Die Insolvenzsicherung von Pensionskassenzusagen ist noch jung. Doch nach ein bis zwei Jahren kann gegenüber der Öffentlichkeit ein Praxisbericht mit ersten Erkenntnissen erfolgen, auf der Melde- wie auf der Sicherungsseite. Die Zahl der bis dato betroffenen Berechtigten ist fünfstellig. Martin Lätsch erläutert die zuweilen komplexen Verfahren, wobei der Gesetzgeber durchaus Sinn für individuelle Passgenauigkeit gezeigt hat.
Seit 2021 haben Trägerunternehmen bestimmter Pensionskassen ihre insolvenzsicherungspflichtigen Pensionskassenzusagen in die Meldung der Beitragsbemessungsgrundlagen beim PSVaG einzubeziehen. Der gesetzliche Insolvenzschutz über den PSV für diese Zusagen setzte ein Jahr später ein. Somit kann schon berichtet werden: auf der Meldeseite über die praktischen Erfahrungen der letzten beiden Jahre und auf der Sicherungsseite über die ersten Erkenntnisse zur Sicherung von Pensionskassenleistungen nach Insolvenz eines Trägerunternehmens.
Die Praxis der Meldepflicht
Aktuell stehen 133 Pensionskassen unter BaFin-Aufsicht. Nicht alle Pensionskassenzusagen sind von der Insolvenzsicherung über den PSV betroffen. Pensionskassen, deren Leistungen bereits anderweitig gesichert sind, sind von der Insolvenzsicherungspflicht ausgenommen. Das betrifft Pensionskassen, die dem Sicherungsfonds Protektor angehören, die als gemeinsame Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert sind sowie die Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes. Daneben gibt es auch sog. Rückdeckungs-Pensionskassen, die nur Leistungen anderer Versorgungsträger rückdecken.
Von den insgesamt 133 Pensionskassen unter BaFin-Aufsicht sind 89 von der Insolvenzsicherung umfasst. Neben diesen gibt es noch zehn Pensionskassen, die unter Landes- bzw. Stadtaufsicht stehen und die ebenfalls in die Insolvenzsicherung einbezogen sind.
Die Bilanzsumme der Pensionskassen mit PSV-gesicherten Zusagen beträgt 118 Mrd. Euro und damit rd. 60% der Gesamtbilanzsumme von 199 Mrd. Euro der Pensionskassen unter BaFin-Aufsicht. Insgesamt bestehen nach der BaFin-Statistik Zusagen für 2,8 Mio. Anwärter und Rentner bei diesen Pensionskassen.
Von den 100.000 Mitgliedsunternehmen des PSV meldeten 12.000 seit 2021 Pensionskassenzusagen mit einer Beitragsbemessungsgrundlage von 9,1 Mrd. Euro. Das entspricht 2,4% der gesamten Beitragsbemessungsgrundlage im Jahr 2022 von 373 Mrd. Euro. Die Trägerunternehmen meldeten Verpflichtungen für 1,7 Mio. Anwärter und 600.000 Rentner, also insgesamt 2,3 Mio. Personen.
Die Differenz von 500.000 Personen zur Anzahl nach der BaFin-Statistik lässt sich zum Teil durch nicht insolvenzsicherungspflichtige Arbeitgeber (vgl. § 17 Abs. 2 BetrAVG), liquidierte bzw. insolvente Unternehmen oder nicht insolvenzsicherungspflichtige Zusagen erklären. Daneben gibt es auch Trägerunternehmen, die ihre insolvenzsicherungspflichtigen Zusagen noch nicht dem PSV gemeldet haben. Aktuell steht der PSV im Austausch mit den Pensionskassen, um die Differenzen aufzuklären.
Die Beitragserhebung ist für die ersten fünf Jahre des neuen Insolvenzschutzes differenziert geregelt. Der Beitrag nach § 10 BetrAVG musste zum ersten Mal Ende 2022 entrichtet werden. Dies korrespondiert mit dem regulären Insolvenzschutz, der für Sicherungsfälle ab 2022 eingesetzt hat.
