Wer die andauernde Notenbankpolitik des billigen Geldes unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten kritisiert, liegt richtig. Wer glaubt, dass es hiervon keine Exit-Strategie gebe, könnte aber zu kurz denken. Denn das Spiel aufs Ganze kann am Ende aufgehen, konstatiert Pascal Bazzazi.
Euroland heute: Nach rund zehn Jahren amtlichen Gelddruckens mit null Prozent Hauptrefinanzierungssatz und negativer Einlagenfazilität, 1-Billionen-Bazooka, 60 bis 80 Milliarden QE-Käufen von Govies und Corporates pro Monat, 500-Milliarden-schweren ANFA-Aufkäufen et cetera, also nach rund zehn Jahren, die man damit zugebracht hat, den Alkoholiker mit Schnaps zu kurieren, wird die Frage nach dem Exit aus dieser Politik drängender.
Angesichts der geopolitischen Gemengelage Europas (Staatsschulden- und Bankenkrise in Südeuropa, bevorstehender demographischer Zusammenbruch, anhaltender Migrationsdruck durch Failed States vor der Haustür, zunehmende Terrorgefahr, innereuropäische Zentrifugalkräfte), auf die man keine einzige strategische Antwort hat außer der des billigen Geldes, scheinen höhere Zinsen in Euroland jedoch schwer vorstellbar.
Keine Exit-Strategie?
Kritik an der geldpolitischen Strategie Eurolands findet man durchaus, allerdings vor allem in alternativen Medien oder in Verlautbarungen des ordnungspolitisch eher soliden Bundesbankchefs Jens Weidmann.
Diese Kritik, wie sie vor allem von der österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre vorgebracht wird – basierend vor allem auf den Grundüberzeugungen von Ludwig v. Mises oder Friedrich August v. Hayek – hat viel für sich, vor allem weil diese Geldpolitik den Schlendrian der Politik belohnt und Reformen eher behindert. Des Weiteren geht sie – hier dann leider etwas gedankensteif – davon aus, dass am Ende via Vertrauensverlust unausweichlich der währungspolitische Zusammenbruch stehen wird. Lediglich die Fallhöhe steige mit dieser Politik, die keinerlei realwirtschaftlichen Fortschritt besonders in den Krisenstaaten bringe, heißt es stets sinngemäß, und irgendwann komme es eben zu diesem Fall; nämlich dann, wenn das Vertrauen in die Währung endgültig aufgebraucht ist.
Auch der Autor hat sich diese Auffassung oft zu eigen gemacht und explizit die Formulierung von der steigenden Fallhöhe gewählt.
Doch, vielleicht schon!
Aber ist denn dieser Zusammenbruch wirklich unausweichlich? In der althergebrachten volkswirtschaftlichen Theorie ja. Doch stellt der Autor hier im Folgenden eine These auf, die er wohl exklusiv haben dürfte.
Stand der Dinge ist: Die Notenbanken kaufen via QE vor allem Staatsanleihen der Staaten ihres Währungsraumes. Das ist offenkundig und unter Fachleuten weitgehend unstrittig Staatsfinanzierung mit der Notenpresse, nicht mehr und nicht weniger.
Anfang Juni ist die dritte Print-Sonderausgabe bAV der dpn in Kooperation mit LEITERbAV erschienen, aus der dieser Kommentar stammt. Der gesamte Beitrag findet sich hier als plain text als auch als auch als pdf zum Download hier:
Darüber hinaus hält der Autor es für sonnenklar, dass die betroffenen Staaten – also vor allem die USA, Japan, die Euroländer – diese schon jetzt fantastischen Summen niemals werden zurückzahlen wollen, können, müssen. Diese Sovereigns werden entweder von den Notenbanken eines Tages mittels eines kleinen, formalen Buchungstricks sang- und klanglos abgeschrieben oder aber – ordnungspolitisch etwas eleganter – durch Hundertjährige zum Nullzins refinanziert (was praktisch keinen Unterschied macht). Damit werden die Staaten zunächst einmal massiv entschuldet. Doch das ist nur das eine. Es gibt zwei weitere Entwicklungen, die selbst in der Fachöffentlichkeit noch nicht ausreichend antizipiert scheinen:
Corporates und Aktien …
Zum einen kaufen die Notenbanken bekanntlich mittlerweile auch Corporates. Hier ist das mit dem Abschreiben oder Refinanzieren nicht mehr so einfach, muss und soll es aber auch nicht sein. Die Summen sind in ihrer Gesamtheit zwar ebenfalls gigantisch, für das einzelne Unternehmen aber überschaubar. Dass diese Schulden eines Tages bei Fälligkeit von den betroffenen Unternehmen zu begleichen sein werden, dürfte anders als bei den Sovereigns feststehen.
