Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV.
Heute: Stayin‘ alive!
Die Welt (14. Dezember): „Das Beste wäre, wenn man jene Schulden, die bei der EZB liegen, einfach streicht.“
Die Welt (16. Dezember): „Die Ära der endlosen Schulden kennt nur einen radikalen Ausweg.“
QE durch Streichen löschen: Diese Vorschlag ist eine Scheindebatte, die entweder von Naiven, Ahnungslosen oder Interessengeleiteten (z.B. jüngst auch aus Italien) geführt wird.
Denn eine Maßnahme, die bereits längst Fakt ist, muss man nicht mehr fordern.
Warum? Weil die Staatsschulden, die bei der EZB (wie auch den anderen Notenbanken) liegen, ohnehin niemals bedient werden – und das galt von Anfang an. An dem Tag, an dem die Notenbanken sie erworben und in ihren Kellern gelagert haben, war für jeden Denkenden klar, dass sie nie mehr zum Vorschein kommen werden. Ein Schuldenschnitt muss also nicht mehr kommen, denn dieser fand statt (und findet jeden Tag weiter statt) bereits mit dem Ankauf des jeweiligen Sovereigns. Das, was jetzt zaghaft gefordert wird, ist also nur der Versuch, den längst unwiderruflich erfolgten Schuldenschnitt mit Verspätung zu formalisieren.
Richtig ist nur, dass es die Formalisierung eines Tages geben wird, der guten Ordnung halber. Technisch hieße das, dass die Notenbanken die aufgekauften Staatsschulden mit einem einzigen Federstrich entsorgen. Dann wären sie zwar zunächst rein bilanziell überschuldet, doch auch dies ließe sich bei einer Notenbank durch eine simple Sondergesetzgebung leicht sanieren (in diesen Zeiten guckt da ohnehin keiner mehr so genau hin). Die technisch elegantere (und daher wahrscheinlichere) Vorgehensweise ist, dass die Staaten die fälligen Anleihen mit hundertjährigen Methusalems zum Nullzins refinanzieren, die dann von der Notenbank neu eingelagert werden. Das Ergebnis ist bei beiden Vorgehensweisen faktisch das gleiche: QE ist und bleibt für die Staaten geschenktes Geld, QE-finanzierte Staatsschulden sind praktisch keine Staatsschulden, und eine Refinanzierung ist nur eine Formalisierung eines längst erfolgten Schuldenschnitts.
Übrigens könnten die Staaten ohne weiteres auch Zinsen auf die neuen Anleihen, mit denen sie die alten refinanzieren werden, zahlen; das würde sich auch in der Bilanz der EZB besser machen. Im Endergebnis wäre die Zinslast für die Staaten ohne Bedeutung, denn die Notenbankgewinne stehen ohnehin ihnen zu, sie zahlten den Zins also mittelbar an sich selbst.
Aber Obacht! Das ist lediglich eine geldpolitisch-formale Exit-Strategie aus der QE-Geldschwemme. Für die Staaten und Realwirtschaft, die jeden Tag von dem billigen Geld drogenabhängiger werden, existiert eine solch einfache Lösung nicht. Dort steigt die Fallhöhe ständig weiter (dazu u. mehr).
Neu ist das alles also nicht, zumindest nicht auf dem Parkett des deutschen Pensionswesens. Kassandra schrieb schon vor sage und schreibe rund einer Dekade (2011 in der dpn), als die westlichen Notenbanken mit ersten, damals noch zaghaften Käufen von Sovereigns begannen:
„Nun kann man anführen, dass die Schulden durch QE ja nicht verschwinden, sondern weiter bedient werden müssen. Richtig, doch über den Notenbankgewinn zahlt die Regierung die Zinsen an sich selbst. Die Schulden sind auf dem Papier zwar noch da, in der Realität aber ohne Belastung für den Staat und müssen nur bei Fälligkeit durch neue Papiere refinanziert werden, die unmittelbar wieder die Notenbank abnimmt […] Fest steht, dass das, was da in den Kellern der EZB, der Bank of England, besonders aber der Fed lagert, nie wieder das Licht der Welt erblicken wird. Fazit: Weltweit gibt es noch kein einziges Endlager für Atommüll. Für Staatsanleihen schon. […] Es gibt faktisch keinen Akteur im System, dessen Interessen QE zuwiderläuft […] Der EZB wird keine Wahl bleiben, als dem US-Beispiel zu folgen und die Staatsschulden zu monetarisieren […] In einem ersten Schritt wird die EZB mit einem QE 2.0 wohl 500 Milliarden Euro Staatsschulden verschwinden lassen. QE 3.0 bis 5.0. folgen.“
Wie gesagt, 2011. Das hat analytisch nach zehn Jahren nichts an Gültigkeit verloren. Seitdem wurde der Autor auf dieser Plattform nicht müde, immer wieder zu betonen, dass QE geschenktes Geld ist, also nichts anderes als Staatsfinanzierung (dazu u. mehr).
