Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Risiken für die bAV durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge:

Am seidenen Faden des Verbraucherschutzes

Der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge enthält eine Regelung, nach der Bestimmungen, die die Abtretbarkeit von Ansprüchen ausschließen, grundsätzlich unwirksam sind. Dies verletzt in mehrfacher Hinsicht die Grundsätze des Rechts der bAV und gefährdet die grundlegenden Entscheidungen, auf denen diese als zweite Säule der Altersversorgung beruht. Deshalb darf dieser Entwurf, ungeachtet der übrigen vorgeschlagenen Vorschriften, insoweit nicht inkrafttreten, warnen Theodor B. Cisch und Nils Börner und befürchten schwersten Schaden für die bAV.

 

Theodor B Cisch, Förster & Cisch.

Die neue Regelung soll in der bis heute geltenden Entwurfsfassung zwar auf Schuldverhältnisse, die vor dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes entstanden sind, keine Anwendung finden. Es räumt aber für neue Versorgungszusagen in der Form von AGB überhaupt keine Übergangsfrist zur Prüfung der Auswirkungen dieses Gesetzes und zur Neugestaltung neu zu erteilender Versorgungszusagen unter neuem Recht ein.

 

Die ersten Beratungen haben im Bundestag und seinem federführenden Ausschuss für Justiz und Verbraucherschutz sowie im Bundesrat stattgefunden. Auch eine Sachverständigenanhörung wurde vom federführenden Bundestagsausschuss bereits durchgeführt.

 

Wir schlagen für das Recht der betrieblichen Altersversorgung als so genannte Bereichsausnahme folgende Regelung in § 310 Abs. 4 a.E. BGB vor:

 

§ 308 Nr. 9 BGB gilt nicht für Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.“

 

Durch § 308 Nr. 9 soll die bestehende Regelung der „Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit“ im BGB nach der Entwurfsfassung (BGB-E) um folgendem Wortlaut ergänzt werden:

 

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam …

9. (Abtretungsausschluss)

eine Bestimmung, durch die die Abtretbarkeit ausgeschlossen wird

a) für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender oder

b) für ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat, wenn

aa) beim Verwender ein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsausschluss nicht besteht oder

bb) berechtigte Belange des Vertragspartners an der Abtretbarkeit des Rechts das schützenswerte Interesse des Verwenders an dem Abtretungsausschluss überwiegen.“

 

Abtretungsverbote in der bAV

 

Nils Börner, Foerster & Cisch.

Wesentliches Element der bAV ist jedoch die Sicherstellung des Versorgungszwecks der zugesagten Leistungen. Traditionell erfolgt diese Sicherstellung durch vertraglich vereinbarte Abtretungs- und Verpfändungsverbote, die eine vorzeitige Verfügung über die Versorgungsansprüche durch die versorgungsberechtigten Personen ausschließen.

 

 

Die Abtretungsverbote sind für die steuerliche Behandlung sowie die staatlich geförderte Altersvorsorge von entscheidender Bedeutung.“

 

 

Diese vertraglich vereinbarten Abtretungsverbote i.S.d. § 399 BGB sind deshalb unverzichtbar zur Sicherstellung des Leistungszwecks, aber auch zur Abgrenzung von Leistungen betrieblicher Altersversorgung von jenen z.B. der allgemeinen Vermögensbildung, ferner zum Schutz der versorgungsberechtigten Personen in den Fällen, in denen Gläubiger – gerade wegen des vertraglichen Abtretungsverbots – nur unter Wahrung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen (850 ff. ZPO) in die Versorgungsansprüche pfänden können.

 

Entsprechendes gilt für die Regeln der Restschuldbefreiung (§ 286ff. InsO) in den Fällen der Insolvenz der versorgungsberechtigten Person zu ihrem Schutz. Schließlich sind die Abtretungsverbote für die steuerliche Behandlung sowie die staatlich geförderte Altersvorsorge von entscheidender Bedeutung. Dieses Herzstück der bAV ist nunmehr durch den Entwurf des Gesetzes für faire Verbraucherverträge, dass derartige Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) generell für unwirksam erklären will, bedroht.

 

Die avisierte Unwirksamkeit der vertraglich vereinbarten Abtretungsverbote nach dem geplanten Recht würde arbeitsvertragliche Versorgungsordnungen, Leistungsrichtlinien etc. erfassen, nicht jedoch echte Einzelzusagen, dies jedoch nur soweit sie keine AGB enthalten, und auch nicht für Versorgungsbestimmungen in kollektivrechtlichen Regelungen gelten. (vgl. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB).