Zum anderen schließlich kauft zumindest die Bank of Japan bereits Aktien (vor allem mittels ETF). Die schweizerische Notenbank verfährt – aus etwas anders gelagerter Interessenlage heraus und mit völlig unnötiger Verspätung – mittlerweile ähnlich. Die EZB (vielleicht auch die FED, falls es in den USA überhaupt noch nötig werden sollte) könnte folgen. Konsequenz: Die Notenbanken akkumulieren mit selbstgedrucktem Geld reale Vermögenswerte in erheblichem Umfang. Den Preis dafür bezahlen alle die, die von der korrespondierenden Asset Inflation nicht profitieren (Cantillon-Effekt).
… machen Staaten reich
Nun muss man beachten, dass Notenbankgewinne den jeweiligen „Trägerstaaten“ zustehen. Ergo ergibt sich für die BoJ und wohl in der Folge auch für die EZB in einigen Jahren das Ergebnis dieser drei Maßnahmen, nämlich dass sie erstens mittels QE ihre Trägerstaaten entschuldet haben, zweitens die Industrie wegen der akkumulierten Corporates tief bei ihnen verschuldet ist und sie drittens über gewaltige Aktienpakete verfügen, die sie jederzeit an den Märkten versilbern können, um den Gewinn (wie auch den aus den Corporates) an die eben frisch entschuldeten Trägerstaaten auszuschütten. Man mache dabei nicht den naiven Fehler zu glauben, dem könnten irgendwelche Bilanzierungsregeln entgegenstehen. Es sind in dieser Krise schon ganz andere Vorschriften, Gesetze und Verträge gebrochen worden als interne Bilanzvorschriften der Notenbanken.
Übrigens: Industriepolitisch könnten die so sagenhaft reich gemachten Staaten die neuen Mittel aus dem Notenbankgewinn nutzen, just diese verschuldete, aber frisch re-privatisierte Industrie mit der Sanierung der nationalen Infrastrukturen – namentlich auch in Deutschland – zu beauftragen; zu tun ist hier auf viele Jahre genug. Man könnte also an die fiskal- und geldpolitische Entschuldung einen realwirtschaftlichen Boom anschließen, der in der Geschichte seinesgleichen suchen dürfte.
Dass die Notenbanken in einer solchen Boomphase ohne weiteres die Zinsen wieder auf gesundes Normalniveau anheben könnten, ist da nur noch eine Fußnote am Rande.
Zutaten für den Zusammenbruch?
Fazit: Wenn Ordnungspolitiker die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse kritisieren, haben sie recht. Das betrifft vor allem die Reformbehinderung als auch die Umverteilungseffekte von unten nach oben, die nur noch mühsam durch politische Kosmetik kaschiert werden können (Beispiel Mietpreisbremse). Wenn sie darüber hinaus den währungspolitischen Zusammenbruch als Folge dieser zügellosen Gelddruckerei prophezeien, denken sie zwar grundsätzlich richtig, aber möglicherweise nicht konsequent zu Ende. Denn fassen wir zusammen: Einerseits via QE weitgehend entschuldete Staaten, dann eine bei der Notenbank verschuldete Industrie, schließlich gigantische Aktienpakete der großen Industrie im Staatseigentum, die sich ohne weiteres privatisieren lassen – sind das die Zutaten, die für gewöhnlich Währungszusammenbrüche auslösen? Nein, das sind sie nicht, im Gegenteil.
So bitter es ordnungspolitisch ist: Das Vabanquespiel, das Mario Draghi und seine Brüder im Geiste besonders in New York und Tokio spielen – es kann am Ende aufgehen. Da weiß man gar nicht, ob man lachen oder weinen soll.