Oder hat es etwa unter den LbAV-Leserinnen und Lesern auch nur einen gegeben, der ernsthaft geglaubt hat, dass Staaten wie Portugal, Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich etc. (und am Ende auch Deutschland) die durch QE „entsorgten“ Schulden tatsächlich eines Tages mit „echtem“ Geld zurückzahlen werden? Das anzunehmen wäre gefährlich naiv.
Wie dem auch sei, die Möglichkeit, unbeschadet aus der Politik des billigen Geldes – umgesetzt durch Null Prozent Hauptrefinanzierungssatz und negative Einlagenfazilität, 1-Billionen-Bazooka, zig Milliarden QE-Käufen von Govies und Corporates jeden Monat, 500-Milliarden-schwerem ANFA-Aufkäufen und nun auch noch diverse Corona-Programme – auszusteigen, besteht längst nicht mehr. Die Kapitalmärkte und vor allen Dingen schon lange auch die Realwirtschaft (man werfe nur einen Blick auf die niedrigen Renditen der Corporates von angeschlagenen Unternehmen, die sich viel zu billig refinanzieren können) sind längst drogenabhängig von diesem billigen Geld, vor allem infolge Verfestigung und Neuanimation unwirtschaftlicher Strukturen. Daher kommen die Notenbanken aus der selbstgestellten Falle nicht mehr ohne weiteres heraus. Die Zahnpasta ist aus der Tube – und da bleibt sie auch. Denn wer über Geldschwemme und Niedrigzins die Krise verhindert, verhindert die Korrektur finanzwirtschaftlicher und mittelbar auch realwirtschaftlicher Fehlallokationen – mit dem Ergebnis, dass vor allem besagte Fallhöhe steigt.
Dass es derzeit gleichwohl noch nicht zu massiver Verbraucherpreisinflation gekommen ist, sollte man nicht als Entwarnung missverstehen. Denn da Govies immer noch Güter nah am Cash-Status sind, ist die Begebung einer Staatsanleihe im Prinzip eine Art Geldschöpfung der Staaten an ihren Notenbanken vorbei. Der inflationäre Effekt entstand also am Tag der Begebung der Anleihe und nicht erst dann, wenn die Notenbank diese mit selbstgedrucktem Zentralbankgeld vom Markt nimmt, also praktisch nur weißes Papier gegen buntes tauscht. Eine entsprechend weit betrachtete Geldmenge („M-Kassandra“) bleibt also durch QE im Prinzip konstant.
Inflation gibt es hier nur als die sozial besonders kritische Asset Inflation (Aktien, Bonds, Real Estate etc.). Außerdem hindern Regularien wie Basel III die Geschäftsbanken daran, das neue Zentralbankgeld zu M3 aufzupumpen, und man müsste als Notenbanker schon auf den Kopf gefallen sein, diese geldpolitische Lücke nicht mit eigenem Geld zu schließen und damit echte „Politik” zu machen – doch wer es zu weit treibt, wird eben irgendwann Gefangener des eigenen Handelns.
Nun kann man einwenden, dass es ja seit 2008 gar keine Alternative zu QE gegeben habe („alternativlos“ sozusagen), um der Krise Herr zu werden. Der Autor ist anderer Meinung, doch darüber kann man streiten. Fest steht aber: Voraussetzung für das Gelingen der QE-Strategie im Sinne einer nachhaltigen Krisenbewältigung wäre allerdings gewesen, dass die Staaten die QE-basierte Unterstützung der Notenbanken und den verbundenen Zeitgewinn genutzt hätten, die realwirtschaftlichen Verwerfungen, die sie mit ihren Schuldenorgien vor allem in ihren öffentlichen Diensten geschaffen hatten (Stichwort: Der Staat kauft sich seine Wähler) auch nachhaltig zu sanieren. Doch stattdessen war und ist in der EU das Gegenteil der Fall: Den Fehlanreizen des mit dem QE verbundenen Niedrigzinses wird hemmungslos weiter freien Lauf gelassen – und viel kosmetisch reguliert. Damit hat die EZB seit zig Jahren alle Grenzen überschritten, denn sie entschuldet die Staaten nicht nur, sondern finanziert längst ihren Schlendrian. Sie verschafft den Staaten also keine Spielräume für nötige Reformen, sondern kauft für immer mehr Geld immer weniger Zeit, und diese Entwicklung nimmt nun nach den Corona-Verwerfungen weiter Fahrt auf, und zwar dynamisch.
