Von Hebeln in Bewegung, von Herkulesaufgaben, von großen und kleinen Stellschrauben und mehr: Vergangenen Dienstag und Mittwoch in Berlin, diesjährige Handelsblatt-bAV-Tagung in Berlin. P●I-Autor Detlef Pohl war dabei und erfuhr: wer was mit wem ausfechtet, wie man mit tugendhafter Geduld zu großen Zahlen kommt, wer wo jetzt neu mitmacht, wer welche Rentenbausteine zusammensetzt, wo ein neuer Spezialfonds kommt, was mit zerfaserter bAV passiert, warum 40.000 Unversorgte jetzt nur noch ehemals Unversorgte sind – und wer kein wilder Teufel ist.
Die spannendsten Entwicklungen der bAV vollziehen sich aktuell weiter auf der SPM-Ebene. Das BRSG 2.0 geht voran, und die rBZ funktioniert schon in ständig breiter werdender Praxis. Parallel laufen parlamentarische Debatten, Anhörungen und Ausschusssitzungen zum BRSG 2.0. Nach dem ersten Teil der Berichterstattung zu der HB-Tagung heute deren Fortsetzung. P●I-Autor Detlef Pohl dokumentiert erneut die rentenpolitischen Inhalte der jüngst in Berlin geführten Diskussionen – wegen der Inhaltsdichte wie gehabt im schnellen LbAV-Stakkato (und sämtlich im Indikativ der Referenten):
Kaulisch: Zeitplan, Ziele, Skepsis und Herkules
„Der Gesetzentwurf ist auf der parlamentarische Zielgeraden und wir hoffen, dass die Gesetze Rentenpaket 2025, BRSG II und Aktivrente wie im Koalitionsausschuss verabredet bis Jahresende abgeschlossen werden“, sagt Thomas Kaulisch, Leiter der Fachabteilung Sozialversicherung/Alterssicherung im BMAS:
+++ Rentenreform mit sechs Bausteinen, die im Zusammenwirken Alterssicherung in Deutschland voranbringen sollen: Verlängerung der Haltelinie beim Rentenniveau, Vollendung der Mütterrente, Aktivrente, Stärkung der bAV, Riester-Reform und damit fachlich eng verknüpft Frühstart-Rente +++ BRSG 2.0 mit ca. 30 Einzelmaßnahmen im Arbeits-, Steuer- und Finanzaufsichtsrecht +++ freiwilliger Ausbau bAV noch nicht ausgereizt +++

