Soviel Ausfinanzierung war (fast) noch nie, denn Rechnungszins und Märkte haben ganze Arbeit geleistet: Die Lücke zwischen DBO und Plan Assets hat sich in der deutschen Industrie weiter verringert, zumindest der turnusgemäßen WTW-Modellrechung zufolge. Allerdings: Man lag schon mal höher.
Der internationale Rechnungszins konnte in der ersten Jahreshälfte einen Anstieg von fast 50 BP auf 3,74% verzeichnen. Folge: Die DBO der DAX- bzw. MDAX-Unternehmen fielen seit Jahresbeginn um ca. 5% auf 309,4 Mrd. Euro bzw. 37,0 Mrd. Euro zur Jahresmitte.
Zusammen mit der positiven Entwicklung der Märkte führt dies zu einem neuen Höchststand der Funding Ratio von 84,0% für die DAX-Unternehmen (79,1% Ende 2023) und 84,8% für die MDAX-Unternehmen (77,7% Ende 2023).
Zu diesen Ergebnissen kommt die Modellberechnung „German Pension Finance Watch“ von WTW.
Quelle: WTW. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Wenn WTW von einem „neuen Höchststand“ spricht, kann man damit aber kein ATH meinen. So sahen wir hier Mitte 2022 bereits satte 86 bzw. 77,5% Ausfinanzierung.
Higher for longer bei den Notenbanken
„Der internationale Rechnungszins konnte im ersten Halbjahr 2024 um fast 50 BP zulegen. Grund sind enttäuschte Erwartungen der Finanzmärkte über ausbleibende schnelle Leitzinssenkungen der großen Notenbanken“, so Hanne Borst, Head of Retirement bei WTW.

Nach der ersten Leitzinssenkung der EZB im Juni, aufgrund der spürbar gesunkenen Inflation in der Eurozone in der ersten Jahreshälfte, gab der internationale Rechnungszins jedoch leicht nach. „Die Inflation in den USA ist immer noch höher als erwartet. Zudem zeigt sich die US-Wirtschaft nach wie vor sehr robust. Aus diesem Grund hat die US-Notenbank FED im ersten Halbjahr noch keine Leitzinssenkung vorgenommen. Im Juli wird daher nur noch mit einer Zinssenkung der FED im laufenden Jahr gerechnet, nachdem die Finanzmärkte im März noch von drei Leitzinssenkungen für 2024 ausgegangen waren“, erläutert Hanne Borst die Entwicklungen.
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Ebenso spielten die Märkte der Funding Ratio in die Hände, zumindest bei den Aktien: Die globalen Aktienmärkte verzeichneten im 1. HJ einen deutlichen Rückgang der Vola und setzten ihre Aufwärtsbewegung fort. An den Anleihemärkten stiegen die Renditeniveaus nach einem Tief im Dezember 2023 in der ersten Jahreshälfte wieder an. Gleichzeitig setzte sich die Korrektur an den Immobilienmärkten fort. Die insgesamt positive Entwicklung am Kapitalmarkt führte im ersten Halbjahr 2024 zu einem Zuwachs bei den Planvermögen von 0,9% auf rund 260 Mrd. Euro im DAX und von 4% auf 31,4 Mrd. Euro im MDAX.
Prognose: Rechnungszins sinkt langsam, Volatilität an Kapitalmärkten nimmt zu
Für die Jahre 2025 und 2026 werden jeweils vier Leitzinssenkungen prognostiziert. Dies hat Auswirkungen auf die Renditen von AA-Unternehmensanleihen und damit auf die Entwicklung des internationalen Rechnungszinses für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen gemäß IAS 19 und US-GAAP. „Wir gehen davon aus, dass der internationale Rechnungszins sinkt, allerdings langsamer als noch vor einigen Monaten angenommen“, so Borst.
Während sich die amerikanische Wirtschaft weiter positiv entwickelt, bleibt die konjunkturelle Lage in Deutschland und der Eurozone angespannt. Die Wachstumsprognose der EZB für die Eurozone im Jahr 2024 wurde zwar im Juni angehoben, jedoch fällt diese mit 0,9% weiterhin gering aus, stellt WTW weiter fest.
Der anhaltende Ukraine-Krieg sowie die in diesem Jahr anstehenden Wahlen in vielen Ländern sorgen weiterhin für eine gesamtwirtschaftliche und politische Unsicherheit. WTW erwartet daher eine Zunahme der Vola,
„Angesichts der unverändert herausfordernden ökonomischen Rahmenbedingungen und der daraus zu erwartenden Zunahme der Vola sind die Unternehmen insgesamt weiter gut beraten, ihre Pensionssysteme im Spannungsfeld zwischen Marktentwicklung und Rezessionsängsten im Blick zu behalten“, mahnt Johannes Heiniz, Senior Director Retirement bei WTW.
Für die Hälfte bAV wichtiger als je zuvor

WTW wäre kein guter Benefit Consultant, würde man nicht auch auf die stete Bedeutung der bAV hinweisen. Neben den ökonomischen Herausforderungen sieht man dort die Unternehmen auch wegen des Fachkräftemangels weiter unter Druck. Hier spielte die bAV weiter eine tragende Rolle – und das über alle Generationen hinweg. Das sieht man durch die „Global Benefits Attitudes Survey 2024“ (GBAS) untermauert, in der Anfang des Jahres rund 2.000 Menschen in Deutschland befragt wurden. So sagt die Hälfte der Befragten (51%), dass ihnen die bAV wichtiger ist als je zuvor. 60% ist es zudem wichtig, dass ihr Arbeitgeber eine aktive Rolle beim bAV-Angebot einnimmt.
„Die bAV ist und wird auch künftig für die Mitarbeitergewinnung und -bindung höchste Bedeutung haben. Unternehmen aller Größenordnung sollten daher ihre Pensionspläne und Benefits auf den Prüfstand stellen und neu bewerten“, so Heiniz, und er verweist auch auf die Regulierung: „Nicht zuletzt die Entgelttransparenzrichtlinie der EU führt dazu, dass die bAV und Benefits auch verstärkt unter dem Blickwinkel der Fairness geprüft werden.“
Über die Modellberechnung und die Studie
Die WTW-Modellberechnung verfügt über drei Benchmark-Pensionspläne: jeweils einem für den DAX und MDAX typischen Pensionsplan sowie einem Pensionsplan, der zum Stichtag 31.12.2003 vollständig ausfinanziert war und laufend in Höhe der neu verdienten Ansprüche dotiert wird (100%-Plan). Die Analyse ergänzt die Studien von WTW zu den Auswirkungen der Kapitalmarktentwicklungen auf US-amerikanische Benchmark-Pensionspläne (WTW US Pension Finance Watch) und weltweite Benchmark-Pensionspläne (WTW Global Pension Finance Watch).
Die Studie „Global Benefits Attitudes“ von Willis Towers Watson skizziert die Einstellung der Beschäftigten in Bezug auf die Themen Benefits, Wellbeing sowie auf die Altersvorsorge, wurde in 29 Ländern mit 45.000 Befragten durchgeführt, davon 2.000 in Deutschland. Die Befragten repräsentieren hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen und Branchenzugehörigkeit ein breites Spektrum der deutschen Arbeitnehmerschaft. Um die Repräsentativität der Ergebnisse zu erhöhen, wurden diese durch Gewichtung der tatsächlichen statistischen Verteilung in Deutschland angeglichen.