Das Ziel der EZB – weder unter Draghi, noch unter Lagarde – war es dabei nie, eine Deflation zu verhindern oder die Kreditvergabe anzukurbeln; vorgeschobene Argumente für die Massenmedien. Ihr einziges Ziel: dass in den Krisenstaaten und deren Bankenlandschaften im Wesentlichen so weitergemacht werden kann wie seit jeher, koste es, was es wolle. Das wenigstens hat sie erreicht.
Kassandra beunkt seit über einem halben Jahrzehnt, dass Euroland auf all die Herausforderungen seiner prekären Geolage (zu der Drogenabhängigkeit der Wirtschaften von dem billigen Geld treten u.a. zahlreiche Failed States vor der Haustür, der nahöstliche Krisenbogen, Ukrainekonflikt, Griechenland- und Eurokrise, Separatismus und europäische Zentrifugalkräfte, Brexit, russisch-türkischer Gegensatz, Migrationsdruck, Terrorgefahr…) keine einzige strategische Antwort hat außer der des billigen Geldes – und dass deshalb die Zinsen noch viele, viele Jahre niedrig bleiben werden. Mit der Corona-Pandemie samt Lockdowns tritt nun ein weiterer Faktor hinzu, der offenkundig dieses Szenario gleichermaßen zementiert wie beschleunigt. Und ausgerechnet in dieser katastrophalen Gemengelage soll hier irgendwann der ohnehin schwierige Entzug der Staatshaushalte und Volkswirtschaften vom Niedrigzins beginnen samt Rückzahlung der QE-Schulden? Die Vorstellung ist lächerlich, und sie ist es seit 2011.
Fakt ist: Eine Notenbank, die keine Exit-Strategie hat, hat keine Exit-Strategie – und kennt daher nur das Weiter so. Denn stiegen die Zinsen nur einen Deut, flöge ganz Euroland den Verantwortlichen unmittelbar um die Ohren, und zwar auf allen Politikfeldern. Das Dumme an der Sache: Wenn die Zinsen niedrig bleiben, tut es dies auch – nur später.
Und Deutschland? In dem oben verlinkten Welt-Artikel vom 16. Dezember heißt es:
„Dabei steht Deutschland im europäischen Vergleich sogar noch gut da.“
Das ist nur sehr eingeschränkt richtig, und schon sehr lange sehr eingeschränkt.
Nochmal Kassandra in der dpn des Jahres 2011:
„Jeder Institutionelle weiß, dass am Ende selbst Musterknabe Deutschland seine Schulden niemals zurückzahlen, sondern bestenfalls immer wieder wird refinanzieren können. Liegt die offizielle Staatsverschuldung aller Haushalte des teutonischen Super-Pigs bei knapp zwei Billionen Euro, sind es bei Einbeziehung der weitestgehend ungedeckten Pensionslasten gut sieben Billionen.“
Und selbst kleine Besserstellungen bei manchen Kernziffern gegenüber den südeuropäischen Pleitestaaten erkaufen sich die Deutschen zu einem ungebührlich hohen Preis: Sie erdulden klaglos die höchste Steuer- und Abgabenlast der Welt, belegen auch beim Renteneintrittsalter Spitzenplätze, aber stellen sich bei Rentenhöhe und Privatvermögen regelmäßig hinten an. Das hindert sie nicht, gleichzeitig über diverse Rettungsschirme und Wiederaufbauprogramme sowie Abweichungen vom Capital Key und Target-2 mehrere Billionen Euro systematisch nach Süd- und Osteuropa umzuverteilen. Deutschland hat in dieser Krise vornehmlich die Rolle des Zahlers übernommen, sich dafür aber auch die des besserwisserischen Schulmeisters ausbedungen – eine ökonomisch wie diplomatisch denkbar schlechte Kombination.
Kurz: Während die südeuropäischen Staaten bei der „Lösung“ (besser: Konservierung) der Krise also vor allem auf Transferleistungen aus v.a. Deutschland sowie auf die Kombi Inflation/Notenpresse setzen und dabei direkte Belastungen ihrer Bevölkerungen und Wähler zu vermeiden suchen, wollen die Deutschen immer noch krampfhaft an einem Rest an Ordnungspolitik festhalten, wo es schon längst keine mehr gibt.
