… hat die deutsche zweite Säule weiter an Kampfgewicht zugelegt, wie jüngst ermittelt wurde, und die 700-Milliarden Marke geknackt. Wie kann das sein, wenn doch der Zins so stark gestiegen ist und damit die Verbindlichkeiten drückt? Antwort: Es kommt auf den Blickwinkel an.
Nachdem PENSIONS●INDUSTRIES just erst die aktuellsten GDV-Zahlen für die Versicherer-bAV analysiert hat, hier und heute die Zahlen für die deutsche bAV insgesamt:
Wie stets seit den Zahlen für das Jahr 2017, hat Ralf Klein, Leiter Versorgungsmanagement/bAV-Service bei der Höchster Penka, turnusgemäß auch in diesem Sommer erneut die Deckungsmittel der deutschen bAV quantitativ erfasst und auf Seiten der aba seine Erhebung publiziert – so auch in der jüngst erschienenen BetrAV 05 / 2024.1
Hier nun gerafft die Ergebnisse Kleins: Im Vergleich zu 2021 und den damals ermittelten Werten haben die Deckungsmittel der deutschen bAV im Jahre 0 der Zinswende weiter zugelegt, wenn auch nur leicht:
Sie beliefen sich zum 31. Dezember 2022 auf insg. ca. 704,6 Mrd. Euro und verzeichneten damit einen Zuwachs in Höhe von ca. 1,57% gegenüber 2021 (693,7 Mrd. Euro).Quelle: aba/Höchster Penka. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Für die einzelnen Durchführungswege ermittelt Klein für Ende 2022 folgendes Bild:Quelle: aba/Höchster Penka. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
En détail
Im Einzelnen ermittelte Klein:
Die Deckungsmittel für die Direktzusagen beliefen sich 2022 auf rund 327,2 Mrd. Euro (+2,6%). Davon entfielen rund 177 Mrd. Euro auf laufende Renten, rund 149 Mrd. Euro auf gesetzlich unverfallbare Anwartschaften; insg. fast 8,2 Mio. Berechtigte. Damit bleibt die Direktzusage mit 46% an den gesamten Deckungsmitteln mit Abstand der bedeutendste DFW.
Die Deckungsmittel der Pensionskassen – der bedeutendste externe Durchführungsweg – sind für rund 8,7 Mio. Anwärter (+200.000) und rund 1,5 Mio. Versorgungsempfänger gegenüber dem Vorjahr von ca. 198,8 auf rund 204,3 Mrd. Euro angestiegen (+2,8%), entsprechend einem Anteil von ca. 29%. Die durchschnittliche Reinverzinsung über alle Kassen erreichte 2,3%.
Die Direktversicherungen brachten Ende 2022 ca. 78,2 Mrd. Euro auf die Waage (+3,7%), Anteil ca. 11%.
Die U-Kassen zeigten wenig Bewegung. Ihre Deckungsmittel legten leicht von ca. 39,4 auf rund 39,8 Mrd. Euro zu (+1%), entsprechend einem Anteil von ca. 5,7%. die Zahl ihrer Rentner nahm von ca. 466.000 auf rund 464.000 leicht ab. Die gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften erreichten Ende 2022 rund 1,77 Mio. Stück.
Die Deckungsmittel der Pensionsfonds haben um rund 10,1% abgenommen, verursacht durch einen Rückgang der Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Arbeitnehmern und Arbeitgebern von rd. 57,4 auf 50,7 Mrd. Euro. Insgesamt lagen die Deckungsmittel aller Pensionsfonds bei rund 55,1 Mrd. Euro (nach 61,3 Mrd. Euro im VJ), entsprechend noch einem Anteil von rd. 7,8%. Die durchschnittliche Reinverzinsung bei den Kapitalanlagen für RRAA lag bei -13,6% (VJ 3,6%).
Ursache dürfte hier die marktwertnahe Bilanzierung der Pensionsfonds sein, welche 2022 v.a. bei Fixed Income eine zentrale Rolle gespielt haben dürfte. Mit rund 895.000 Anwärtern (VJ 838.000) und rund 409.000 Rentnern (VJ 405.000) nahm die Zahl der Berechtigten allerdings zu.
Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der einzelnen DFW, und man sieht, dass lediglich die Pensionsfonds an (bilanziell getrieben) Deckungsmitteln verloren haben:Quelle: aba/Höchster Penka. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Im engen und im weiten Sinne
Auch wenn wohl allen hier ohnehin bewusst, sei zu der Frage der Abgrenzung des Terminus „bAV“ bzw. „Pensionswesen“ wie stets wiederholt: Bekanntlich hat Deutschland ein besonders vielfältiges System der Altersvorsorge, so dass man je nach Sichtweise (undPENSIONS●INDUSTRIES hat redaktionell eine sehr breite) zusätzliche Erscheinungsformen der Altersvorsorge unter den Begriff einer bAV bzw. eines Pensionswesens im weiteren Sinne erfassen kann. Das gilt namentlich für berufsständische Versorgungswerke (auch wenn diese bei den Berechtigten die erste Säule ersetzen) sowie für kirchliche und kommunale ZVK und weitere Vehikel des öffentlich-rechtlichen Raums. Insofern kann man der deutschen bAV auch weiteres Kampfgewicht zubilligen:
Berufsständische Versorgungswerke, wie sie in der ABV organisiert sind, dürften zusammen über 230 Mrd. Euro auf die Waage bringen (s. Tactical Advantage Vol. 8). Hinzu kommen ca. 150 Mrd. Euro der kirchlichen und kommunalen ZVK sowie 33 Mrd. Euro AuM bei der VBL (s. Tactical Advantage Vol. 12). Addieren könnte man genaugenommen auch die (wenn auch im kleinen Rahmen) teilgefundeten Beamtenpensionen (und ggf. je nach Gusto auch Teile der Riester- und Rürup-Renten).
Hinzu kommt, dass auch Book Reserves der Direktzusage selbst ein dehnbarer Begriff ist. Die Daten Kleins beruhen hier auf dem starren 6a EStG (und deshalb ist das Knacken der 700. Mrd. auch keine Überraschung). Nach 253 HGB und IAS 19 sind die Werte seit der Zinswende zwar im Rückwärtsgang, aber nach wie vor sichtlich höher; hier ermittelte bspw. Mercer für das Jahresende 2022 allein für den DAX eine DBO von 323 Mrd. Euro (übrigens: zur Jahresmitte 2024 ermittelte WTW modellhaft eine IAS von zinsgedrückten noch 309,4 Mrd. Euro).
Es gilt weiterhin: Hält man also für die Deckungsmittel der deutschen bAV im engeren Sinne Kleins fast 705 Mrd. Euro (nach 6a) und im weiteren Sinne grob ca. eine Größenordnung von irgendwo > eine Billion Euro fest, dürfte man weiterhin der Wahrheit – die auch hier wie so oft viele Facetten hat – nahe kommen.
Die Rolle im Konzert
Und wie gehabt: Will man wissen, welche Rolle EbAV und Versorgungswerke mit ihren Plan Assets im Konzert des institutionellen Asset Managements spielen, wird man hier fündig. Will man genauer wissen, wer davon wieviel und wie verwahrt, lese man hier.
Was (meist) nicht interessiert
Wir haben es in diesem Beitrag mit einer nationalen Betrachtungsweise des Pensionswesens zu tun – und selbst diese weist schon zwar tragbare, aber doch erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten und Unschärfen aus, welche verschiedene Blickwinkel möglich und erforderlich machen. Abschließend sei daher erneut bemerkt, dass vor allem internationale Studien mit meist ohnehin viel zu breiten Ansätzen bei der Vielfalt der deutschen bAV oft an ihre fachlichen Grenzen stoßen und deshalb auf dieser Plattform redaktionell mangels Sinnhaftigkeit wenn überhaupt nur noch kurz (sei es bspw. Studie des Thinking Ahead Institute von 2017, der OECD von 2020 oder der ALFI ebenfalls von 2020). bzw. eher gar nicht mehr behandelt werden.
Fußnote: Klein, R.; Die Deckungsmittel der betrieblichen Altersversorgung in 2022, BetrAV 5/2024, Seite 462-464.