Darüber hinaus zahlen Arbeitgeber mit Pensionskassenzusagen nach § 30 Abs. 2 BetrAVG einen weiteren Beitragsteil in Höhe von 9‰ der Beitragsbemessungsgrundlage. Dieser dient der solidarischen Beteiligung der Arbeitgeber an der Aufstockung des beim PSV gebildeten Ausgleichsfonds.
Der Ausgleichsfonds kann in Jahren, in denen sich überdurchschnittlich hohe Beiträge ergeben würden, genutzt werden, um den Beitragssatz zu ermäßigen. Damit die Arbeitgeber nicht überlastet werden, ist der Beitrag zeitlich gestreckt in den fünf Jahren von 2021 bis 2025 zu entrichten. Im Jahr 2021 betrug der Beitrag 3‰ der Beitragsbemessungsgrundlage und in den Folgejahren jeweils 1,5‰. Somit haben die Arbeitgeber mit Pensionskassenzusagen aktuell die Hälfte des Betrages von insgesamt rd. 80 Mio. Euro finanziert.
Praxis der Insolvenzsicherung
Der Gesetzgeber hat auch den Insolvenzschutz zeitlich differenziert geregelt. Für Sicherungsfälle (also Arbeitgeberinsolvenzen), bis zum 31. Dezember 2021 besteht ein Mindestschutz. Mit diesem hat der Gesetzgeber die Vorgaben des EuGH (EuGH 19. Dezember 2019 – C-168/18) zum Insolvenzsicherungsschutz nach Art. 8 der Insolvenzschutzrichtlinie 2008/94/EG umgesetzt. Der reguläre Insolvenzschutz setzte für Sicherungsfälle ab 2022 ein.
Neben der Höhe der Leistung bestehen weitere wesentliche Unterschiede der beiden Sicherungssysteme. Der unionsrechtliche Schutz wird nur auf Antrag der Versorgungsberechtigten und nicht rückwirkend gewährt. Zudem ist er nicht von einer Melde- und Beitragspflicht der Arbeitgeber flankiert.
Ausgangspunkt für eine Leistung des PSVaG ist immer die arbeitsrechtliche Zusage.
Sicherungsfälle bis zum 31. Dezember 2021
Bei einem Sicherungsfall bis zum 31. Dezember 2021 besteht ein Anspruch gegen den PSV, wenn die arbeitsrechtlich zugesagte Leistung um mehr als 50% gekürzt wurde oder wenn das Einkommen aufgrund der Kürzung unter die Armutsgefährdungsschwelle fällt.
Im ersten Fall leistet der PSV den Differenzbetrag, der notwendig ist, um die Leistung bis auf die Hälfte aufzufüllen. Analog gilt das für die Armutsgefährdungsschwelle. Die Obergrenze ist jedoch immer die zugesagte Leistung des Arbeitgebers.
„Eine Sicherung war in keinem Fall erforderlich, da die Voraussetzungen nicht erfüllt waren.“
Die Armutsgefährdungsschwelle beträgt 60% des Median-Äquivalenzeinkommens und ist von der Anzahl der Personen abhängig, die im Haushalt leben. Für einen 1-Personen Haushalt sind es 1.167 Euro und für einen 2-Personen Haushalt 1.750 Euro monatlich. Die Kosten für diese Leistung werden direkt vom Bund aus dem allgemeinen Steueraufkommen übernommen. Hierfür hat der PSV eine Verwaltungsvereinbarung mit dem BMAS abgeschlossen.
Bislang gab es erst eine einstellige Anzahl an Anträgen von Versorgungsberechtigten aus Insolvenzen vor 2022. Eine Sicherung war in keinem Fall erforderlich, da die Voraussetzungen einer Kürzung von über 50% oder eines Absinkens unter die Armutsgefährdungsschwelle nicht erfüllt waren.
Sicherungsfälle ab dem 1. Januar 2022
Bei der Insolvenz eines Trägerunternehmens einer Pensionskasse ab 2022 ermittelt der PSV für jeden Anwärter und Rentner die Höhe der vom PSV gesicherten Leistungen und teilt diese den Versorgungsberechtigten mit. Dafür ist der PSV auf Informationen der Pensionskasse angewiesen.
