Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Im Gespräch: Sabine Peters

Von Augenmaß, Kämpfen und Mut zur …

… Lücke, von Nutzen und Kosten und keinem Free Lunch, von der abhanden gekommenen Grundidee der Einfachheit, den kommenden Kernaufgaben – und was man erreicht, wenn man es allen recht machen will. Nach zwei Jahrzehnten in der deutschen bAV unternimmt Sabine Peters mit LbAV-Autorin Susanne Jungblut einen Blick – nicht nur – zurück.

Was sich immer wieder bestätigt: Wer in Deutschland wann auch immer in seinem Berufsleben einmal in die Welt der betrieblichen Altersversorgung eintritt, der verbleibt dort meist für viele Jahre, regelmäßig bis zum Schluss. bAV-Akteure, die in den Ruhestand gehen, können also auf viele die bAV prägende Jahre zurückblicken.

Nicht anders Sabine Peters. Die 61Jährige Diplom-Mathematikerin und Spezialistin für Altersversorgung scheidet diesen Sommer aus dem Berufsleben aus – nach 20 Jahren Engagement in der bAV.

Peters war seit Juni 2010 Vorstandsvorsitzende der Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz, einem typischen bAV-Player, der nicht im Rampenlicht steht, aber „im Verborgenen“ die Altersversorgung für rund 30.000 derzeitige und ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Schwesternschaften des DRK sicherstellt. Wie blickt sie auf die Entwicklung der letzten Jahre und den heutigen Status quo?

Sabine Peters, wie haben sich die Themen und Schwerpunkte der bAV im Laufe Ihrer Berufstätigkeit geändert?

Zu Beginn meiner Berufstätigkeit im betrieblichen Pensionswesen stand das Produkt bAV samt seines Nutzens für die Versorgungsberechtigten, aber auch den Arbeitgeber im Mittelpunkt der Produktentwicklung. Heute dagegen stehen ganz klar die Kosten von Garantien und der bAV als Solches im Fokus.

Dies deckt sich mit meiner Beobachtung. Während vor 20 bis 30 Jahren gefragt wurde, was die Kosten einer für die Beschäftigten attraktiven und passenden bAV sind, ist es heute anders herum: Wie kann man für vertretbare und stabile Kosten eine gute bAV auf die Beine stellen? Dazu – nicht nur, aber auch für Pensionskassen – die zunehmende Regulierung …

So ist es. Seit vielen Jahren ist der Trend zu einer verstärkten Regulierung zu beobachten – weg vom Produkt, hin zur Regulierung. Zum Beispiel scheint mir, dass das Solvency II-Regime durch die Hintertür auf die regulierten Pensionskassen übertragen wird. Sicher steht hinter alldem der an sich lobenswerte Gedanke, dass die Mitglieder einer Pensionskasse den gleichen aufsichtsrechtlichen Schutz verdienen wie die bei einem Lebensversicherungsunternehmen versicherten Arbeitnehmer. Dabei war die Grundidee einer firmeneigenen Pensionskasse ja immer die Einfachheit – verbunden mit einer stärkeren Verantwortung des Arbeitgebers. Zumindest von der Einfachheit ist nicht mehr viel übrig geblieben.

 

Sabine Peters PK DRK.

Sabine Peters, Diplom-Mathematikerin

Seit 2010: Vorstandsvorsitzende der Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz VVaG.

Von 2001 bis 2010: Leiterin Produktentwicklung und -management/ Vertriebsunterstützung/ Marktforschung Leben/ bAV/ Invest bei Delta Lloyd Deutschland AG.

Von 2000 bis 2001: Leiterin Produktmanagement bei der Morgen & Morgen GmbH.

Von 1988 bis 2000: verschiedene Positionen bei der Zurich AG, zuletzt Leiterin Produktentwicklung/ -managment Leben/ Kranken.

 

Und die zunehmende Regulierung bringt zudem Kosten mit sich.

Stimmt genau. Bei aller Proportionalität bedeutet Regulierung auch zusätzliche Kosten. Insbesondere kleinere und mittlere Pensionskassen können diese nicht ohne Weiteres stemmen und sind also darauf angewiesen, ihre Effizienz zu steigern. Dies betrifft die internen Prozesse, aber auch Funktionsausgliederungen mit all ihren Vor- und Nachteilen sind zu erwägen. Letzten Endes bedeutet dies für lange Zeit erst einmal eine Beschäftigung mit sich selbst. Und natürlich gehen die höheren Kosten zu Lasten der Überschussbeteiligung. Das Produkt wird auf Dauer also unattraktiver für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

 

Meine Beobachtung ist, dass eine steigende Zahl

Arbeitgeber ihre Pensionskassen heute als

Last ansehen und in den Run off schicken.“

 

Und wie reagieren die Arbeitgeber hierauf?

Meine Beobachtung ist, dass eine steigende Zahl Arbeitgeber ihre Pensionskassen heute als Last ansehen und in den Run off schicken. Sie haben einfach keinen Spaß mehr an diesem Durchführungsweg. Nicht umsonst werden kleinere Pensionskassenbestände immer öfter abgegeben – auch die Pensionskasse vom DRK hat bereits einen Pensionskassenbestand eines fremden Unternehmens übernommen. Dies übrigens nicht zuletzt deshalb, weil wir dadurch Skaleneffekte in unserem Haus erzielen können. Erfolgskritisch bei dieser Transaktion war übrigens, ein gemeinsames Verständnis über die Ausfinanzierung des transferierten Bestandes zum Zeitpunkt der Übertragung zu erzielen.

Aber nicht nur die Regulierung hat es den Pensionskassen in den letzten Jahren schwer gemacht – Stichwort Kapitalmarkt.

