Das BMAS hat bekanntlich den Entwurf des BRSG II wieder auf die gesetzgeberische Agenda gesetzt und entsprechend jüngst die Stellungnahmen der Verbände eingeholt. Stets wichtige Stimmen: die aba, die Aktuare, die AKAund die Chemie – denn deutsche bAV heißt originär deutsche Chemie. Es zeigt sich: So unverändert der Entwurf, so unverändert die Stellungnahmen. Ein Verband sticht jedoch mit seiner Haltung heraus. Denn: nicht vergessen, was am Ende stehen könnte.
Nachdem das BMAS Ende Juli zum zweiten Mal den Ref-E des BRSG 2.0 vorgelegt hat, konnten 82 Verbände und Stakeholder Stellung beziehen. Das haben u.a. aba, AKA, BAVC und DAV unternommen. Und: So unverändert der Entwurf (zum seinerzeitigen Regierungsentwurf), so unverändert die Stellungnahmen – zumindest im Wesentlichen. Es gibt Dutzende große und kleine Stellschrauben, welche die Verbände korrigiert sehen wollen, manche von grundsätzlicher Bedeutung, manche technisch unerlässlich, manche eher redaktioneller Natur. Im Einzelnen:
aba: stramm durchdeklinierend
Die aba kommentiert auf satten 25 Seiten, allein die Zusammenfassung macht 2,5 Seiten aus, das Vorwort nochmals deren zweie. Hauptthemen – alle én Detail durchdekliniert – sind erneut: die nicht optimal umgesetzten Verbesserungen bei den Abfindungen, bei den Opt out-Modellen, bei der Verbreitung von SPM und bei der Geringverdienerförderung.

Die aba-Stellungnahme findet sich hier.
BAVC: Der Blick auf die Chemie
Die Chemiker kommen mit zehn Seiten aus, mahnen aber ebenfalls zahlreiche technische Details an, v.a. mit Blick auf die bAV-Strukturen ihrer Industrie. Ihre Hauptthemen sind nach wie vor die Erweiterung der Abfindungsregelung für Kleinstanwartschaften, der Anschluss an bestehende Sozialpartnermodelle und dass die Möglichkeit einer Entsparung von Wertguthaben parallel zum Bezug einer Altersrente sich nicht auf die Zeit bis zur Regelaltersgrenze beschränken sollte.

Die BAVC-Stellungnahme findet sich hier.
AKA: Infra im Durchschau-Auge
Die deutschen ZVK haben naturgemäß ihre eigene Sorgen und Nöte und deshalb auch einen eigenen Blick auf die Dinge. Die AKA kommt mit fünf Seiten aus, und u.a. widmet sie sich auch der neuen Infrastrukturquote in der AnlV (der ZVK ja nur mittelbar bzw. freiwillig unterliegen): Damit diese in der Praxis zu einem Erfolg werde, sollte eine partielle Durchschau bei Dachfonds auf die gehaltenen Zielfonds bzw. bei geschlossenen Fonds auf beigemischte Zielinvestments für Infra-Investitionen (also bspw. neben PE oder PE) ermöglicht werden. Bislang ist in der Begründung zur Änderung der AnlV nur von offenen Spezial-AIF die Rede. Aber: Die Münchner weisen auch darauf hin, dass diese Frage ebenso durch das – ersehnte, aber ausstehende – Kapitalanlage-Rundschreiben der BaFin adressiert werden könnte.

