Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Kassandra

Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV.

 

Heute: Allerbest in Class.

 

versicherungspraxis24.de: „Die nächste Pensionskasse strauchelt: Kürzungen bei der Pensionskasse der deutschen Wirtschaft.“

 

Die PKDW war Anfang des 20 Jahrhunderts der (vermutlich) erste Fall, in dem eine bundesdeutsche Pensionskasse den Past Service kürzen musste, will sagen, bestehende Renten. Der Fall ist bis heute virulent, denn das Verfahren vor dem EuGH betreffend die PSV-Einstandspflicht bei Pensionskassen geht hierauf zurück.

 

Nun geht es schon seit längerem teils mit viel Tamtam durch die Fachpresse, dass die PKDW den Future Service anpasst. Damit ist sie jedoch alles andere als ein Einzelfall. Seit nicht zuletzt der BVV hier 2016, also vor nicht weniger als vier Jahren, den Takt vorgegeben hat, waren es, wie infolge einer Kleinen Anfrage der Grünen im Bundestag 2018 erbrachte, schon damals ingesamt 27 Kassen, welche diese Maßnahme ergriffen haben. In Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD nannte die Bundesregierung in diesem Frühjahr sieben weitere Fälle – womit wir mit der PKDW nun schon bei 35 wären. Insofern nichts Spektakuläres also.

 

Außerdem sieht die BaFin die Anpassung der Rentenfaktoren im Future Service, die übrigens im westlichen Ausland zur üblichen und unaufgeregten Selbstverständlichkeit im Pensionswesen gehört, nicht zu Unrecht eher positiv, da sie der Stabilität der EbAV dienen und regelmäßig die Mitgliederversammlungen selbst über die künftigen Rentenfaktoren abstimmen, also über die Lage genau im Bilde sind.

 

Thomas Schätz, Vorstand der Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation, sagte im Gespräch mit der Tactical Advantage (die betreffende Ausgabe ist gerade in der Produktion und kann derzeit noch hier angefordert werden): „Den Rechnungszins für künftige Beitragszahlungen abzusenken, entlastet die Passivseite und vermindert dadurch den Anlagedruck auf der Aktivseite. Auch das ist Risikomanagement.“

 

Die Lage vieler deutschen Pensionskassen ist – wie im politisch ständig dynamischer herbeigeführten Niedrigzinsumfeld es für jeden garantiegebenden Investor der Fall ist – anlageseitig schwierig, in the long run vermutlich auch kritisch. Doch darüber, ob das zuweilen recht laute Rauschen im Blätterwald angesichts von Future-Service-Fall Nr. 35 gerechtfertigt ist, kann man streiten. Über die Angemessenheit, in diesbezüglichen Headlines von „Straucheln“ zu sprechen, auch.

 

 

Bundesarbeitsgericht (im Juni): „bAV – Pensionskasse – Einstandspflicht, Urteil vom 12.5.2020, 3 AZR 157/19.“

 

Passend dazu eine Meldung aus Erfurt betreffend ein neuliches Urteil des Dritten Senats, das sich auf die oben erwähnte seinerzeitige Kürzung im Future Service durch den BVV bezieht und die Art der Einstandspflicht des Arbeitgebers behandelt; begrüßenswerter Leitsatz:

 

Die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG besteht erst beim Eintritt eines Versorgungsfalls und kann deshalb keine Pflicht des Arbeitgebers begründen, seine Beiträge zu einer Pensionskasse – über die die Versorgung mittelbar durchgeführt wird – zu erhöhen.“

 

Entsprechend hat der Dritte Senat auf die Revision der beklagten Arbeitgeberin das Urteil des LAG Hessen aufgehoben. Gleichwohl ließ es sich der Senat nicht nehmen, mit Bezug auf die nicht immer ganz stringente Argumentation der beklagten Arbeitgeberin dieser zu erklären, dass sie keinesfalls eine „reine Beitragszusage“ erteilt hab, da es eine solche im Rahmen des Betriebsrentenrecht nicht gebe.

 

Die BaFin sieht es bekanntlich lieber, wenn die Arbeitgeber bei Bedarf direkt in die Kassen nachschießen, wie sie mehrfach öffentlich erklärt hat. Zwingen kann sie die Arbeitgeber aber nicht, und wie wir nun wissen, können die Arbeitnehmer das offenbar auch nicht.

 

Eine Analyse und Bewertung des Urteils erfolgt in Kürze auf LEITERbAV durch die Heubeck AG.

 

 

FAZ (18. Juni): „Streit um Betriebsrenten – Wie Opel unter den Niedrigzinsen leidet.“

 

Dass bAV nicht nur komplex, sondern erst recht in Zeiten des Niedrigzinses auch nicht billig ist, das ist für jeden auf unserem Parkett eine täglich erlebte Binsenweisheit – wobei Teil der janusköpfigen bAV-Realität ist, dass andererseits für jedes halbwegs gut geratete Unternehmen die Fremdkapitalaufnahme zur Dotierung seiner Versorgungswerke spottbillig ist – sich dann aber angesichts der launischen Märkte wiederum die nicht banale Frage stellt, wohin mit ebendiesem aufgenommenen Geld.