Ja. Die ökonomischen Bedingungen, insbesondere der Kapitalmarkt, waren in den letzten Jahren für Pensionskassen eher ungünstig – und sind es auch heute. Vor diesem Hintergrund ist die Erwirtschaftung der Zinsgarantien die Kernherausforderung. Die Pensionskasse vom DRK – und sicherlich nicht nur diese – wird seit Jahren nach folgenden Prioritäten gesteuert: 1. Sicherheit, also Zinsgarantien; 2. Zukunftsfähigkeit, also Stärkung der Verlustrücklage; und erst 3. Erwirtschaftung und Verteilung von Überschüssen. Dies an die Träger und Versorgungsberechtigten zu kommunizieren, ist eine permanente Aufgabe, der ich mich seit ich bei der Kasse bin, verschrieben habe.

Apropos Wertschätzung: Hat sich in Ihren Augen die Wahrnehmung der bAV durch die verschiedenen Akteure – also Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Politik – verändert?

Nicht zuletzt durch die PSV-Pflicht nun auch für Pensionskassenzusagen haben die Arbeitgeber eine Kostensteigerung zu tragen. Sie stellen zunehmend fest, dass es kein Free Lunch ist, sich eine Pensionskasse zu gönnen. Die Arbeitnehmer wiederum schätzen nach wie vor eine zusätzliche Altersversorgung, da es nunmehr Allgemeinwissen ist, dass die gesetzliche Rentenversicherung lediglich eine Basisversorgung darstellt. Und die Politik versucht durch Förderung die Verbreitung der bAV zu steigern. Dabei ist allerdings die typisch deutsche Tendenz, es allen recht machen zu wollen, ein erheblicher Treiber von Komplexität. Und es werden viele Zusatzaufgaben einfach auf die Arbeitgeber abgedrückt. Mut zur Lücke wäre hier hilfreich!

 

Ein kritischer Blick in die Organe der Pensionskassen

kann womöglich das eine oder andere Ereignis verhindern.“

 

Und dann gibt es bei den Pensionskassen noch einen weiteren Akteur: Die BaFin.

Oh ja, das Engagement der BaFin ist seit einigen spektakulären Schieflagen einzelner Pensionskassen merklich angestiegen. Dabei waren einige Schieflagen sicher schon abzusehen. Wir liefern alle seit Jahren viele Daten und Berichte an die BaFin, sodass eine Grundlage für effektive Aufsicht gegeben ist. Aktive Beaufsichtigung finde ich persönlich gut. Auch ein kritischer Blick in die Organe der Pensionskassen kann womöglich das eine oder andere Ereignis verhindern. Jede wirtschaftliche Schieflage oder gar Insolvenz bringt den Durchführungsweg Pensionskasse in Misskredit.

 

Kleine und mittelgroße Kassen, wie auch die

Pensionskasse vom DRK, werden zu kämpfen haben.“

 

Wenn Sie heute ein Fazit ziehen: Wie hat sich die Ausgangssituation für Pensionskassen über die Jahre geändert?

Noch vor 10 Jahren war eine Bilanzsumme von 1 Mrd. Euro die anzustrebende Größe einer Pensionskasse, um gut die aufsichtsrechtlichen Anforderungen bestehen zu können. Heute dürfte sich diese Grenze verdoppelt haben. Kleine und mittelgroße Kassen, wie auch die Pensionskasse vom DRK, werden zu kämpfen haben.

Sabine Peters, PK DRK, und Susanne Jungblut, LbAV, im Juni in Bonn.

Welche Aufgaben stellen sich aus Ihrer Sicht Ihren Nachfolgern bei der Pensionskasse vom DRK oder anderen Kassen ähnlicher Couleur?

Vor allem: Verstärkung der Kosteneffizienz. Aus eigener Kraft wird es für die kleineren Kassen schwer werden, auch wenn durch Bestandsübernahmen Kostenbeiträge generiert werden können.

Die Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz VVaG

Die Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz VVaG hat ihre Anfänge kurz nach dem ersten Weltkrieg. Die Schwesternschaften des DRK haben 1921 eine eigenen Versorgungskasse gegründet. Damit sollten die Schwestern vom Deutschen Roten Kreuz eine Zusatzversorgung für ihren Ruhestand und bei Invalidität erhalten.

Die Pensionskasse war lange Zeit ein kleinerer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und galt nach dem Aufsichtsrecht als Pensionskasse. 1995 erfolgte die Umwandlung des Schwestern-Versicherungsvereins vom Roten Kreuz von einer Pensionskasse in ein Lebensversicherungsunternehmen auf Gegenseitigkeit. 2012 wurde dann der Wechsel von einer Lebensversicherung hin zu einer regulierten Pensionskasse vorgenommen. Dies war damals die erste Pensionskasse, die diesen Schritt vollzogen hat.

Heute hat die regulierte Pensionskasse eine Bilanzsumme von rund 800 Mio. Euro und stellt die betriebliche Altersversorgung von rund 30.000 aktiven und ehemaligen Mitarbeitern der Schwesternschaften des DRK sicher. Dem Vorstand der Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz VVaG gehören Sabine Peters (Sprecherin) und Karin Germann an, Interviewerin und LbAV-Autorin Susanne Jungblut ist Mitglied des Aufsichtsrates der Kasse.

 

Und welche Wünsche haben Sie an die Politik?

Regulierung mit Augenmaß.

Sabine Peters, alles zusammen genommen: Sind Sie froh, die bAV als aktive Akteurin zu verlassen?

Wie es immer so ist: Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge in den Ruhestand. Und für das weinende Auge wird es auch künftig noch das eine oder andere Engagement im Bereich der bAV geben.

Und für das lachende Auge hoffentlich viel freie Zeit für die Dinge des Lebens, die während der letzten Jahre zu kurz gekommen sind!

Genau!

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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