Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Real Estate weiter widerstreitend, keine Achterbahn in Endspiel bitte – und wie der Betriebsrentner zum Mitmachen animiert wird.
ZDF (23. März): „Auf 4,75 bis 5,0 Prozent – Fed erhöht Leitzins um 0,25 Prozentpunkte.“
So, 0,25 Prozentpunkte also. Das ist vertretbar – genauso wie eine Zinspause vertretbar gewesen wäre. Aber immerhin keine 0,5 Punkte oder mehr – oder noch viel schlimmer: eine Zinssenkung wegen wackelnder Banken. Dies wäre einer mittleren Katastrophe gleichgekommen.
Nochmal: Powell macht alles richtig – weil jeder Ausstieg aus der unseligen Geldschwemmenpolitik richtig ist. Denn das billige Geld macht Staatshaushalte sowie Finanz- und Realwirtschaft drogenabhängig, verhindert so Reformen, macht die Notenbanken zu Gefangenen des eigenen Handelns und steigert nur die Fallhöhe – und außerdem jagt es via Asset Inflation rund um den Globus die Verteilungsungleichgewichte in groteske Dimensionen, macht jedes ökonomisch wie ökologisch unsinnige Projekt doch noch rentabel und finanziert last but not least sogar Kriege.
Einzige Kritik an Powell: Sein überraschendes und viel zu hohes Tempo, das nun schon einige Banken das Leben gekostet hat, obwohl diese an sich nicht extrem spekulativ investiert waren. Es sei wiederholt:Zwanzig Jahre wären ein guter Zeitraum, um Staaten und Volkswirtschaften von dem Drogenrausch zu entwöhnen, und nicht zwei. Gut jedenfalls, dass er auf dem recht hohen Niveau, das er schon erreicht hat, nur noch Trippelschritte macht. Das ist völlig ausreichend. Und mal innehalten würde auch nicht schaden.
Nun denn also besagte 0,25. Bleibt zu hoffen, dass das gut geht und nicht weitere Akteure in die Knie gehen, wenn die Asset Inflation zu schnell zurückkommt und einer scharfen Asset Deflation weicht, insb. bei FI-Langläufern.
Denn der größte anzunehmende Unfall wäre, wenn die Notenbanken die Welt weiterhin zu schnell auf Entzug setzen, dann (nachdem ja anfangs große Friktionen ausblieben) immer mehr Akteure (v.a. Banken) in Schieflage geraten und schließlich die Fed und in der Folge dann sicher auch die EZB mitten in ihren Zinserhöhungszyklen hektische Zinssenkungen vornehmen müssten. Dies wäre das ultimative Eingeständnis, dass es aus der Geldschwemmenpolitik selbst für die stärksten Währungsräume kein Entkommen gibt. Folge wäre mittel- bis langfristig eine Kursexplosion bei Real Assets – Aktien, Real Estate, Rohstoffe und Edelmetalle – die nicht das Wort Hausse, sondern das Wort Crack up Boom verdiente. Auf der realwirtschaftlichen Ebene dazu eine Stagflation oder besser Rezflation, die sich gewaschen hat. Und das alles zur Unzeit, besonders für Deutschland und Europa mitten in ihrer hier schon oft bemühten Multi-Problemlage, gespeist aus Demographie, Energiekrise, De-Industrialisierung, Schuldenkrise, Krieg im Osten, Migrationsdruck, Brain Drain sowie einer hektisch-aktionistisch und ideologisch-regulatorisch getriebenen politischen Klasse. Bei einem solchen geldpolitischen Gau gingen wir in Europa alle gemeinsam endgültig ins Endspiel.
Was also nicht passieren darf: dass man den Ausstieg aus dem Nullzins eben durch diesen Ausstieg aufs Spiel setzt. Dass man nun die Zinsen zu schnell erhöht mit dem Ergebnis, dass man dann genau deswegen einknicken muss. Dass man dann geldpolitisch Achterbahn ins Endspiel fährt statt mit ruhiger Hand raus aus der Geldschwemme zu steuern. Insofern hat Kassandra schon die jüngsten 0,5 Punkte der EZB mit völligem Unverständnis zu Kenntnis genommen – und hätte auch Powell jetzt eher zu einer Pause geraten als zu seinen immerhin behutsameren 0,25. Nun, man wird sehen.
