Nebenwerte erleben derzeit den größten Drawdown gegenüber Large Caps in der Geschichte – sogar noch stärker als während der Finanzkrise 2008. Dafür gibt es eine ganze Reihe an Gründen – ebenso wie dafür, die Anlageklasse gerade jetzt nicht zu übersehen. Matthias Grimm und Peter Kraus blicken auf die Perspektiven eines Segmentes, das zuletzt rekordniedrige Bewertungsniveaus erreicht hat.
Institutionelle Investoren haben über die letzten Jahre hinweg Small Caps als wichtigen Teil ihrer strategischen Asset-Allokation genutzt. Durch ihre geringere Marktkapitalisierung und die damit einhergehende höhere Risiko- und Liquiditätsprämie bieten Small Caps traditionell potenziell höhere Renditechancen als Large Caps. Diesen Mechanismus beschreibt der „Size“-Faktor, der die Performance von kleineren Unternehmen im Vergleich zu Großunternehmen misst.
Im Nebenwertebereich stehen zudem eine Vielzahl von Unternehmen zur Auswahl. Dabei finden kleinere Unternehmen deutlich weniger Beachtung durch externe Analysten. Zu Unrecht, denn in diesem Segment verstecken sich viele heimliche Weltmarktführer mit guten Wachstumspotentialen, was sich in diesen Fällen auch in einer Outperformance widerspiegeln kann.
Allerdings erleben wir derzeit den größten Drawdown von Small vs. Large Caps in der Geschichte – sogar stärker als während der Finanzkrise 2008!
In fast allen Regionen der Welt befinden sich die Bewertungsniveaus von Small Caps aktuell auf dem niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre.
Der historisch starke Einbruch und die rekordniedrigen Bewertungsniveaus haben die Attraktivität der Asset-Klasse zunehmend in Frage gestellt und Investoren dazu bewegt, Small Caps kritischer zu bewerten.
Zinsen und Makroökonomie belasten Small Caps unverhältnismäßig stark
Für die jüngste Underperformance von Small Caps gibt es eine Reihe von Gründen, die alle eng mit den makroökonomischen Rahmenbedingungen verknüpft sind:
Der Anstieg der Zinssätze seit Anfang 2022 hat besonders Small Caps stark zugesetzt. Der Abzinsungseffekt belastet die Bewertungen von Unternehmen mit hohen zukünftigen Cashflows überproportional – und Small Caps waren davon stark betroffen. Im Vergleich zu Large Caps haben Small Caps eine schlechtere Finanzierungssituation, was höhere Refinanzierungskosten verursacht und ihr Wachstumspotenzial weiter schwächt.
Darüber hinaus verschärfte das unsichere konjunkturelle Umfeld, gepaart mit hoher Inflation, die Situation. Anleger suchten zunehmend nach stabilen Investments, und große Unternehmen konnten in diesem Umfeld dank ihrer Preissetzungsmacht oft besser bestehen als kleinere Unternehmen, die selten über vergleichbare Möglichkeiten verfügen.
Quelle: Berenberg, HSBC, 14.10.2024. Datenserie „% of CB rate hikes/cuts (12m lead, inv.)“ teilt die Netto Zinserhöhungen-/senkungen der großen 20 Zentralbanken durch die Gesamtanzahl der Zinserhöhungen-/senkungen im jewaligen Zeitraum. Die Datenserie im Chart oben ist invertiert und mit 12 Monaten Vorlauf angezeigt. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Kapital floss vermehrt in Large Caps, und der Druck auf Small Caps wuchs. Selbst aktive Small Cap-Strategien, die auf Qualitätsunternehmen setzen, die etwa durch Marktführerschaft oder geringe Verschuldung gekennzeichnet sind, konnten sich diesem Trend nicht entziehen. „Junk“-Titel von geringerer Qualität färben daher auf den gesamten Bereich ab und tragen zur allgemeinen Skepsis gegenüber Small Caps bei.
Marktineffizienzen und geringe Transparenz verstärken den Abwärtstrend
Das Universum der Small Caps wird zusätzlich durch strukturelle Faktoren belastet, die eine weitere Erklärung für die Underperformance liefern:
Eine geringere Abdeckung durch Analysten und ein niedrigerer Informationsstand der Investoren führen dazu, dass viele Small Cap-Unternehmen weniger gut verstanden und analysiert werden als ihre größeren Pendants. Diese mangelnde Transparenz und der unzureichende Informationsfluss erhöhen die Marktineffizienzen und schaffen eine Tendenz zur Vereinfachung komplexer Zusammenhänge. In der Praxis bedeutet das oft eine pauschale „Abstrafung“ des gesamten Segments in Risikoszenarien.
