Eine Oppositionspartei hatte die Bundesregierung nach dem Ausmaß der Kürzungen im Future Service von Pensionskassen gefragt. Die Fallzahl ist sichtlich größer, als es in der Öffentlichkeit bis dato bekannt war.

LEITERbAV hatte berichtet: Kurz vor Weihnachten 2017 hatte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen eine Kleine Anfrage zur Finanzaufsicht an die Bundesregierung gestellt. Der Rundumschlag von 61 Fragen (zzgl. zahlreicher Unterfragen) drehte sich um Banken und deren Rettung, um CumCum und CumEx, um Lebensversicherer und ihre Kunden – und schließlich auch um Pensionskassen. Die Antwort liegt bereits seit einigen Wochen vor, ist teilweise bereits durch die Fachpresse gegangen, doch wegen der gegenwärtigen Nachrichtendichte berichtet LEITERbAV erst jetzt, obwohl die Antworten (hier gerafft und kursiv wiedergegeben) es in sich haben.
Die Fälle à la BVV und neue leben und…
Unmittelbar betroffen ist die bAV in dem Fragenkomplex Nummer 52. Dort geht es um die Kürzungen bei Pensionskassen (PK). Wissen wollten die Grünen:
„Von wie vielen und welchen PK wurde die Anpassung von Verrentungsfaktoren für künftige Beiträge wie bspw. bei der BVV Pensionskasse und der neue leben Pensionskasse (Bundestagsdrucksache 18/9942) von 2007 bis 2017 bei der BaFin beantragt, und wie viele und welche dieser Anträge wurden jeweils genehmigt (bitte jeweils Jahresangaben)?“
Die Antwort der Bundesregierung:
PK können bei der BaFin beantragen, die Verrentungsfaktoren für künftige Beiträge anzupassen, wenn in ihrer Satzung oder in den verwendeten AVB eine Anpassungsklausel mit Genehmigungsvorbehalt durch die BaFin enthalten ist.
Dann listet die Antwort die 27 Fälle auf, in denen – überwiegend nach § 233 VAG regulierte – PK von 2007 bis 2017 die Maßnahme durchgeführt haben:
2007 Pensionskasse der EDEKA Organisation VVaG
2008 Pensionskasse westdeutscher Genossenschaften VVaG
2009 Pensionskasse Rundfunk
2009 Pensionskasse der Wasserwirtschaftlichen Verbände Essen VVaG
2010 Hannoversche Alterskasse VVaG
2010 Hannoversche Pensionskasse VVaG
2011 Baden-Badener Pensionskasse VVaG
2011 Müllerei Pensionskasse VVaG
2011 Pensionskasse Rundfunk
2013 Pensionskasse Rundfunk
2014 Pensionskasse BOGESTRA
2014 Gerling Versorgungskasse
2014 Hannoversche Alterskasse VVaG
2014 Hannoversche Pensionskasse VVaG
2014 Versorgungskasse Radio Bremen
2015 BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G.
2015 Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation VVaG
2015 HDI Pensionskasse AG
2015 Pensionskasse der Lotsenbrüderschaft Elbe
2016 Dresdener Pensionskasse VVaG
2016 neue leben Pensionskasse AG
2016 Pensionskasse der Novartis Pharma GmbH in Nürnberg VVaG
2016 Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder VBL
2016 Zentrales Versorgungshandwerk für das Dachdeckerhandwerk VVaG
2017 Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen VVaG
2017 Versorgungskasse der Firma M. DuMont Schauberg E.d.K. Zeitung
2017 Pensionskasse der Wasserwirtschaftlichen Verbände Essen VVaG
Zwei PK haben bei der BaFin Anträge gestellt, deren Prüfung andauert, so die Bundesregierung, deren Namen sie nicht nennt.
Zu den diesbezüglichen Unterfragen:
„a) Welchen geschätzten Umfang hatten diese Kürzungsanträge jeweils?“
Die Antwort fällt mit Rücksicht auf den Wettbewerb der Kassen nur allgemein aus:
In der Regel wird der Kalkulationszins neu festgelegt, mit dem der Verrentungsfaktor berechnet wird. Im Durchschnitt wurde der Kalkulationszins um rund 1,2 Prozentpunkte auf zwei Prozent gesenkt. Angaben zu den einzelnen betroffenen PK werden „VS – Vertraulich“ eingestuft in der Geheimschutzstelle zur Verfügung gestellt. Begründung: Die Kalkulationsgrundlagen zur Berechnung des Verrentungsfaktors gehören zu den durch Artikel 12 Absatz 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der PK.
„b) In wie vielen und welchen Fällen ist BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund persönlich einbezogen gewesen?“
Das Organisationsstatut unterscheidet nicht, ob der Exekutivdirektor persönlich einbezogen ist oder nicht.