Zwischenfazit: Es gibt kein Rezept, realwirtschaftliche Probleme zu lösen außer auf der realwirtschaftlichen Ebene. Für einen ökonomischen Großraum wie die Europäische Union wird es sich auf Dauer als katastrophal herausstellen, ihr Geldsystem auf Finanzalchemie gegründet zu haben.
Abgerechnet wird, wenn eines Tages die Zinsen ungeplant steigen sollten. Denn dann sind die Instrumente der Notenbanken stumpf und die Staaten schnell am Ende. Denn wenn hier Dynamik reinkommt, werden die Notenbanken bald sehr schnell immer größere Summen an frischegedrucktem Geld in die Hand nehmen müssen, wollen sie nicht die Implosion der Staatshaushalte riskieren, und je größere Summen sie in die Hand nehmen, desto größer wird die Dynamik und so weiter und so fort…
Wirtschaftswoche (10. Dezember): „Wie kommen Sie bloß aus dieser Sackgasse, Frau Lagarde?!“
Seit dem QE-Start der EZB hat Kassandra gebetsmühlenartig darauf hingewiesen, dass Deutschland (wenn es schon die ordnungspolitisch falsche und fatale Gelddruckpolitik nicht verhindern kann oder will) peinlich genau darauf achten soll, dass die EZB beim Kauf den Capital Key einhält, da es sich bei QE um geschenktes Geld handelt (da die Staaten diese Schulden wie erläutert niemals tilgen, sondern höchstens refinanzieren werden, s.o.).
Dann kam das QE-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, mit dem der mutige Präsident Andreas Voßkuhle der Bundesbank praktisch untersagte, bei der Abweichung der EZB vom Capital Key mitzutun. Kassandra hatte das Urteil in Teilen nicht nur vorweggenommen und erstanalysiert (s. hier und hier), sondern auch seine praktisch vollständige Nichtbefolgung prognostiziert.
Und eben diese Nichtbefolgung ist nun gut dokumentiert, dank der WiWo, die dies auf Daten des hellwachen ZEW Mannheim unternimmt. Die vom BVerfG untersagte, fortgesetzte Abweichung vom Capital Key stellt sich so dar, Zitat WiWo:
„So kaufte die EZB zwischen März und September in diesem Jahr 25 Prozent mehr italienische Staatsanleihen, als es dem Anteil des Landes am Eigenkapital der EZB entspricht.“
Für Spanien dokumentieren ZEW und WiWo eine Übergewichtung von elf Prozent, für Belgien sieben, für Frankreich drei Prozent. Bei dem QE-Programm PSPP (das seinerzeit explizit Gegenstand in Karlsruhe war), sind die Übergewichtungen der Südstaaten laut ZEW und WIWO noch größer: die italienischer Sovereigns bei 45 Prozent, die französischer bei 48 Prozent. Konsequenterweise sind Bunds im PSPP um 46 Prozent untergewichtet.
Nochmal: QE ist geschenktes Geld, Staatsfinanzierung par excellence und tritt zu den anderen Nord-Süd-Transferleistungen wie Target-2, ANFA, ESM, Rettungsschirmen und jetzt Corona-Wiederaufbauprogrammen hinzu. Aus allen Töpfen bedienen sich die Südstaaten hemmungslos und mit ständig steigender Dynamik – zuweilen ohne sogar zu wissen, was sie mit dem ganzen Geld überhaupt sollen (wie es jüngst aus Italien berichtet wurde). Zur Bewältigung der Lage werden bei dem bankrotten Schein-Musterschüler Deutschland dann beizeiten, vermutlich ab 2022, Steuer- und Abgabenerhöhungen, steigendes Renteneintrittsalter und niedrigere Renten beschlossen werden. Um das zu ahnen, dazu muss man kein Prophet sein. Und auch keiner, um zu wissen, dass genau dies im ClubMed nicht oder nicht signifikant geben wird.
Aber wie geht es denn nun insgesamt weiter? Auch die WiWo spricht ja von einer Sackgasse.