 

Steuerlich unabsehbare Folgen

 

Regelungen, in denen die Besonderheiten des Rechts der bAV Berücksichtigung finden, kennt der Gesetzentwurf nicht. Dies wird den berechtigten Interessen der Arbeitnehmer als Verbraucher und der Arbeitgeber als Verwender von AGB in der bAV nicht gerecht. Die Regelung widerspricht unseres Erachtens vielmehr der Systematik und den grundsätzlichen Wertungen des Betriebsrentenrechts und lässt unabsehbare Folgen auf die steuerliche Behandlung der bAV auf Seiten von Arbeitnehmer, Arbeitgeber und ihren Versorgungseinrichtungen befürchten.

 

Teilweise werden durch die vorgesehene Unwirksamkeit der vertraglich vereinbarten Abtretungsverbote die versorgungsberechtigten Personen sogar schlechter geschützt als bei Wahrung der in der bAV grundlegenden Abtretungsverbote. Dies gilt z.B. bei Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten, die unter weiteren Voraussetzungen dem Pfändungsschutz nach § 851c ZPO für Arbeitseinkommen unterstellt sind, wenn über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf, also insbesondere ein Abtretungsverbot besteht. Im Rahmen der Restschuldbefreiung nach § 286 ff. InsO hat der Versorgungsberechtigte als Schuldner seinem Antrag eine Erklärung über die Abtretung seiner pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder beizufügen. Hierdurch wird der Versorgungsberechtigte nach Maßgabe der §§ 287 bis 303a InsO als Schuldner von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit.

 

 

Für den Bereich der bAV bedeutet dies gegebenenfalls die völlige Entwertung der zukünftigen Versorgungsansprüche.“

 

 

Durch die nunmehr geplante Unwirksamkeit des Abtretungsverbotes wird diese sozialpolitisch gewünschte Möglichkeit des Schuldners, sich einerseits von den Verbindlichkeiten zu befreien, und nach der Restschuldbefreiung andererseits wieder über die betroffenen Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf die an deren Stelle tretende laufende Bezüge nach einem Zeitraum von drei Jahren wieder frei verfügen zu können, dadurch konterkariert, dass der Schuldner als Privatperson z.B. im Rahmen von Finanzierungsverträgen dem Ansinnen seiner Geschäftspartner ausgesetzt wird, über seine ggf. lebenslang laufenden Einnahmen vorab in toto zu deren Gunsten zu verfügen.

 

Für den Bereich der bAV bedeutet dies ggf. die völlige Entwertung der zukünftigen Versorgungsansprüche und mithin ggf. eine entsprechende Belastung der öffentlichen Kassen.

 

Abtretungsverbote in Versorgungsregelungen künftig unwirksam?

 

Durch das neue Klauselverbot in § 308 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Entwurfsfassung (BGB-E) sollen künftig alle Abtretungsausschlüsse in AGB für Geldansprüche eines Verbrauchers gegen den Verwender der AGB grundsätzlich unwirksam sein, insbesondere also auch sämtliche Zahlungsansprüche auf betriebliche Versorgungsleistungen.

 

Zudem soll für andere Ansprüche und Rechte – also im Bereich der betrieblichen Altersversorgung die Naturalleistung, Energiebeihilfen, Deputate, Personalrabatte nach Eintritt des Versorgungsfalls etc. – die anhand der Generalklausel des § 307 BGB entwickelte Rechtsprechung festgeschrieben werden.

 

 

Warum der Gesetzentwurf zwischen Zahlungsansprüchen und anderen Ansprüchen und Rechten eine materielle Unterscheidung trifft, ist nicht ersichtlich und für den Bereich der bAV auch nicht nachvollziehbar.“

 

 

Danach ist ein Abtretungsausschluss bei Naturalleistungen unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders nicht besteht oder berechtigte Belange des Verbrauchers an der Abtretbarkeit des Anspruchs oder Rechts das berechtige Interesse des Verwenders der AGB überwiegen. Warum der Gesetzentwurf zwischen Zahlungsansprüchen und anderen Ansprüchen und Rechten eine materielle Unterscheidung trifft, ist nicht ersichtlich und für den Bereich der bAV auch nicht nachvollziehbar. Nach der geplanten Regelung sind Abtretungsverbote generell unwirksam, soweit sie sich auf Geldleistung beziehen (§ 308 Nr. 9 a) BGB-E), und belassen in der rechtlichen Beurteilung nach dem Wortlaut der derzeitigen Gesetzesvorlage des § 308 BGB nur insoweit eine Wertungsmöglichkeit, als es um „ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat“ (§ 308 Nr. 9 b) BGB-E), geht.

