Im Pensionskassenmarkt steigen die Einnahmen kaum noch, wie der BaFin-Jahresbericht 2013 zeigt. Und es dürfte angesichts niedriger Zinsen nicht leichter werden. Leiter-bAV.de fragte bei den industriellen, zumeist regulierten Pensionskassen nach. Und erfuhr wenig.
Prognosen zufolge stieg die Höhe der Beitragseinnahmen aller deutschen Pensionskassen 2013 nur um 2,6 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro. Die vorwiegend von den Arbeitgebern finanzierten Pensionskassen, die zum Teil schon Jahrzehnte bestehen, kommen 2013 auf 3,7 Milliarden Euro Beitragseinnahmen (2012: 3,6 Milliarden Euro).
Leiter-bAV hatte zunächst beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für die Wettbewerbspensionskassen der Lebensversicherer nachgefragt. Dort gab es kräftige Einbrüche im Neugeschäft.
Vor allem das niedrige Zinsniveau belastet die Pensionskassen. Bei sinkenden Zinsen gibt es das Problem, die Garantien zu Lasten der Überschüsse abbilden zu müssen. So müssen die Lebensversicherer bereits seit 2011 eine Zinszusatzreserve aufbauen, um den künftig in geringerem Umfang anfallenden Kapitalerträgen und den unverändert hohen Garantieversprechen Rechnung zu tragen. Gut sechs Milliarden Euro haben sie dafür allein 2013 aufgewendet. Für die LV-Pensionskassen geht der GDV aber noch nicht aus der Deckung. Angesichts der relativ jungen Historie (seit 2002) gebe es im Wesentlichen noch keine Bestände, die verpflichtend eine Zinszusatzreserve verlangen, hieß es seinerzeit auf Nachfrage von Leiter-bAV.
Kassen mit Unterdeckung bleiben im Dunkeln
Verharren die Zinsen weiter auf dem heutigen Niveau, leiden Pensionskassen aufgrund ihres längerfristigen Geschäfts noch stärker als Lebensversicherer. „Anders als Lebensversicherer haben Pensionskassen fast ausschließlich Verträge im Bestand, die die Zahlung lebenslanger Renten an die Versicherten vorsehen“, heißt es bei der BaFin. Kunden von Lebensversicherern wählen dagegen häufig die einmalige Kapitalabfindung bei Vertragsablauf. Bei einigen Pensionskassen musste die BaFin 2013 bekanntlich noch das Bewusstsein schärfen, dass in Zeiten niedriger Kapitalerträge die Stärkung der Sicherheitsmargen Vorrang vor einer Überschussbeteiligung hat.
Namen nannte die BaFin hier ebensowenig wie die der elf beim Stresstest durchgefallenen Kassen.
Aber aba weiß von nichts
Grund genug, bei den regulierten Firmenpensionskassen nachzuhaken. Doch obwohl man auf europäischer Ebene für spezifische Sonderregelungen bei der Regulierung deutscher Einrichtungen der bAV eintritt, sind die Basiszahlen für die Argumentation, dass dieser Sonderweg nötig ist, wenig bis gar nicht bekannt. So wollte Leiter-bAV wissen, wie die Zahlen der regulierten Kassen für 2013 aussehen, wie viele unter den elf 2013 beim Bafin-Stresstest durchgefallenen Kassen denn regulierte Kassen (nach Paragraf 118b Abs. 2 oder 3 VAG) waren und wie viel Zinszusatzreserve die Firmen-, Konzern-, Gruppen- und Tarifvertrags-Pensionskassen seit 2011 gebildet haben, um ihre Garantien zu bedienen. Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der aba – Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, holte sich für die Antworten Unterstützung bei der Fachvereinigung Pensionskassen der aba. Das Ergebnis war ernüchternd: „Auch nach intensiver Recherche kann ich nicht mit den erbetenen Daten dienen. Die aba selbst erhebt derartige Daten nicht bei den Mitgliedern. Wir selbst erstellen keine solchen Statistiken, wir werten nur öffentlich zugängliche Statistiken aus. Leider können wir aber auch nicht mittels offizieller Statistiken (etwa von der Bafin) Antworten finden“, so Stiefermann.
VFPK kennt Zahlen auch nicht
Die Nachfrage beim VFPK – Verband der Firmenpensionskassen gab ebenfalls keinen Aufschluss. „Das sind sehr interessante Fragen, deren Antworten auch mich interessieren würden. Allerdings gibt es kein Meldesystem der Kassen an einen Verband“, antwortete Peter Hadasch, VFPK-Vorstandschef und zugleich Personalvorstand der Nestlé Deutschland AG, die über eine eigene Pensionskasse verfügt. Selbst eine Umfrage bei den Mitgliedskassen des VFPK würde nur einen kleinen Ausschnitt aus dem System wiedergeben, so Hadasch weiter. „Welche Kassen in Schieflagen sind, kann so nicht festgestellt werden“, erklärte der ausgewiesene Marktkenner.