+++ flächendeckende Verbreitung auch in kleinen Betrieben und bei Geringverdienern bleibt Herkulesaufgabe +++ Rahmenbedingungen insg. so zu ändern, dass erheblich mehr Beschäftigte von bAV profitieren +++ Gesetzentwurf dreht dazu an vielen großen und kleinen Stellschrauben +++ zentral sind Öffnung tariflicher bAV-Systeme und Verbesserungen bei steuerlicher Förderung +++ insb. Dynamisierung der Einkommensgrenze bei Geringverdienerförderung wird Schub bringen und nötige Planungssicherheit auch bei Lohnerhöhungen +++ Förderung für Geringverdiener auf Tarifverträge zugeschnitten, z.B. SPM in Bankenbranche sowie Omnibusgewerbe: höhere AG-Leistungen für Beschäftigte unterhalb der Einkommensgrenze vorgesehen +++
+++ arbeitsrechtlicher Kern des BRSG 2.0 ist Weiterentwicklung des SPM +++ rBZ soll mehr in die Breite kommen +++ Vorteile: höhere Betriebsrenten bei gleichzeitig hoher Sicherheit und gelebter Mitbestimmung, für AG denkbar einfache Verwaltung und Wegfall der Haftung +++ Pionierarbeit bei Energiewirtschaft, Chemie/Pharmazie und Banken, aber auch bei Bodenverkehrsdiensten, deren Tarifvertrag jüngst für allgemeinverbindlich erklärt wurde +++ mittlerweile 11 SPM unter Beteiligung von Verdi und IGBCE +++ auch GEW hat beschlossen, mitzumachen +++
„Ich bin skeptisch, wenn fundamentale Systemänderungen gefordert werden.“
+++ neu: SPM dürfen sich künftig nicht-tarifgebundenen Unternehmen öffnen +++ für alle offen, die in den Zuständigkeitsbereich der abschließenden Gewerkschaft fallen (Voraussetzung: beide Sozialpartner stimmen zu) +++ Ziel: über kurz oder lang sollen alle großen Gewerkschaften ein SPM mittragen, damit Architektur für flächendeckende Zugangsmöglichkeit gelegt ist +++ „Ich bin skeptisch, wenn darüber hinaus fundamentale Systemänderungen wie die rBZ ohne Beteiligung der Sozialpartner gefordert werden, denn dann geht Qualität verloren“ +++ BMAS wird bis 2030 untersuchen, ob bAV-Verbreitung auch aufgrund vorgesehener SPM-Öffnung erkennbar gestiegen ist +++
+++ auch private AV wird reformiert, etwa durch neues „Altersvorsorgedepot“ +++ wichtig für BMAS: Produkte müssen qualitativ hochwertig sein +++ Hintergrund: zentrale Kritik an Riester, dass Produkte zu ertragsschwach und zu teuer +++ auch Riester-Reform soll noch in diesem Jahr ins Kabinett +++BMF will zeitnah Entwurf vorlegen +++ für Frühstart-Rente sollen bis Ende des Jahres Eckpunkte im Kabinett beschlossen werden +++ Rentenkommission soll 2026 Reform-Ideen insb. für Zeit nach 2031 bringen +++
Kerschbaumer: Da waren’s schon mal elf
Aktuell organisieren drei Gewerkschaften in vier durchführenden Einrichtungen die rBZ für annähernd 40.000 bislang weitgehend unversorgte Beschäftigte, bilanziert Rechtsanwältin Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik bei der ver.di-Bundesverwaltung:
+++ Gewerkschaften geht es um bAV mit 50% und mehr AG-Finanzierung, Tarifexklusivität und mehr Allgemeinverbindlichkeit von bAV-Tarifverträgen (TV) +++ vor allem in KMU und Niedriglohnbereich brauchen einfache, verständliche und transparente bAV +++ Anfang 2026 sind tarifvertraglich durch ver.di annähernd 30.000 Beschäftigte über Metzler Sozialpartner Pensionsfonds (MSPF) abgesichert, die weit überwiegend keine bAV hatten: Uniper, Bodenverkehrsdienste, Busrente Baden-Württemberg, AWO-Rente +++
„99% der Berechtigten nutzen im BVV-SPM die chancenorientierte Variante.“
+++ Banken-SPM, organisiert über BVV Pensionsfonds, hat schon vor BRSG 2.0 Potenzial für Andocken nicht-tarifgebundener Unternehmen: durch Rahmen-TV der Banken, präzisiert durch Betriebsvereinbarungen pro andockender Bank +++ Zwischenergebnis: von 16 Teilnehmern aus der Banken- und Finanzdienstleistungsbranche (10.500 Beschäftigte) – darunter seit 1. Oktober auch die PSD Banken Hessen-Thüringen, Nürnberg und Rhein-Ruhr mit insgesamt rund 600 MA – sind nur sieben tarifgebunden, aber aus allen 16 nun 3.500 Beschäftigte mit rBZ versorgt +++ spannend (und aus Sicht der P●I-Redaktion eine wirklich gute Nachricht): 99% nutzen dabei chancenorientierte Variante (BVV-Rente Chance), fast niemand die sicherheitsorientierte Variante +++

+++ weitere Tarifverträge zum SPM-Chemie (über Chemie-Pensionsfonds der R+V) von sechs einzelnen Firmen +++ weitere vier Firmengruppen mit insg. elf Einzelunternehmen in der Zielrente Chemie beteiligt (über Höchster Penka) +++ Kerschbaumers Fazit: Anfang ist gemacht, „Blaupausen“ sind am Laufen +++ es funktioniert, viele Unternehmen zeigen Interesse +++ jetzt braucht SPM Reifezeit und Bewegung an kleinen gesetzgeberischen Stellschrauben, um weiter zu wachsen +++
Remke: Feintuning beim Metzler Sozialpartner-PF
Auf strategische Weiterentwicklungen beim Metzler Sozialpartner Pensionsfonds (MSPF) macht Christian Remke, Sprecher der Geschäftsführung von Metzler Pension Management, aufmerksam:
+++ mit BRSG 2.0 soll SPM für breiteren Personenkreis zugänglich gemacht werden: Öffnung für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und erleichterte Zugänglichkeit für KMU +++ erhöhte Teilnahme bringt skalierbare und effizientere Betriebsrenten, mehr Digitalisierung von Prozessen, Entbürokratisierung in der bAV-Praxis +++ gesetzgeberische Änderung von Stellschrauben bringt auch höhere Renditechancen und mehr Spielräume in der Kapitalanlage +++