Denn am Ende gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder bleiben die Zinsen für alle Ewigkeiten niedrig, um so die von der EZB zementierten und neu induzierten Fehlallokationen ständig neu zu refinanzieren – wohl eine völlig irreale Vorstellung. Oder die zweite Möglichkeit: Früher oder später müssen die Zinsen steigen. Dann jedoch werden die über Jahre aufgetürmten öffentlichen und privaten Fehlallokationen reihenweise insolvent werden – mit allen realwirtschaftlichen Folgen. Was man in Brüssel und den europäischen Hauptstädten verweigert, ist die Erkenntnis, dass die Krise in einer modernen Volkswirtschaft nicht Teil des Problems, sondern Teil der Genesung ist – eben um durch zu billiges Geld angeregte Fehlallokationen wieder zu entfernen. Je länger man diese Einsicht in Europa unterbindet, um so stärker wird sich die unterdrückte Krise daher eines Tages durchsetzen. Wie gesagt, abgerechnet wird, wenn die Zinsen ungeplant steigen.
Was tun also?
Die USA haben aufgrund ihrer privilegierten geopolitischen Lage, ihrer Wirtschaftskraft, ihrer geschickten Industrie- und halbwegs passablen Ordnungspolitik wohl als einziger Akteur die Möglichkeit, auf zwar turbulente, aber halbwegs konventionelle Weise aus der Politik des billigen Geldes auszusteigen. Die von ihrer FED per QE konservierten Staatsschulden werden zwar auch die USA nie und nimmermehr mit echten Dollars zurückzahlen, doch eine schrittweise Zinsanhebung als Rückkehr zur Normalität ist zumindest grundsätzlich vorstellbar.
Dieser konventionelle Weg dürfte Euroland versperrt sein. Angesichts der geschilderten fiskalischen, realwirtschaftlichen und geopolitischen Lage kann Euroland nach wie vor keinen Deut höhere Zinsen verkraften.
Das Streichen der Schulden, dass nun in fachfremden Massenmendien zu diskutieren begonnen wird, ist aber nicht nur wie erläutert ohnehin unausweichlich bzw. nur noch eine Formalität, und das von Anfang an, sondern auch ein kleiner Teil einer integrierten Exit-Strategie, und zwar der einzig möglichen.
Das zentrale Element einer möglichen Stabilisierungs- und Exit-Strategie für Euroland heißt aber Aufkauf von Real Assets durch die Notenbank, denn nur mit Hilfe dieser kann die Notenbank die Geldmenge eines Tages auch wieder ernsthaft und systematisch verkleinern (ordnungspolitisch zwar ebenfalls katastrophal, aber das sind in diesen Zeiten nur noch randständige Fragen). Törichterweise verweigert sich die EZB weiterhin des direkten Aufkaufs von Real Assets – obwohl das in Zeiten von Corona noch drängender geworden ist – und vertraut weiter auf ihre eindimensionale Primitivität der ständig dynamischeren Staatsfinanzierung.
Wenn hier heute eingangs mit Rückblicken gearbeitet worden ist, dann kann dies auch am Ende erfolgen. En detail hat Kassandra schon vor 3,5 Jahren ein Szenario vorgeschlagen, dass sich mit einer Real-Asset-gestützten Exit-Strategie für Europa befasst – und es ist weiter das einzig überhaupt denkbare, das in dieser Lage noch irgendeine Stabilität für die Zukunft verspricht. Dann hat der Wahnsinn wenigstens Methode.
Alternativ geht der Krug weiter zum Brunnen, bis er bricht. Nur wann?
Diesbezüglich sei daran erinnert, dass politische Systeme wie auch Geldsysteme viel länger stabil sind, als man angesichts der sichtbaren Krisensymptome denkt. Vor allem stellt die EZB-QE-Entschuldung zunächst einmal eine starkes Momentum der Stabilisierung dar, denn wie erläutert sind die Verschuldungsquoten der Euroland-Staaten viel geringer als offiziell ausgewiesen (geschenktes Geld sind keine Schulden. Die Sackgässigkeit der QE-Strategie resultiert nicht aus der Entschuldung der Staaten, sondern daraus, dass Realwirtschaft und v.a. Staaten exponentiell drogenabhängiger von dem frischen QE-Geld werden, ohne sich nachhaltig aufzustellen; Stichwort Fallhöhe). Aber: Wenn Systeme dann schließlich kollabieren, dann ist es eine Frage von Wochen, vielleicht von Tagen. Schleichend wird er jedenfalls nicht den Weg alles Irdischen gehen, der Euro.
Mit dieser Presseschau beendet LEITERbAV die Berichterstattung des tristen Jahres 2020. Allen Leserinnen und Lesern und ihren Familien sei ein frohes Fest, ein guter Rutsch und ein besseres 2021 gewünscht. Stayin‘ alive.