… und mehr: Vor wenigen Stunden hat die Europäische Kommission ihre erwarteten Vorschläge zur umfassenden Reform der europäischen Zusatzversorgungssysteme, zuvorderst der bAV, vorgelegt. Erfasst sind vorneweg die Pensionsfondsrichtlinie, das PEPP, Rentenübersichten und -Dashboards sowie das Auto Enrolment. Gleich eingangs leistet man einen heiligen Eid. Und überschreitet schon direkt rote Linien. Außerdem schon vorab eine Personalie aus Brüssel.
Mit einem Tag Verspätung hat die Europäische Kommission (mit Unterstützung der EIOPA) heute ihr erwartetes Maßnahmenpaket zum Pensionswesen verabschiedet. Die Vorschläge sind Teil der Com-Strategie für ihre Spar- und Investitionsunion (SIU), mit der Haushalte ihr Vermögen verstärkt über die Kapitalmärkte aufbauen sollen, womit gleichzeitig Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit der EU gefördert werden würde.

Wie die Com heute mitteilt, sei das Ziel der nun vorgeschlagenen Maßnahmen, sowohl die Nachfrage nach Zusatzrenten als auch deren Angebot zu stärken. Und, hört, hört, sie leistet gleich einen heiligen Eid:
„Die Initiativen respektieren uneingeschränkt die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Organisation und Gestaltung ihrer nationalen Rentensysteme sowie die Autonomie der Sozialpartner, soweit diese für die Einrichtung und Verwaltung von Rentensystemen zuständig sind.“
Das bleibt abzuwarten, man darf skeptisch sein. Nun im Einzelnen (und hier für die P●I-Leserschaft bereinigt um die üblichen Brüsseler Bla-Bla-Bausteine):
Empfehlung zu Rentennachverfolgungssystemen, Rentenübersichten und der automatischen Anmeldung zu Zusatzrentensystemen
Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten „unter vollständiger Achtung der Rolle und Autonomie der Sozialpartner sowie der Tarifverhandlungsrechte“:
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das auch hierzulande lang diskutierte Auto Enrolment.
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hier mit der DiGiRü schon eingeführte Rentennachverfolgungssysteme (da die Com wohl zu Recht die geringe Beteiligung an Zusatzrenten auch auf das begrenzte Bewusstsein der Bürger für ihre künftige Rente zurückführt), die mit dem Europäischen Nachverfolgungsdienst kompatibel sein sollen.
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Nationale Renten-Dashboards, damit die politischen Entscheidungsträger einen besseren Überblick über Abdeckung, Nachhaltigkeit und Angemessenheit ihrer Rentensysteme erhalten – mit der Perspektive, dass diese nationalen Dashboards letztlich in ein Renten-Dashboard auf EU-Ebene einfließen.
Gesetzesvorschlag zur Änderung IORP II-RL

Hier nennt die Com abseits der erwähnten üblichen Textbausteine in ihrer Mitteilung von heute praktisch nichts konkretes. Man kann aber herauslesen, dass es v.a. um die Schaffung größerer Einheiten und um Skaleneffekte auch in der Kapitalanlage (z.B. zur Finanzierung von Infra und PE) geht (also ein pensionspolitischer Trend, den man aus UK kennt und der dort keineswegs unumstritten ist).
Wer es schon genauer wissen will, der kann sich den 90seitigen, öffentlich verfügbaren Vorschlag der Com hier ansehen, verfasst in feinstem Brüsseler Bürokraten-Englisch und in dem die üblichen Regulierungs-Tretminen wie meist zwischen den Zeilen zu suchen sein dürften. Doch vermutlich sollte man eben deswegen die Analyse der Verbände und großen Consultants abwarten.
Gesetzesvorschlag zur PEPP
Wie angekündigt ist auch der prominenteste Scheintote des europäischen Pensionswesens (und das mit Ansage) an Bord, das PEPP, das ungeachtet – oder gerade wegen – seiner Dauer-Agonie besondere Wertschätzung der EIOPA und in Brüssel genießt.

