das mit der gleichen, alten Headline? Viel Geld, nur damit die Lichter nicht direkt ausgehen. Kleinvieh macht auch Mist. Und ein Bier für läppische acht Euro schockiert niemanden mehr.

 

Die Welt (27. Juli): „‘Aufgabe der EZB ist es nicht, Geldpolitik für Deutschland zu machen’.“

Kassandra findet den Ausstieg aus der Null- und Niedrigzinspolitik bekanntlich grundsätzlich richtig, hält im Gegenteil ihn seit ca. zehn Jahren für dringend überfällig. Dass die EZB der Fed im Kielwasser nun folgt (und sie ist immer im Kielwasser der Fed, man verwechsele mal nicht Koch und Kellner), kann man also nur begrüßen. Nur das Tempo der Zinserhöhungen findet Kassandra seit jeher etwas sehr ambitioniert angesichts der Tatsache, dass man über ein Jahrzehnt, Staatshaushalt, Finanz und Realwirtschaft von dem billigen Geld drogenabhängig gemacht hat. Aber gut, wenn diese drei die schnellen Erhöhungen aushalten, dann sei es so. Und immerhin gestern nur ein kleiner Schritt.

Teil der Wahrheit ist aber auch, dass die EZB beim Tightening noch nicht wirklich weiter gekommen ist. Ein paar Klicks durch die Statistiken genügen.

Richtig ist natürlich, dass die EZB auf Einzelstaaten bei ihrer Zinspolitik keine Rücksicht nehmen darf, soll und kann. Und die Probleme, die Deutschland derzeit hat, sind zum allergrößten Teil offenkundig hausgemacht – wie sich offenbar jeden Tag weiteren Teilen der Bevölkerung erschließt. Insofern zeige hoffentlich niemand der Verantwortlichen in Deutschland mit dem Finger auf die EZB.

Wenn also Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Coba, sich mit der Aussage zitieren lässt, „Aufgabe der EZB ist es nicht, Geldpolitik für Deutschland zu machen“, hat er natürlich grundsätzlich recht. Doch gleichwohl hier die Ergänzung, dass die EZB es seit über zehn Jahren offenbar durchaus für ihre Aufgabe gehalten hat bzw. weiter hält, Geldpolitik für den Club Med zu machen, sie also nationale Partikularinteressen verfolgt und bedient (was vermutlich direkt gegen das Voßkuhle-Urteil des BverfG verstößt). Jedenfalls weicht sie bei QE vom eigenen Kapitalschlüssel ab, v.a. zulasten Deutschlands. Analoges gilt für die billionenschweren Target2-Salden (für Deutschland derzeit ca. 1,2 Bio. Euro).

Nach Meinung Kassandras sollten die Nordstaaten für die Eurozone eine Reform dergestalt durchsetzen, dass beide Effekte rückwirkend zu Gunsten aller hier benachteiligten Staaten ausgeglichen werden. Es geht ja schließlich nur um ein paar Billionen – aber haben und nicht haben, Kleinvieh macht auch Mist. Außerdem gilt für EU/EWU jeden Tag drängender, zu einer standesgemäßen Governance zurückzukommen, will man in der Union weitere Zentrifugalkräfte vermeiden. Und passieren wird natürlich was? Richtig: Gar nichts.

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Stockholm, Soedermalm. Foto: Baz.

Die Welt (27. Juli): Trotz steigender Fahrgastzahl: Deutsche Bahn meldet Gewinnrückgang – und fährt noch unpünktlicher.“

In dem Beitrag ist von einem Betriebsgewinn der Bahn für das 1. HJ von nur noch 331 Mio. Euro die Rede, ein Minus von 62% zum Vorjahr (bilanziell steht wohl eher ein Verlust). Betrüblich, aber 331 Mio. Gewinn klingt ja irgendwie immer noch gut.

Schade nur, dass die Deutsche Bahn Jahr um Jahr einen Steuergeld-Zuschuss von derzeit ca. 17 Mrd. Euro benötigt, nur damit ihre Züge nicht jetzt und sofort und auf der Stelle stehen bleiben (gut, dann kämen sie immerhin nicht mehr zu spät – eben halt gar nicht). Für Nicht-Aktuare: Diese 17 Mrd. sind mehr als das 50Fache des bis jetzt ausgewiesenen Gewinns.

Doch es gibt Trost gleich von zwei Seiten. Erstens: Da die Bahn für das Gesamtjahr gar keinen Gewinn mehr macht, sondern mit einem operativen Verlust von einer Mrd. Euro rechnet, mildert sich das Verhältnis zu dem Steuerzuschuss bald etwas: Statt des 50Fachen des Gewinnes ist es bald nur noch das 17Fache – nur eben halt des Verlustes.