BVV hat längst Reserve für den Zins gebildet
Leiter-bAV.de fragte auch Helmut Aden, Vorstand des BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes aG und zugleich ebenfalls VFPK-Vorstandsmitglied. Der Chefmathematiker von Deutschlands größter Pensionskasse musste zwar auch passen, was die Namen der beim Bafin-Stresstest durchgefallenen Kassen betrifft (außer, dass sein Haus nicht dazugehörte). Aber er bestätigte, dass der BVV in den letzten Jahren „massiv zusätzliche Reserven für den Zins gebildet hat“. Für 2012 betrug die Dotierung 186 Millionen Euro für die Deckungsrückstellung, für 2013 dann nur 76,8 Millionen Euro, was unterhalb des Jahresziels liegt, wie aus dem Geschäftsbericht 2013 hervorgeht. „Für 2014 können wir keine Prognosen abgeben, werden jedoch weiterhin die Zinsreserve stärken“, so der BVV weiter. Den Begriff „Zinszusatzreserve“ vermied der BVV, weil er per Gesetz nur für die Lebensversicherer gilt. Das Gesamtergebnis der Kapitalanlage entwickelte sich im Vergleich zu 2012 vor allem infolge des anhaltenden außerordentlich niedrigen Zinsniveaus um 129,8 Millionen Euro rückläufig – auf nunmehr rund 868 Millionen Euro.
Das Sicherheitsnetz der Pensionskassen
Der Kapitalmarkt, dem die EZB nun einen auf 0,15 Prozent abgesenkten Leitzins verpasst hat, bleibt für Zinsanlagen weiter extrem angespannt. Dies wirft auch ein Schlaglicht auf das Sicherheitsnetz bei regulierten Pensionskassen, die stark auf Festverzinsliche setzen müssen. Zur Erinnerung: Laut Satzungen dürfen regelmäßig Ansprüche gekürzt werden, bei beispielsweise dem BVV Versicherungsverein, „wenn nach Ausschöpfung aller weiteren freien Mittel und des Eigenkapitals eine derartige Kürzung zur Insolvenzvermeidung erforderlich ist. Bei wirtschaftlicher Erholung können dann die Versicherungsansprüche wieder vollständig aufleben“. Schon die aufsichtsbehördliche Genehmigungspflicht der Tarife sorge für die Erfüllbarkeit der Verträge. Wie es darum jedoch konkret bestellt ist, dafür liefern die regulierten Kassen keinen Beleg. Einen gesetzlichen Sicherungsfonds gibt es jedenfalls nicht. Und der PSV springt ebenfalls nicht ein.
Subsidiärhaftung des Arbeitgebers mit Fragezeichen
Bleibt die spannende Frage, was mit der Subsidiärhaftung des Arbeitgebers wird, falls die gewählte Kasse in Schieflage geriete? Die Haftung des Arbeitgebers gemäß Paragraf 1 Absatz 1 Satz 3 BetrAVG bezieht sich zwar grundsätzlich und höchstrichterlich bestätigt auf alle von Pensionskassen erteilten Leistungsversprechen, und die Auswirkung für die Versicherten beschreibt VFPK-Chef Hadasch wie folgt: „Der Arbeitgeber hat die Differenz zu der jeweilig arbeitsrechtlich relevanten Versorgungszusage auszugleichen.“ Ehe es dazu kommt, müssten jedoch alle anderen Regelungen versagt haben. Das Sicherheitsnetz der Nestlé Pensionskasse liest sich laut Satzung so: „Wenn Verlustrücklage und RfB für den Ausgleich eines Fehlbetrags in der versicherungstechnischen Bilanz nicht ausreichen und dieser auch nicht durch Sonderzuwendungen der Arbeitgeber gedeckt wird, sind für die bestehenden Versicherungsverhältnisse die Leistungen herabzusetzen oder die Beiträge zu erhöhen oder beide Maßnahmen gleichzeitig vorzunehmen. Dies setzt den Beschluss der Vertreterversammlung, die Zustimmung der Nestlé Deutschland und die Genehmigung der Aufsichtsbehörde voraus.“
Mit Blick auf den Gesamtmarkt ist hier wenig Konkreteres zu hören, Beispiel BVV: „Uns sind bisher weder im regulierten noch deregulierten Bereich Fälle bezüglich der Vorgehensweise bei Schieflagen bekannt“, teilt Aden mit. Wann zuletzt wie viele Firmen-Pensionskassen Leistungen in welcher Höhe kürzen mussten, ließe sich nicht klären. „Hierzu haben wir keinerlei Informationen“, so der BVV.
Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon vor zwei Jahren entschieden: Arbeitgeber mussten Leistungsherabsetzungen der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) ausgleichen. Damit bestätigte das BAG die persönliche Einstandspflicht des Arbeitgebers für eine von ihm zugesagte Pensionskassenrente (Az.: 3 AZR 408/10).
Mehr zu der Entwicklung findet sich auf LEITERbAV (zwischenzeitlich) hier:
BaFin Jahresbericht 2015 (II):
Mehr Beiträge und weniger Berechtigte bei Pensionsfonds
1. August 2016
Nachlassende Dynamik bei Pensionskassen
29. Juni 2016
Also aktuell keine akute Gefährdungslage?
12. Mai 2016
11. Mai 2016
Von Manndeckung, Umsetzungsdruck und Radikal-MiFIDisierung…
21. Mai 2015
13. Mai 2015
4. August 2014
Regulierte Pensionskassen – was nicht im BaFin-Jahresbericht steht:
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17. Juni 2014
Wettbewerbs-Pensionskassen – was nicht im BaFin-Jahresbericht steht:
Licht und Schatten und Zinszusatzreserve
2. Juni 2014
27. Mai 2014
Pensionskassen: Nonchalance im Angesicht des Niedrigzinses
22. Mai 2014
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