 

Völlig ungeklärt ist sowohl die Frage, welches Interesse des Verwenders bei Naturalleistungen schutzwürdig ist sowie welche berechtigte Belange des Verbrauchers an der Abtretbarkeit eines Anspruchs oder Rechts welchen berechtigten Interessen des Verwenders überwiegt. Sozialpolitische, steuerliche, zulagenrechtliche, versicherungs- und versicherungsaufsichtsrechtliche Belange, die nicht in der Person des Verbrauchers bzw. des Verwenders liegen, sind jedenfalls bei dieser Gesetzesformulierung nicht geeignet, eine Ausnahme von der Unwirksamkeit eines Abtretungsverbotes zu begründen.

 

Im Übrigen ist es zu befürchten, dass sich hier eine unüberschaubare Kasuistik entwickelt, die wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit einer weiteren Verbreitung der bAV zuwiderläuft.

 

Rechtsunsicherheit auf Jahre hinaus

 

Zwar sind bei der Anwendung der die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch AGB betreffenden §§ 305 – 310 BGB auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB.

 

Die Beurteilung, ob hieraus auch eine Beschränkung des geplanten generellen Abtretungsverbots resultiert, und, falls ja, wie die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten auszusehen hat, sollte nicht der Arbeitsrechtsprechung überlassen bleiben: Zum einen, weil das Recht eine Vielzahl von insoweit relevanten Besonderheiten auch aus anderen Rechtsgebieten (z. B. Steuerrecht, Versicherungsrecht u.a.) aufweist, für deren Berücksichtigung auch diese Regelung keine gesetzliche Grundlage bietet. Zum anderen, weil es für Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus Gründen der Rechtsunsicherheit unzumutbar ist, in einer derart fundamentalen Frage dieses Rechtsgebiets auf Jahre auf den Rechtsweg verwiesen zu werden.

 

Unwirksame Abtretungen gefährden das sozialpolitische Ziel der bAV

 

Ferner ist die Durchführung betrieblicher Altersversorgung unter arbeitsrechtlichen, steuerlichen, versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten und vielen weiteren Aspekten stark reglementiert. In diesem Zusammenhang räumt der Staat diverse Möglichkeiten zum Aufbau einer bAV und seiner Finanzierung ein.

 

Dieses geschieht beispielsweise durch die Möglichkeit, betriebliche Versorgung durch steuerlich zu berücksichtigende Pensionsrückstellungen – betriebswirtschaftlich sinnvoll – vorzufinanzieren oder in den mittelbaren Durchführungswegen, zum Teil mit erheblichen steuerlichen Subventionen, aufzubauen und abzuwickeln.

 

Soweit die wirtschaftliche Verwertung der Versorgungsansprüche durch den Versorgungsberechtigten bereits früher als zu dem vertraglich vorgesehenen Versorgungsfall, respektive in dem Versorgungszeitraum, erfolgen kann, wird dieses sozialpolitische Ziel und die Sicherstellung und Anhebung des Lebensstandards im Versorgungszeitraum verfehlt. Zugleich werden die erheblichen staatlichen Mittel, die zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung eingesetzt werden, entwertet.

 

Abfindungsverbot

 

Im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis sind vorzeitige Abfindungen der Versorgungsrechte nur unter den engen Voraussetzungen des § 3 BetrAVG möglich, allenfalls bei geringwertigen unverfallbaren Versorgungsanwartschaften, in Fällen, in denen dem Arbeitnehmer die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattet worden sind oder in den Fällen der Abfindung von während eines Insolvenzverfahrens erdienten Anwartschaften.

 

Diese Vorschrift wurde im Rahmen des AltEinkG zum Schutz der öffentlichen Kassen mit Wirkung zum 1. Januar 2005 dahingehend auf laufende Versorgungsleistungen mit dem Ziel ausgedehnt, dass die Anwartschaften auf bAV bis zum Rentenbeginn und laufende Betriebsrenten bis zum Lebensende erhalten bleiben sollen.

