Die Lebensversicherer haben kürzlich erste Kennzahlen für das Geschäftsjahr 2023 vorgelegt. Darin sind auch Ergebnisse von Direktversicherungen, Wettbewerbs-Pensionskassen und Versicherer-Pensionsfonds dokumentiert. Die Bilanz spiegelt die Probleme aller Anbieter von Garantiemodellen so deutlich wie nie zuvor. P●I-Autor Detlef Pohl hat die Zahlen beleuchtet.
Zunächst zum Grundsätzlichen: „Insgesamt war es kein leichtes Jahr für die Lebensversicherungen einschließlich bAV, mit über 85 Mio. Verträgen bleiben sie aber fester Bestandteil der Alterssicherung in Deutschland“, lässt sich Moritz Schumann (32), seit März neuer stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV und zuvor bei der Allianz Leiter des Referats „Grundlagen und Pricingmethoden“ in einer GDV-Meldung zitieren (Schumann ist Nachfolger von Peter Schwark, der offenbar beruflich nicht ausreichend auf der Wellenlänge von GDV-HGF Jörg Asmussen gefunkt hatte und seinerzeit seinen Hut nehmen musste).
Zwischen Stagnation und Rückgang …
Zu den Versicherer-Zahlen insgesamt: Was kam rein? Lebensversicherungen, Pensionskassen und -fonds verzeichneten 2023 einen Rückgang der Beitragseinnahmen von 5,0% auf 92,2 Mrd. Euro, geht aus der 24er-Auflage der Publikation „Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen“ hervor.
Aufgrund der Zinsentwicklung verringerte sich der Einmalbeitrag erneut um 15,7% auf 25,8 Mrd. Euro, während die laufenden Beiträge mit 66,3 Mrd. Euro unverändert blieben.
„Auch für 2024 sind die Aussichten gedämpft“, gibt der GDV zu. Es sei insgesamt ein Beitragsrückgang von weiteren 2,6% im Vergleich zu 2023 zu erwarten, eine Trendwende erst ab 2025 in Sicht.
Was ging raus? Die ausgezahlten Leistungen stiegen 2023 deutlich um 8,7% auf 99 Mrd. Euro. Insgesamt ist das Neugeschäft minimal auf rund 4,42 Mio. Policen gestiegen, verbleibt damit aber nahe dem absoluten Tiefststand aus dem Jahr zuvor (4,41 Mio.).
Konkrete Zahlen zur bAV werden im summarischen Jahresrückblick des GDV diesmal nicht genannt. Dazu muss man schon das ausführliche Zahlenwerk des GDV bemühen:
Im Vergleich zur Lebensversicherung insgesamt ist der Absatz bei Pensionskassen und Pensionsfonds bescheiden. Relativ allerdings fallen die Abstürze bei Pensionskassen unter Regie der Lebensversicherer noch höher als bei den Lebensversicherungen insgesamt, während die Neuverträge bei Pensionsfonds leicht angestiegen sind. Aber der Reihe nach:
bAV-Verträge insgesamt leicht überdimensioniert
Wie das GDV-Zahlenwerk zeigt, stieg der gesamte bAV-Anteil bis Ende 2023 bei der Zahl der LV-Bestandsverträge minimal von 19,3 auf 19,4%; gemessen an den Bestandsbeiträgen immerhin von 24,2 auf 24,5%. Auf Nachfrage nannte der GDV gegenüber PENSIONS●INDUSTRIES für 2023 über 16 Mrd. Euro bAV-Bestandsbeiträge (nur laufender Beitrag). Insgesamt sind 2023 über 16,6 Mio. LV-Verträge der bAV zuzurechnen gewesen. Den Anteil neu abgeschlossener bAV-Verträge am LV-Gesamtergebnis gibt die GDV-Broschüre diesmal nicht wieder.