Die Welt (18.3.): „Wohnungsbau in Schockstarre“ – Deutschland stellt das Bauen ein.“
Die Welt (17.3.): „Plötzlich ist ein gepflegtes Eigenheim nicht mehr 400.000, sondern 250.000 Euro wert.“
Die Welt (24.3.): „Mitgliedstaaten, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, können wir keine aufnötigen“
Kassandra hat an dieser Stelle schon oft die derzeit erhebliche Ambivalenz der Asset-Klasse Real Estate beunkt (kurz: Zins und Finanzierung, Kaufzurückhaltung, Regulierung vs. ständig drängendere Knappheit, Migration und Subventionen). Diese drei hier verlinkten Artikel aus der Welt zeigen allein mit ihrer Headline ebendiese Ambivalenz deutlich auf.
bAVHeute (16. März): „Recht und Politik – Zahlstellenmeldeverfahren: Zahl der Kinder zählt ab 1. Juli 2023.“
Nicht selten ist es so, dass sich regulatorische Verschärfungen für die bAV an nicht erwarteter Stelle auftun, nur ein beispielhaftes Stichwort: Waldverordnung. Mal trifft es EbAV, mal Arbeitgeber, mal beide (dies spätestens dann, wenn es sich um unternehmenseigene EbAV handelt).
Hier nun ein neues Beispiel, das Stuttgarts Henriette Meissner erläutert: Das BMG hat weitgehend unbemerkt mit seinem Referentenentwurf zum „Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG, § 55 SGB IX-Entwurf) Verschärfungen des Zahlstellenmeldeverfahrens eingebracht, die, so Meissner, „voraussichtlich für hohe Aufwände bei den Zahlstellen und Ärger mit den Betriebsrentnern sorgen werden“. Gut gemeint sei eben nicht gut gemacht.
Zur Umsetzung des BVerfG-Urteils zur Beitragsdifferenzierung nach Kinderzahl soll ab Juli (Übergangsfrist 6 Monate) der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung in Abhängigkeit der Anzahl der Kinder mittels Abschläge gestaffelt werden. Dies den Zahlstellen – je nach DFW also EbAV oder Arbeitgeber – zu melden, wird Aufgabe der Betriebsrentner sein – die sonst den vollen Abschlag erheben müssen. In welcher Form zu melden ist? Ungeregelt. Ob die dafür nötige IT-Struktur bei den Zahlstellen vorliegt? Kaum. Wie diese funktional aussehen wird? Unklar.
Klar sind nur zwei Sachen: Viel IT-Arbeit für die zuständigen Dienstleister. Und für Arbeitsrechtler auch – wenn unzufriedene Betriebsrentner bis nach Thüringen reisen.
Auch die aba ist längst an der Sache dran. Mehr dazu in Kürze auf LEITERbAV.
Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass sich im Aufgabenfeld Zahlstelle stille Änderungen ergeben. Wie ebenfalls Meissner seinerzeit berichtete, war dies bspw. in Zusammenhang mit dem Ausweis der Beiträge privat fortgeführter bAV erst im vergangenen November der Fall.
GOV.uk (17. März): „Policy Paper: Abolition of Lifetime Allowance and increases to Pension Tax Limits.“
Der britische Schatzkanzler Jeremy Hunt hat angekündigt, dass die Briten künftig in unbegrenzter Höhe in ihren Rentensystem ohne Steuernachteil sparen können. Die bisherige „Lifetime Allowance“ (LTA) mit ihrer bisherigen Obergrenze von 1,1 Mio. Pfund Sterling entfällt schon ab April. Die Summe der Prämien, die ein Einzelner p.a. in ein Scheme einzahlen kann, also die „Annual Allowance“ (AA), soll ebenfalls von 40.000 auf 60.000 Pfund Sterling erhöht werden.
Hintergrund ist offenbar, dass viele Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer, welche die Obergrenzen erreicht hatten, anderweitig bedacht haben, also abseits der Pensions Schemes.
Allzu einfache Vergleiche der – stets komplexen – Rentensysteme verschiedener Länder verbieten sich, das gilt auch innerhalb Europas. Und seit dem Brexit machen die Briten ohnehin nur noch das, was sie selbst für richtig halten. Doch gleichwohl sollte es für Bundesregierung und alle bAV-Stakeholder für ihre Dialoge und Fokusgruppen ein Signal sein: dass mehr Freiheit und Eigenverantwortung im betrieblichen Pensionswesen durchaus auch eine gangbare Strategie sein kann.
Anyway, die Briten sind hier ohnehin sichtlich entspannter. Während hierzulande lebenslange Pflichtverrentung bei vielen nach wie vor hoch im Kurs steht, äußerte der seinerzeitige Pensions Minister Steve Webb schon 2014, die Regierung sei „less concerned“, viele Rentner würde künftig im „Lamborghini“ vorfahren.