Wenn es eine Differenz zwischen der arbeitsrechtlichen Höhe der Zusage und der Leistung der Pensionskasse gibt, übernimmt der PSV diese Differenz. Das gilt auch, wenn eine Pensionskasse erst Jahre nach der Insolvenz des Trägerunternehmens Leistungen kürzt.
„Ein gesetzlicher Automatismus des Vermögensübergangs, wie bei U-Kassen, ist bei Pensionskassen nicht vorgesehen.“
Die Systematik der Sicherung wurde für Pensionskassenzusagen abweichend zur bisherigen Systematik geregelt. Ein gesetzlicher Automatismus des Vermögensübergangs, wie bei Unterstützungskassen, ist bei Pensionskassen nicht vorgesehen. Stattdessen startet mit der Insolvenz des Trägerunternehmens ein sehr flexibles und zuweilen komplexes Verfahren.
Nach der Insolvenz des Trägerunternehmens prüft die BaFin, ob das anteilige Vermögen auf den PSV übertragen wird. Falls es übertragen wird, leistet der PSV in Höhe der arbeitsrechtlichen Zusage. Im anderen Fall leistet die Pensionskasse weiter und der PSV ggf. die Differenz zur arbeitsrechtlich zugesagten Höhe. Der PSV hat auch die Möglichkeit, der Pensionskasse Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.
Der Gesetzgeber hat damit Raum für individuelle, passgenaue Lösungen geschaffen.
Ein Prüfkriterium der BaFin bei der Vermögensübertragung ist der Grad der wirtschaftlichen oder organisatorischen Abhängigkeit der Pensionskasse vom insolventen Unternehmen. Wenn der Arbeitgeber bspw. das Verwaltungspersonal der Pensionskasse gestellt hat oder das mit Abstand größte Trägerunternehmen der Pensionskasse war, spricht dies für eine Vermögensübertragung auf den PSV.
Im Jahr 2022 sowie im ersten Quartal 2023 waren insgesamt eine fünfstellige Anzahl Versorgungsberechtigter mit Pensionskassenzusagen von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen. Aufgetreten sind dabei unterschiedliche Fälle. Es gab Insolvenzen, bei denen die Pensionskasse Leistungen gekürzt, nur den Future-Service gekürzt oder gar nicht gekürzt hatte.
Evaluierung der Beitragsbemessung im Jahr 2026
Der Gesetzgeber hat eine Evaluierung der Neuregelung für das Jahr 2026 vorgesehen. Untersucht werden soll, ob die Beitragsbemessung sachgerecht ist und die Höhe des Beitrags dem Risiko entspricht. Mit der Untersuchung kann das BMAS auch Dritte beauftragen.
Aktuell beträgt die Beitragsbemessungsgrundlage einer Pensionskassen- bzw. Pensionsfondszusage rd. 20% der Beitragsbemessungsgrundlage einer U-Kassenzusage.
Bei der Evaluierung muss das erwartete Schadenvolumen aus einer Pensionskassenzusage mit dem erwarteten Schadenvolumen in den anderen Durchführungswegen verglichen werden. Das Verhältnis daraus ergibt dann das Verhältnis der sachgerechten Bestimmung der Beitragsbemessungsgrundlage.
Dabei müssen die verschiedenen Möglichkeiten der Schadenminderung einfließen. Bei Pensionskassenzusagen ist die Fortführung der Verträge durch die Pensionskasse bzw. eine Vermögensübertragung auf den PSV wirtschaftlich bedeutend. Dem gegenüber stehen bei Direktzusagen die Schadenminderung durch CTA, verpfändete Rückdeckungsversicherungen bzw. der gesetzliche Vermögensübergang bei U-Kassenzusagen.
Das Schadenvolumen bei Pensionskassenzusagen ist in der Regel nicht abschließend bekannt, da künftige Leistungskürzungen bei Pensionskassen zu einer Leistungspflicht des PSV führen können. Für eine Bewertung können finanzmathematische Modelle herangezogen werden.
Am Ende bleibt die Festlegung der Beitragsbemessungsgrundlage für Pensionskassenzusagen eine Entscheidung des Gesetzgebers.
Der Autor ist Aktuar (DAV/IVS) und Referent im Pensions-Sicherungs-Verein VVaG in Köln.
Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors, gehalten auf der DAV-Jahrestagung am 28. April 2023 in Dresden.