Jedoch zum Vergleich: Ende 2020 war knapp ein Fünftel aller Bestandsbeiträge (18,5%) in die Lebensversicherung insgesamt geflossen. Die Beiträge hatten damals bei 19 Mrd. Euro gelegen.
Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: GDV, Jahrbuch S. 33.
Zu den einzelnen Durchführungswegen:
Direktversicherung: leicht angedellt
Nachdem es 2022 so viele Direktversicherungen gab wie nie zuvor – fast jeder fünfte bAV-Vertrag der Lebensversicherer – sank der Bestand 2023 um 0,2% auf 8,78 Mio. Verträge.
Von allen fünf bAV-Durchführungswegen, in denen sich die Lebensversicherer engagieren (inkl. 3,71 Mio. Rückdeckungsversicherungen für Pensionszusagen), bleibt die Direktversicherung dennoch Spitze – ungeachtet von weiterhin nur 0,25% Rechnungszins und der weit verbreiteten Pflicht zur 100%-Garantie in den arbeitsrechtlich vereinbarten Zusagen. Der laufende Jahresbeitrag kletterte um 204 Mio. Euro auf fast 9,22 Mrd. Euro.
Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: GDV, Jahrbuch S. 30.
Übrigens: Seit Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes 1974 hat sich der die Zahl der Policen im Bestand mehr als vervierfacht, und die versicherte Summe stieg von 7,1 Mrd. Euro auf 280,5 Mrd. Euro an, heißt es in der Broschüre.
Pensionskassen: ordentlich verbeult
Ungeachtet dessen, dass sich die Direktversicherung gut hält, hindern sicher u.a. die bekannten Baustellen bei der bAV-Regulierung auch die Lebensversicherer weiter am Umsatzwachstum, allen voran bei Pensionskassen.
Jedenfalls traf es 2023 knüppelhart die 17 vom GDV erfassten überbetrieblichen Kassen (von 126 unter BaFin-Aufsicht stehenden Kassen), die vielfach erst 2002 mit hohen Kosten gegründet oder geöffnet worden waren, weil der Gesetzgeber damals der etablierten Direktversicherung zunächst die Förderung der Entgeltumwandlung versagte. Das wurde bekanntlich ab 2005 korrigiert, und danach begann die Verwitterung des Neugeschäfts der Wettbewerbs-Pensionskassen – die mit Masse wohl früher oder später in die Direktversicherungsbestände integriert oder gleich geschlossen werden dürften.
Der Bestand an Pensionskassen-Verträgen verringerte sich auf nunmehr 3,41 Mio. Policen (-1,9%) mit einer Versicherungssumme bzw. kapitalisierten Jahresrente von 56,1 Mrd. Euro (-2,5%).
Der laufende Beitrag für ein Jahr ging erneut weiter zurück und belief sich auf 1,8 Mrd. Euro (-5,3%).
Die gebuchten Brutto-Beiträge (ohne Beiträge aus RfB) der Pensionskassen verringerten sich auf 1,92 Mrd. Euro (-5,0%). Unterm Strich haben nur 42.200 Menschen 2023 neu begonnen, mit Hilfe von Pensionskassenzusagen für das Alter vorzusorgen (-10,9%). 2021 und 2020 waren es jeweils noch über 50.000 Neuabschlüsse gewesen.
Immerhin sind die Kapitalanlagen Ende 2023 auf 55,4 Mrd. gestiegen (+2,1%). Hinzu kommen noch knapp 1,5 Mrd. Euro an Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Pensionskassenpolicen (+13,9%). Die Brutto-Neuanlage verringerte sich jedoch dramatisch auf 4,9 Mrd. Euro (-39,8%).
Eine plausible Erklärung für den Absturz bei den Brutto-Neuanlagen liefert das Zahlenwerk nicht. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass die vergleichsweise „jungen“ Pensionskassen „Zug um Zug in ihre Versorgungsfunktion hineinwachsen: Im Jahr 2023 stiegen die ausgezahlten Versicherungsleistungen insgesamt auf 1,8 Mrd. Euro (+12,0%)“.
Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: GDV, Jahrbuch S. 31.
Einige Kassen befinden nach der langjährigen Zinsmisere inzwischen bereits im Run-off, wobei der ganz überwiegende Teil des Bestandes der aktiven Kassen – 94,1% – auf Pensionsversicherungen entfällt, die sich noch in der Anwartschaftsphase befinden. „Zahlen zu Unternehmen im Run-off erfasst der Verband nicht“, hieß es auf Nachfrage der Redaktion schon im vergangenen Jahr.
Pensionsfonds: teils Wachstum, teils Rückgang
Deutlich besser sieht die Bilanz der 14 vom GDV erfassten LV-Pensionsfonds aus (von 34 unter BaFin-Aufsicht stehenden Pensionsfonds insgesamt):
Unterm Strich haben 58.200 Menschen 2023 neu begonnen, mit Hilfe von Pensionsfondszusagen fürs Alter vorzusorgen (+0,8%). Der Bestand stieg so auf 649.000 Personen (+ 7,0%). Das sind die guten Meldungen.
Der laufende Beitrag für ein Jahr aus diesem Neuzugang erreichte 40,6 Mio. Euro (+19,2% nach 59,7% 2022), das ist ebenfalls positiv zu verbuchen. Aber: Der Einmalbeitrag betrug nur noch 0,8 Mrd. Euro (-60,2%); der höhere Zins und damit der geringere bilanzielle Druck zum Outside Funding (das im Gegenzug an sich günstiger geworden ist) lässt grüßen, und zwar nachdrücklich.
Die gebuchten Brutto-Beiträge halbierten sich entsprechend auf 1,1 Mrd. Euro. Grund ist laut GDV, dass „die Entwicklung der Beitragseinnahmen von Pensionsfonds stark von Einmalbeiträgen geprägt ist, die mit der Auslagerung von Pensionszusagen verbunden sind, wobei diese Einmalbeiträge im Zeitverlauf stark schwanken“. Wie gesagt, der liebe Zins …
Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: GDV, Jahrbuch S. 31.
Von 2,02 Mrd. Euro Beitragssumme (2022: 3,0 Mrd.) im Neugeschäft entfielen diesmal 1,2 Mrd. Euro auf Verträge mit laufender Beitragszahlung, die somit fast 60% des Neugeschäfts bei LV-Pensionsfonds ausmachten. Im Jahr zuvor waren noch 2,03 Mrd. Euro auf Einmalbeiträge entfallen, aber nur 979 Mio. Euro auf Verträge mit laufender Beitragszahlung.
Verband sieht weiter viel Wachstumspotenzial
Insgesamt bescheinigt der GDV der bAV noch Wachstumspotenzial. Und warum? Weil der Zuwachs in den letzten Jahren nicht mehr mit dem Beschäftigungswachstum Schritt halten konnte. Vor allem in KMU werde die bAV noch zu wenig genutzt. Die Versicherer wollten denen, die keine eigenen Versorgungswerke haben, auch künftig attraktive Lösungen bieten, bekräftigt der GDV im Zahlenwerk, ohne Zahlen zur Verbreitung zu nennen. Und wiederholt sein Mantra aus dem Vorjahr: „Dazu wäre es sinnvoll, der bAV mehr Raum für chancenreichere Kapitalanlagen zu geben – auch jenseits der Sozialpartnermodelle.“ Gut, immerhin damit ist bei den Pensionskassen ja gleich an zwei Fronten – Unterdeckung und Anlageverordnung zu rechnen – so der Gesetzgeber seinen Vorstoß bei der AnlV legislativ-redaktionell noch nachschärft.
Außerdem sollen Pensionskassen ja künftig leichter aufzulösen sein. Ob dies am Ende der erste Schritt sein wird, eines Tages Versicherern auch ermöglichen, Direktversicherungen und Pensionskassen zu mergen, bleibt abzuwarten.