+++ 01/26 im MSPF bis zu 400 TU mit ca. 30.000 Versorgungsverhältnissen erfasst (Rendite nach allen Kosten der rBZ – Versorgungsträger, Kapitalanlage & Bestandsverwaltung – seit 2023: 5,5% p.a.) +++ breite Mischung von Nutzern über alle Altersgruppen, insb. aber 30-39J (37%) und 40-49J (25%) +++
+++ Metzlers Antwort 1 auf BRSG 2.0-Ziele: mehr Transparenz und Effizienz durch digitale Informations- und Verwaltungsplattform (gemeinsam für Bestandsverwaltung mit Signal Iduna +++ nun mit AN-Info-Portal als neuem Standard und AG-Portal mit voll digitalem Onboarding-Prozess +++
„Für die Kapitalanlage der SPM wird nun ein eigener Spezialfonds eingerichtet.“
+++ Metzlers Antwort 2 auf BRSG 2.0-Ziele: Transparentere, flexible Kapitalanlage, die sich den dynamischen Anforderungen der rBZ anpasst +++ Hintergrund: Metzler hatte frühzeitig gesonderten Pensionsfonds für SPM eingerichtet, für den bereits bestehender Metzler-Spezialfonds der Uniper-Vermögensanlage genutzt wurde, in dem schon ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag investiert war +++ nun wird eigener Spezialfonds nur für SPM eingerichtet, um einheitlichen Kapitalanlage über alle Sicherungsvermögen hinweg zu organisieren +++ Ziel: mit gezielter Diversifikation und Nutzung langfristiger Skaleneffekte stabile und nachhaltige Renditen zu erzielen +++ passt besser zu Bedürfnissen und Zielen des Sozialpartnerbeirats und bringt mehr Flexibilität, etwa für temporäre dynamische Steuerung der Aktienquote oder Integration zusätzlicher Assetklassen +++
+++ „Metzler-Ansatz“ zum Andocken weiterer Unternehmen: eigene Beitragslogik +++ gemeint: man gibt Stichworte vor zu AG-Grundbeitrag, Entgeltumwandlung, AG-Zuschuss zu Entgeltumwandlung (15%), Matching-Beitrag sowie grundsätzlich 4% Sicherungs- und 3% Kostenbeitrag +++ Sozialpartner füllen dies dann mit konkreten Zahlen durch TV-Verhandlungen, um individuelle Beiträge zu finanzieren, etwa Beitragshöhe, Beitragsstruktur, Definition beitragsfähiger Bezüge, Öffnung für zusätzliche Beitragsvereinbarungen auf betrieblicher Ebene +++
Klein / Renner: Praxisbeispiel für ZielrenteChemie
Wie ein Chemiepark-Betreiber in Bayern die ZielrenteChemie über die Höchster PK eingeführt hat, berichten Eva-Maria Renner, Personalleiterin der Infraserv in Gendorf, und Ralf Klein, Leiter Versorgungsmanagement/BAV-Service der Höchster Pensionskasse:
+++ Infraserv Gendorf Gruppe war mit bestehender bAV ihrer 1.100 Mitarbeiter unzufrieden (obligatorische Zusagen für Pensionskasse innerhalb BBG und Direktzusagen oberhalb BBG, freiwillige Entgeltumwandlung nach TV und für Außertarifliche über Pensionskasse sowie Firmendirektzusage für Leitende) +++ Ziel neuen Versorgungssystems: mehr Nutzung von Kapitalmarktchancen, externe Finanzierung, Enthaftung und Planungssicherheit für AG, Abfederung von Kapitalmarktschwankungen in Rentenphase +++
„Die Admin ist nun weniger aufwendig, aber transparenter und digitaler.“
+++ SPM über Zielrente Chemie für neue MA; Wechseloptionen auch für Bestands-MA auf freiwilliger Basis (auch vom Betriebsrat initiiert) +++ bisherige Anwartschaften bleiben erhalten +++ Admin nun weniger aufwendig, aber transparenter und digitaler +++ individuelles Versorgungskapital und kollektiver Sicherungspuffer fließen an Höchster Penka, die für den Spezialfonds Fidelity als Asset Manager beauftragt hat; Anlage in Fidelity-ETF +++

+++ neben lebenslanger Altersrente auf Wunsch auch Partner- und Waisenrente +++ erste Beitragszahlungen für Neueintritte in 01/25 erfolgt +++ von rd. 800 betroffenen Bestands-MA (die anderen 300 sind in älteren Versorgungssystemen aus der Hoechst-AG-Ära) haben 54% Wechseloption ins SPM gezogen, um stärker Kapitalmarktchancen zu nutzen (90% hatten an Infoveranstaltungen teilgenommen) +++ Abschluss neuer Betriebsvereinbarungen war nötig, ebenfalls viele Dokumente zur Kommunikation +++ Projekt vom Sommer 2024 bis April 2025 umgesetzt +++
SPM-Diskussion: von keinen wilden Teufeln …