Mit der Überarbeitung soll ein „erschwingliches und leicht zugängliches Basis-PEPP“eingeführt werden, das in einfache Finanzanlagen investiert und der Öffentlichkeit ohne Beratung angeboten wird. Sparer sollen auch Zugang zu „maßgeschneiderten“ PEPPs bekommen, die Garantien und komplexere Vermögenswerte enthalten können und eine Beratung erfordern, um sicherzustellen, dass die Verbraucher sie verstehen.
Dadurch soll das PEPP an unterschiedliche Anlegerpräferenzen anpassbar und für verschiedene Arten von Anbietern, darunter Vermögensverwalter und Versicherer, geeignet sein. Das PEPP soll auch in der bAV verfügbar sein und könnte als Instrument für das Auto Enrolment dienen (wobei – natürlich – „Vorrechte und Autonomie der Sozialpartner uneingeschränkt respektiert werden“). Das hieße konkret, Hindernisse für Bereitstellung und Vertrieb verringern, Auswahlmöglichkeiten für Sparer erweitern und steuerliche Behandlung vereinheitlichen, da die Mitgliedstaaten verpflichtet sein werden, eine vergleichbare steuerliche Behandlung anzubieten (passt ja gut zu dem o.a. heiligen Eid).
Das Prudent Person-Prinzip
Der grob übersetzte „Prinzip der Sorgfalt“ regelt, wie IORP und PEPP-Anbieter ihre Vermögensportfolios anlegen und verwalten sollten. Dieser Grundsatz sei jedoch in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt worden, will die Com festgestellt haben, was die Möglichkeiten der EbAV zur Diversifizierung ihrer Anlagen, insb. in Aktien, häufig eingeschränkt habe.
Nun will die Com mit ihrem Vorschlag im Einklang mit ihrer SIU-Strategie Investitionen in private als auch notierte Real Assets erhöhen – zum Wohle der Bürger als auch im Sinne neuer Finanzierungsquellen für die EU-Wirtschaft.
Wie gehts weiter?
Die Vorschläge zur Änderung der IORP-II-Richtlinie und der PEPP-Verordnung müssen nun von EP und Rat verhandelt und vereinbart werden. Die Com ist hier offenbar optimistisch, schreibt sie doch:
„Die Kommission wird die Umsetzung der Empfehlung auf nationaler Ebene durch verschiedene Mechanismen überwachen.“
Erste Reaktion aus Deutschland – honi soit qui mal y pense
aba-GF Klaus Stiefermann erklärte – vorbehaltlich einer genauen Prüfung der Vorschlage – in einer ersten Reaktion auf die heute vorgelegten Com-Vorschläge gegenüber der P●I-Redaktion:
„Äußerst kritisch sehen wir, dass die Kommission mit ihren Vorhaben, delegierte Rechtsakte in der EbAV-II-RL einzuführen, eine rote Linie überschreiten will. Das gilt auch für den Plan, die Vorgaben zur steuerlichen Behandlung von PEPP – einem Rechtsbereich, der Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten erfordert – in der einschlägigen aufsichtsrechtlichen Verordnung festzuschreiben. Die Vorschläge scheinen insgesamt mit einer Ausweitung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen verbunden. Das würde die Kosten weiter (nach Umsetzung der DORA-Verordnung) erhöhen und Arbeitgeber nicht weiter motivieren, ihren Beschäftigten eine bAV anzubieten.“

Stiefermann erinnern die Kommissionsvorschläge – honi soit qui mal y pense – grundsätzlich stark an Empfehlungen in EIOPAs Technical Input von September. Zu diesem hat die aba zu Beginn dieser Woche bereits ein Positionspapier veröffentlicht.
Auch BVI-Chef Thomas Richter hat schon reagiert und erklärte: „Der Wegfall des Kostendeckels beim PEPP beseitigt eine zentrale Hürde. Jedoch ist fraglich, ob die EU-Länder die notwendige steuerliche Förderung gewähren werden. Ohne steuerliche Anreize wird das Produkt auch künftig nicht erfolgreich sein. In Deutschland wird das geplante steuerlich geförderte Altersvorsorgedepot die attraktivere Alternative für Sparer sein.“

aba an der PE-Spitze
Übrigens hat der europäische Pensionsverband PensionsEurope Klaus Stiefermann heute zu seinem neuen Vorsitzenden gewählt – aus Gründen. Mehr dazu morgen auf PENSIONS●INDUSTRIES.
Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.


