Zweites: Mit der Vermeldung von Minigewinnen bei gleichzeitig xfach höheren Steuerzuschüssen ist die Bahn nicht allein. Ähnliches kennt man von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung – mit dem Unterschied, dass die Steuerzuschüsse dort noch mal fast um den Faktor zehn höher sind. Denn wer mag, kann hier noch die 16 Mrd. Euro p.a. addieren, welche die gKV jedes Jahr braucht, nur damit dort die Lichter nicht direkt ausgehen. Nicht zu vergessen das auch hier zugehörige, wirklich alte Kassandrische Axiom: Das hier sind die guten Jahre.

 

Süddeutsche Zeitung (25. Juli): Der Dax ist fest in ausländischer Hand.“

Der Dax ist fest in ausländischer Hand.“ So titelt die Süddeutsche. An dieser Stelle wird seit Jahren die völlig insuffiziente deutsche Industriepolitik thematisiert, quasi eines der uralten Lieblingsthemen von Kassandra, und auch regelmäßig darauf hingewiesen, dass ein Teil der schönen deutschen Exportüberschüsse statistisch dadurch zustande kommt, dass deutsche Unternehmen ins Ausland verschleudert werden, zuweilen auch feinste Hochtechnologie (KUKA unvergessen).

Besonders absurd wird das ganze, wenn die Käufer aus Volkswirtschaften kommen, die vorher mit deutschen Steuergeld über Wasser gehalten werden mussten (seinerzeitiges Beispiel Spanien).

Neu ist das Thema wahrhaftig nicht, Kassandra hat die Exportproblematik hier z.B. vor 6,5 Jahren eingehend diskutiert, Anlass war damals ein FAZ-Artikel mit einer ganz speziellen Headline, die da lautete:

Der Dax ist fest in ausländischer Hand.“

Surprise, Surprise. Nun, im übrigen gleichen sich die Muster einer solchen Entwicklung nicht selten. Um die Adjektive von Süddeutscher und FAZ weiter zu benutzen: Erst kommen ausländische Märkte, dann ausländische Produktionsstandorte (derzeit wieder allerorten zu beobachten), dann ausländische Investoren, dann Merger mit ausländischen Wettbewerbern, und am Ende steht die Standortverlagerung; zuweilen gar mit einem deutschen De-Listing. Prominentes Beispiel: Linde. Weitere werden folgen, besonders in der deutschen Chemie gibt es hier Kandidaten.

Und immer wieder dabei ein weiteres Kassandrisches Axiom beachten: Für dieses Deutschland gilt: Was einmal weg ist, kommt nicht wieder.

 

Focus (23. Juli): Zentralbank machtlos: Hohe Inflation, günstige Immobilien – Schweden ist plötzlich Europas Problemkind.“

In der deutschen Presse fanden sich jüngst einige Artikel, die eine schwierige ökonomische Lage in Schweden erkannt haben wollen; so sollen sich dort im Norden bspw. Inflation und Rückgang bei den (in der Tat sehr heißen) Immobilienmärkten paaren.

Sommer in Stockholm. Foto: Baz.

Nun, Statistiken sind das eine, konkrete Erscheinungsbilder der realwirtschaftlichen Lage das andere. Jedenfalls hat Kassandra auch diesen Sommer wieder viel Zeit in Stockholm verbracht. Von schlechter Stimmung war da nichts zu spüren, und zumindest in den Schaufenstern der Immobilienmakler lassen sich auch keine relevanten Rückgänge feststellen:

Vor einem Jahr kosteten durchschnittliche Immobilien Downtown Stockholm circa 10.000 Euro pro Quadratmeter (am Rande: in Warnemünde an der Ostsee mittlerweile auch), jetzt sind es vielleicht noch 8.500 bis 9.000. Der Rückgang dürfte im wesentlichen auf die schwache Krone zurückzuführen sein, die seit Mitte 2022 um 10 bis 15% nachgegeben hat.

Ein Kaffee mit einem schwedischen Teilchen schlägt derzeit mit ca. neun Euro zu Buche; das war dort früher auch schon so, und das zahlt man heute in Berlin am Alexanderplatz und sonstwo in Deutschland mehr oder weniger auch.

Alkohol ist traditionell und politisch getrieben teuer in Schweden. Anfang des Jahrhunderts, als der Autor die ersten Male in Schweden weilte, kostete ein 0,3-Bier in Deutschland zwei Euro, in Schweden zehn; 5x teurer, das empfand man damals als schockierend. Nun, heute kostet ein Bier in einer besseren Bar in Berlin vier bis fünf Euro, in Stockholm acht (auch hier wirkt der erwähnte Rückgang der Krone). Erstens schockiert die Differenz nicht mehr, und zweitens kann man an dem Beispiel erahnen, wo die Inflation in den letzten Jahren besonders aggressiv zugeschlagen hat.

Ja, auch im Norden hat man Probleme (allerdings meist welche, die man hier gerne hätte). Wenn man also über Schweden nachdenkt, gibt es ein anderes Thema, das man hier im Auge behalten sollte.

Übrigens: Viel mehr zu den Nordics gibt es in der kommenden Herbst-Ausgabe der Tactical Advantage.

Gedenktafel am Ort des Mordes an MP Olof Palme 1986 auf dem Sveavägen in Stockholm-Norrmalm. Foto: Baz.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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