„c-f) Waren bei den entsprechenden PK Nachrangdarlehen gegeben (wenn ja, in welcher Höhe jeweils)? Welche Rolle spielten diese Darlehen im Zuge der Leistungskürzungen jeweils? Wie hat die BaFin diese Rolle bewertet? Hat die BaFin im Rahmen dieser Prozesse zur Bedingung gemacht, dass auch die Kapitalgeber zur Sanierung der PK herangezogen werden?“
Die Höhe der Nachrangdarlehen können den öffentlich zugänglichen Jahresabschlüssen der PK entnommen werden. Nachrangdarlehen tragen dazu bei, dass die PK die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Kapitalausstattung erfüllen. Mittel, die zur Bedeckung der Kapitalanforderung benötigt werden, können nicht verwendet werden, um die Kürzung der Verrentungsfaktoren zu dämpfen. Das gilt insbesondere auch für Nachrangdarlehen.
„g)-i) Wurde juristisch geprüft, ob von den umfangreichen aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten gemäß § 298 VAG Gebrauch gemacht werden könnte, um sicherzustellen, dass die Kapitalgeber nicht mehr geschützt werden als die Versicherten? Wenn nicht, was versteht die BaFin unter Wahrung der Belange der Versicherten gemäß § 298 VAG? Wurde ggf. das BMF darüber informiert, dass Kapitalgeber im Zweifelsfall besser geschützt werden als die Versicherten, und ggf. eine Veränderung der Rechtslage angeraten?“
Hier betont die Bundesregierung, dass nur der Future Service betroffen ist:
Die Frage geht davon aus, dass die Nachrangkapitalgeber besser geschützt sind als die Versicherten. Das ist nicht der Fall. Die Anwartschaften der Versicherten, die aus den bisher gezahlten Beiträgen aufgebaut worden sind, bleiben unangetastet. Die neuen, niedrigeren Rentenfaktoren beziehen sich allein auf die künftigen Beiträge. Soweit weiteres Nachrangkapital zur Verfügung gestellt wird, müssen die Kapitalgeber entsprechend mit einer angepassten Verzinsung rechnen. Im übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 52d bis 52f verwiesen.
BVV und neue leben ganz konkret
Um den gleichen Themenkomplex geht es auch in der Frage 59, allerdings konkret betreffend die beiden bis dahin öffentliche bekannten Fälle:
„59. Welche Unterlagen, Hoch-, Prognoserechnungen oder sonstigen Dokumente sind vom BVV und der neue leben PK im Rahmen der von ihnen beantragten Leistungskürzungen der BaFin vorgelegt worden, und mit welchem Ergebnis?“
Erst mal eine Klarstellung, Future Service:
Die genannten PK haben keine Leistungen gekürzt. Sie haben aufgrund einer Klausel in den AVB oder in der Satzung die Rentenfaktoren für künftige Beiträge gesenkt.
Und weiter:
Die PK haben folgende Unterlagen vorgelegt bzw. entsprechende Ausführungen gemacht:
- Unterlagen zur aktuellen und künftig erwarteten wirtschaftlichen Situation der PK einschließlich der künftig erwarteten Kapitalerträge, jeweils mit und ohne Durchführung der geplanten Maßnahme. Dies beinhaltet Ausführungen dazu, inwieweit die wirtschaftliche Situation der PK durch die geplanten Maßnahmen verbessert würde. Die Annahmen, die den Angaben zur künftigen Entwicklung zugrunde liegen, wurden angegeben;
- Informationen über andere ggf. bereits ergriffene sowie künftig noch denkbare Maßnahmen;
- Ausführungen dazu, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Herabsetzung der Verrentungsfaktoren auf Grundlage der konkreten Formulierung der entsprechenden Klausel in den AVB oder in der Satzung gegeben sind.
Die Prüfung durch die BaFin führte zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen erfüllt sind und die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist.
„a-d) über welchen Zeitraum erstreckten sich diese eingereichten Hochrechnungen und/oder Prognoserechnungen? Welche statistischen und finanzmathematischen Verfahren wurden zu ihrer Überprüfung angewandt, und mit welchem Ergebnis? Welche tatsächlichen Maßnahmen wurden zur Überprüfung der den Rechnungen zugrundeliegenden Sachverhaltsangaben getroffen, und mit welchem Ergebnis? Enthielten die Unterlagen, Hoch-, Prognoserechnungen oder sonstigen Dokumente Darstellungen der bilanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen, und falls ja, mit welchem Ergebnis?“
Die eingereichten Prognoserechnungen erstreckten sich über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die eingereichten Hoch- oder Prognoserechnungen wurden auf Plausibilität geprüft. Dabei wurde insbesondere darauf geachtet, dass die Rechnungen mit bereits vorliegenden Informationen (Jahresabschluss, Berichterstattung gegenüber der BaFin) konsistent waren und angemessene Annahmen getroffen wurden.
Nicht Gegenstand der kleinen Anfrage war, in wieweit die Arbeitgeber die Kürzungen im Future Service ausgeglichen haben. Gegenüber LEITERbAV erklärten BMAS und BaFin gleichermaßen, hierüber auch keine Informationen zu besitzen.
Die vollständige Antwort der Bundesregierung findet sich hier.
Die vollständige Anfrage selbst findet sich hier.
Die Presseschau entfällt.