Positive Entwicklungen und Anzeichen einer Bodenbildung
Doch es gibt auch Grund zur Zuversicht. Einige der oben genannten Faktoren zeigen jüngst Anzeichen einer Besserung. Die Zentralbanken haben in jüngster Vergangenheit einen Zinssenkungszyklus eingeleitet: in der Eurozone bereits im Juni 2024 und in den USA seit September 2024.
Während die bisherigen Zinssenkungen und die daraus resultierenden Erwartungen noch nicht ausgereicht haben, um die Bewertungsdifferenz zwischen Small und Large Caps anzupassen, signalisiert die Änderung der Geldpolitik eine allmähliche Entlastung.
Ein stabileres wirtschaftliches Umfeld könnte zudem langfristig einen Boden für die Small Cap-Bewertungen bilden. Die wirtschaftliche Erholung schafft Potenzial für kleinere Unternehmen, ihre Wachstumsmöglichkeiten wieder verstärkt abzurufen. Zudem sollten sich die Refinanzierungsmöglichkeiten für Small Caps verbessern, was ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt und ihr langfristiges Wachstumspotenzial unterstützt.
Insiderkäufe und M&A als Frühindikatoren für einen Aufschwung
Ein weiteres positives Signal kommt aus den jüngsten Bewegungen am Markt: Insiderkäufe und eine erhöhte M&A-Aktivität im Small Cap-Segment. Historisch betrachtet war ein Anstieg solcher Aktivitäten oft ein verlässlicher Indikator für eine bevorstehende Erholung des Segments.
Die verstärkte M&A-Aktivität zeigt, dass zunehmend Unternehmen aus dem Small Cap-Universum als wertvolle Übernahmeziele wahrgenommen werden. Besonders Private Equity-Firmen und größere Unternehmen sehen in ihnen eine Chance, strategisch zu wachsen und von den strukturellen Vorteilen kleiner Unternehmen zu profitieren. Der Großteil der globalen M&A-Transaktionen betrifft Firmen mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 5 Mrd. US-Dollar, also typischerweise kleine Unternehmen.
In Zeiten hoher Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheit hatten potenzielle Erwerber solche Transaktionen eher vermieden. Doch mit sinkenden Zinsen und einem sich stabilisierenden Umfeld sinken auch die Kosten und Risiken für diese Transaktionen, was die Attraktivität für M&A-Aktivitäten in diesem Segment steigert. Hinzu kommt, dass potenzielle Käufer momentan über große Cash-Reserven verfügen, die für mögliche Akquisitionen zur Verfügung stehen. In Kontinentaleuropa liegt das Verhältnis von Cash zu Marktwert von Small Caps bei durchschnittlich 104%, in Großbritannien bei 87%.
Quelle: JP Morgan, The Smid View, Mai 2024. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Fazit: Ein potenziell günstiger Einstiegspunkt in Small Caps
Institutionelle Investoren haben sich lange auf Small Caps konzentriert, um von der höheren Risiko- und Liquiditätsprämie profitieren zu können. Doch der historische Drawdown, konjunkturelle Sorgen und die schlechtere Liquidität in jüngster Vergangenheit haben die Attraktivität der Asset-Klasse getrübt.
Allerdings zeigen die verbesserte konjunkturelle Lage und Zinssenkungen positive Signale, und die vermehrte Aktivität in Insiderkäufen und M&A deutet auf eine Bodenbildung hin. Für langfristig orientierte Investoren könnte dies ein interessanter Zeitpunkt sein, um über einen Einstieg nachzudenken und vom möglichen zukünftigen Wachstumspotenzial der Small Caps zu profitieren.
Die Neubewertung des Small Cap-Segments könnte nicht nur Chancen für ein langfristiges Wachstum bieten, sondern auch einen strategischen Vorteil für die nächsten Jahre darstellen.
Die Autoren:
Peter Kraus ist Leiter Small Cap Equities bei Berenberg Wealth and Asset Management.
Matthias Grimm ist Leiter Institutionelle Kunden bei Berenberg Wealth and Asset Management.
KONTAKT:
Matthias Grimm
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Wealth- und Asset Management
BERENBERG
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