Los geht es mit Gesa Bruno-Latocha, die als Tarifbeauftragte für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aktuell für ein SPM kämpft, das vor allem im Bereich Bildung und Erziehung außerhalb des ÖD ansetzen soll (bisher nur 20% bAV-Durchdringung):
+++ Beschäftigten bei freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und der Weiterbildung sowie an privaten Schulen und Hochschulen, mit denen GEW Tarifverträge abschließt, soll durch Beitritt zu bestehendem SPM attraktive bAV verschafft werden +++ teils sehr kleine Firmen dürften leicht zu überzeugen sein, die für sie sachfremde bAV an Tarifpartner sachgerecht auszulagern +++
+++ Fachkräftemangel erfordert auch in kleinen GmbH und GbR interessante Benefits +++ Chef ist oft pädagogischer Leiter und muss vor allem eine Frage beantworten: Bekomme ich das refinanziert, also grünes Licht von der Kommune? +++ die Tarifexpertin ermuntert: „Tarifverträge sind keine wilden Teufel“ +++

… von Gefechten mit der Gewerkschaft …

Silke Geiger, Leiterin Personal und Tarif beim Verband baden-württembergischer Omnibusunternehmen (WBO), führt aktuell die Busrente für die privaten Busunternehmen in BW ein:
+++ derzeit permanente Information v.a. der angeschlossenen Arbeitgeber +++ auch Infos zu AN-Portalen, Hilfen für Beitragsberechnungen, Materialien in vier Sprachen und Info-Veranstaltungen gehören zum Programm +++ grundsätzlich großes Vertrauen bei AG, aber WBO muss Allgemeinverbindlichkeit des TV noch mit ver.di in BW ausfechten +++
… von langer Tugendhaftigkeit und sanftem Zwang als Vorreiter …
Dominik Roth, Konzernpersonalleiter der AWO Unterfranken, kämpft schon seit 2018 für ein SPM, das nun als AWO-Pilot startet:
+++ Geduld war die wichtigste Tugend +++ nun sind tendenziell 240.000 MA der Pflege- und Gesundheitswirtschaft auf dem Schirm, die neue bAV-Hoffnung schöpfen (AG im Osten waren teilweise voll aus bAV ausgestiegen) +++ abwarten, ob Erleichterungen beim Andocken durch BRSG 2.0 kommen +++„wir haben AN keine Wahl gelassen, sondern 3.200 MA de facto ins SPM gezwungen – ohne Opt-out-Chance“ +++ Vertrauen wird individuell empfunden, Vorbehalte gegenüber Aktien immer noch verbreitet +++ größte Gefahr ist aber Meidung, also gar keine bAV +++ AWO Unterfranken will SPM-Vorreiter für Branche sein +++
… vom Umdenken der Tarifpartner …
Christian Pauly, Generalbevollmächtigter des Metzler SPF als zuständige Einrichtung für das Energie-SPM und angedockte AWO, WBO und Bodenverkehrsdienste, spürt bei SPM Wind der Veränderung:
+++ in letzten drei Jahren deutlicher „Denkwechsel“; beide Tarifpartner gehen immer stärker positiv voran +++ auch Nicht-tarifgebundene sehr interessiert und fragen nach +++ insofern werden BRSG 2.0-Neuerungen zu Beitritt nicht-tarifgebundener Unternehmen mit Spannung erwartet +++

+++ Sozialpartnerbeiräte künftig noch wichtiger und auch zu Nicht-tarifgebundenen gefordert +++ Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen sinnvoll, bringt den SPM mehr Zulauf +++
… und vom leichteren Andocken
Judith Kerschbaumer von ver.di sieht das SPM an fast allen Hebeln in Bewegung gesetzt:

+++ allerdings darf Tarifexklusivität nicht angetastet werden +++ gut, dass Gesetz zu TV-Vorbehalt steht +++ letzte Unklarheiten bei Nicht-tarifgebundenen sollten ausgeräumt werden können +++ essentielle AG-Beiträge schaffen Vertrauen auch bei immer mehr ursprünglich skeptischen Gewerkschaftsvertretern +++

+++ Andocken an bestehende SPM ist schon jetzt möglich, wie Energie-SPM zeigt +++ auch Einbezug Nicht-tarifgebundener machbar, wie Banken-SPM zeigt +++ Andocken sollte mit BRSG 2.0 einfacher werden +++
Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.


