In anderer Sache will die AKA mehr Zeit: Einer der zentralen Punkte des Referentenentwurfs für die Zusatzversorgung des öffentlichen und kirchlichen Dienstes ist für Hagen Hügelschäffer die in § 6 BetrAVG vorgesehene Möglichkeit, dass der Bezug einer Teilrente aus der gRV auch einen Leistungsfall in der bAV auslöst. Hierdurch löst der Gesetzgeber ein seit Jahren ungelöstes Problem in der Zusatzversorgung, da die zugrundeliegenden Versorgungstarifverträge beim Bezug der Altersrente immer noch auf den Versicherungsfall der Vollrente abstellen. Soweit so gut, aber?
Indes werden mit der gesetzlichen Neuregelung nicht alle Probleme für die Zusatzversorgung ausgeräumt sein, so der AKA-Geschäftsführer zu PENSIONS●INDUSTRIES. Vielmehr müssen die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes später die Versorgungstarifverträge an weiteren Stellen überarbeiten, was nach der Einschätzung von Hügelschäffer mit Blick auf die letzten Jahre noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher setzt sich die AKA in ihrer Stellungnahme dafür ein, dass der geänderte § 6 BetrAVG erst zum 1. Januar 2027 in Kraft treten soll.
Die AKA-Stellungnahme findet sich hier.
DAV: Schlank und schnell das Eisen schmieden
Die deutschen Aktuare haben sich für schlanke Schnelligkeit entschieden. Sie schreiben (gerafft) unter Verweis darauf, dass der Ref-E weitgehend dem im September 2024 vorgelegten Gesetzesentwurf entspricht, ihre seinerzeitige Stellungnahme dazu und darauf, dass der Entwurf zahlreiche notwendige Verbesserungen und sinnvolle Änderungen für Praxis und Rechtssicherheit der bAV enthält, ohne Umschweife:
„Wir verzichten darauf, konkrete Änderungsvorschläge in den laufenden Gesetzgebungsprozess einzubringen, um diesen nicht unnötig zu verzögern. Wir sprechen uns ausdrücklich dafür aus, den vorliegenden Entwurf ohne weitere grundlegende Änderungen zeitnah im Kabinett zu beschließen und so schnell wie möglich Gesetz werden zu lassen.“

Und weiter heißt es mit Blick auf den ungeachtet des BRSG 2.0. anhaltenden Verbesserungs- und Reformbedarf:
„Wir halten es jetzt nicht für zielführend, die dafür erforderlichen grundlegenden Weichenstellungen im Rahmen des aktuellen Gesetzgebungsprozesses zu adressieren, zumal wir dafür derzeit keine realistischen Erfolgschancen sehen, ohne den Gesetzgebungsprozess ins Stocken zu bringen. Wir setzen in diesem Zusammenhang vielmehr auf die Arbeit der im Koalitionsvertrag vereinbarten Rentenkommission.“
Kurz gefasst ist also die Haltung der Aktuare: Das, was wir jetzt haben, nicht mehr groß anfassen, sondern sofort umsetzen, denn was durch ist, ist durch. Um alles andere kümmern wir uns später.
Die seinerzeitige DAV-Stellungnahme vom Juli 2024 findet sich hier.
Fazit von PENSIONS●INDUSTRIES
Der Chronist – ohnehin (und bisher mit Recht) skeptisch ob der Handlungsfähigkeit der deutschen Politik – hatte schon bei Vorlage des Ref-E geunkt, das BAMS habe mit der schnellen (Wieder-)Vorlage des Entwurfs klar gemacht, dass man es eilig hat, die Sache unter Dach und Fach zu bringen. Dass die Verbände ihre durchweg nachvollziehbaren Änderungswünsche (viele davon einfach und fiskalisch neutral) gleichwohl erneut vortragen, ist einerseits nachvollziehbar und wohl auch alternativlos.
Andererseits – vgl. die überaus nachvollziehbare Haltung der Aktuare – bleibt abzuwarten, wie das Ministerium nun damit umgeht. Bleibt es unbeeindruckt und setzt auf Geschwindigkeit? Schnell umsetzen was umsetzbar ist, und den Rest auf später vertagen? Oder versucht es, zumindest einige der zahlreichen offenen Punkte aufzugreifen – mit der Gefahr, dass hier Fässer aufgemacht werden, die sich später nur schwer wieder schließen lassen und das gesamte Projekt BRSG 2.0. wieder in die ebenso endlosen wie unkalkulierbaren Mühlen der Politik (Stichwort „Rentenkommission“) gerät und wir alle am Ende doch wieder mit dem dastehen, mit dem wir schonmal dastanden?

Den Stand des Gesetzgebungsverfahrens aktualisiert das Ministerium stets hier.