 

Wie dem auch sei, hier berichtet die FAZ jedenfalls über die kostspieligen Versorgungswerke bei Opel, wo bei den Zusagen mit erstaunlichen fünf Prozent Garantie operiert wird. Es überrascht, dass der im Pensionswesen alles andere als unerfahrene Ex-Mutterkonzern GM das Thema offenbar nie angefasst hat.

 

Wenn das ohnehin nicht gerade blendend dastehende Rüsselsheimer Unternehmen seine bAV nun „grundlegend modernisieren“ will und dies „zwingend erforderlich für marktgerechte, zukunftsfähige Pensionen“ sei, dann hat es nicht nur recht, sondern ist es auch höchste Zeit. Die Studien der großen Consultants (hier beispielhaft WTW) zeigen seit Jahren, wie bspw. im DAX die Konzerne intensiv an der Zukunftsfähigkeit ihrer Versorgungswerke arbeiten. Fünf Prozent Garantie sind jedenfalls längst aus der Zeit gefallen und die Argumente, die der Betriebsrat laut FAZ gegen die Anpassungen ins Felde führt, nicht minder.

 

Etwas hinkend kann man den Vergleich empfinden, welchen die FAZ zieht: Sie stellt die fünf Prozent der Opel-Versorgungswerke in Relation zu den knapp vier Prozent Nettoverzinsung, welche die Höchster Penka erwirtschaftet habe. Kleiner Unterscheid: Die Höchster Penka operiert im Neugeschäft wie wohl praktisch alle Kassen in Deutschland mit einem Garantiezins von 0,9 Prozent (wodurch sich das interne Zinserfordernis zwar langsam, aber stetig abbaut), während Opel – wie ein Sprecher gegenüber LEITERbAV bestätigte – mit den fünf Prozent derzeit auch bei Neueinstellungen arbeitet.

 

Angesichts der Tatsache, wie nachhaltig dynamisch eine bAV sich kostenseitig besonders in Zeiten wie diesen entwickeln kann, sei den Arbeitnehmervertretern bei Opel zugerufen: Wenn ihnen etwas an der Zukunft des Unternehmens liegt, dann sollten sie an der Neuaufstellung der Versorgungswerke konstruktiv mitwirken – und zwar so, dass diese den weiter zunehmenden Herausforderungen der Zeit standhalten können. Denn das ist weder trivial noch eine Selbstverständlichkeit.

 

Übrigens nutzt Opel einen CTA. Und wer weiß – möglicherweise wird man angesichts der schönen dort liegenden liquiden Mittel und der aufwendigen Umstrukturierungen auch im operativen Geschäft beizeiten in Rüsselsheim den Blick nach Heidelberg richten.

 

 

Portfolio Institutionell (12. Mai): „ESG und ETF: zwei Kürzel, ein Dilemma.“

 

Corona hat das Über-Thema ESG – vermutlich nur vorübergehend – etwas in den Hintergrund treten lassen. Sollte sich nun aber eine schwere, anhaltende Wirtschaftskrise entwickeln, möglicherweise im Zuge eines nötigen zweiten Lockdowns infolge einer denkbaren zweiten Covid-Welle, wird man sehen, ob Nachhaltigkeit auf der politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und damit auch institutionellen Ebene zu alter Dynamik zurückfindet oder doch eher als Luxus-Thema für wirtschaftlich gute Zeiten angesehen wird.

 

Klar ist, dass das junge Thema erstens eine außerordentliche Vielfalt aufweist (man denke nur an das lange ESG-Gespräch, dass Andreas Hilka von der Höchster Penka und Christian Wolf vom BVV mit vier Experten in der Vol. 3 der Tactical Advantage geführt haben) und zweitens noch lange nicht ausentwickelt ist. PI-Chefredakteur Patrick Eisele seziert hier einen ebenfalls noch eher am Anfang seiner sehr dynamischen Entwicklung stehenden Aspekt: ESG im passiven Investment.

 

Umgesetzt wird ESG in ETFs meist über Best in Class, und der Autor legt am Beispiel des Ölkonzerns Total dezidiert dar, dass dieser Ansatz zu nachvollziehbaren, aber zumindest unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes teils zweifelhaften Ergebnissen führt.

 

Eine offene Frage des Kollegen Chefredakteur kann Kassandra aber nicht unbeantwortet stehen lassen: „Die Frage, ob die Portfoliobestandteile Enel, Eni und Iberdrola bei den Versorgern und Daimler, BMW, Peugeot und Renault bei den Autoherstellern alle Best in Class sind…“

 

Das ist doch klar. BMW ist Best in Class. Allerbest sogar:

LEITERbAV-Dienstfahrzeug.

Grafiken zur Volldarstellung anklicken.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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