 

 

Die Einschränkung der Abfindungsmöglichkeiten beruht offenbar auf schlechten Erfahrungen mit vergleichbaren Versorgungsmodellen in anderen Ländern.“

 

 

Mit dem Abfindungsverbot wird das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner unverfallbaren Anwartschaft und laufender Leistungen hoch bewertet. Im Bestreben, den Versorgungscharakter des Ruhegeldes aufrechtzuerhalten, d.h. dieses nicht zu einer Maßnahme der Vermögensbildung werden zu lassen, wird der Arbeitnehmer sogar „vor sich selbst geschützt“. Auf Grund der „unbestritten zunehmenden Bedeutung von Betriebsrenten für die Alterssicherung“ sollen den Beschäftigten „Anwartschaften auf bAV bis zum Rentenbeginn und laufende Betriebsrenten bis zum Lebensende erhalten bleiben“.

 

Die Einschränkung der Abfindungsmöglichkeiten beruht offenbar auf schlechten Erfahrungen mit vergleichbaren Versorgungsmodellen in anderen Ländern. Eine uneingeschränkte Abfindungsmöglichkeit könnte dazu führen, dass Arbeitnehmer die Abfindung vorzeitig in Anspruch nehmen, um die Abfindungssumme entweder für die eigene Vermögensbildung oder den vorzeitigen Konsum zu verwenden.

 

Dieser Wertungswiderspruch kann so nicht stehen bleiben.“

 

 

Betriebsrentenrechtlich wird dagegen durch § 3 BetrAVG eine wirtschaftliche Verwertung der Versorgungsrechte sowohl in der Anwartschaftszeit als auch in dem Leistungszeitraum bis zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt ausgeschlossen. Das BAG hat diese Regel über Abfindungen gegen Entgelt auf den entschädigungslosen Verzicht darüber hinaus ausgedehnt.

 

Nach dem geplanten Recht wird zukünftig der Arbeitnehmer daher weiterhin nicht gegen oder ohne Entschädigung seine unverfallbare Anwartschaft oder seine laufende Versorgungsleistung durch eine Vereinbarung mit seinem früheren Arbeitgeber und Versorgungsschuldner aufgeben können, dürfte aber nach neuem Recht im Wege der Abtretung wirksam zu Gunsten eines Dritten als Rechtsnachfolger über sie verfügen und sie verwerten. Dieser Wertungswiderspruch kann so nicht stehen bleiben.

 

Zwar ist auch in § 2 Abs. 2 BetrAVG (dazu auch sogleich nochmals) eine differenzierte Behandlung der Abfindung auf der einen und der Abtretung auf der anderen Seite angelegt. Zugleich wurde jedoch hinsichtlich der in § 2 Abs. 2 BetrAVG geregelten Verfügungsbeschränkung in der Gesetzbegründung ausdrücklich klargestellt, dass damit sichergestellt werden soll, dass im Rahmen des rechtlich Möglichen die bestehende Anwartschaft im Durchführungsweg Direktversicherung auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Versorgungszweck erhalten bleiben soll.

 

Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Zielsetzung durch die gesetzliche Neuregelung gefährdet werden sollte. Es dürfte vielmehr nach wie vor das sozialpolitische Ziel des Gesetzgebers sein sicherzustellen, dass die für die Altersversorgung versprochenen Leistungen auch im Alter hierfür zur Verfügung stehen und nicht bereits in der Anwartschaft zweckwidrig „verkonsumiert“ bzw. als Sicherungsmittel verwertet werden.

 

Befreiende Schuldübernahme / Verfügungsverbote nach § 2 Abs. 2 BetrAVG

 

Eine entsprechende Schutzbestimmung zur Sicherung des Versorgungszwecks lässt sich auch den Übertragungsverboten nach § 4 BetrAVG entnehmen. Vergleichbares gilt ferner z.B. für die Verfügungsverbote nach § 2 Abs. 2 S. 4 – 6 BetrAVG. Danach darf der ausgeschiedene Arbeitnehmer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals oder, soweit die Berechnung des Deckungskapitals nicht zum Geschäftsplan gehört, des nach § 169 Absätze 3 und 4 des VVG berechneten Wertes weder abtreten noch beleihen. In dieser Höhe darf der Rückkaufswert auf Grund einer Kündigung des Versicherungsvertrages nicht in Anspruch genommen werden; im Falle einer Kündigung wird die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt.

 

Hier zeigt sich erneut, dass die Verfügungsmacht des Versorgungsberechtigten über das vertragliche Abtretungs- und Verpfändungsverbot hinaus gesetzlich begrenzt ist, um den vertraglichen Versorgungszweck der Leistung in der besonderen Konstellation des Bezugsrechts zu gewährleisten.

 

Entgeltumwandlung

 

Soweit bAV durch Entgeltumwandlung erfolgt, muss bei Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds nach § 1b Abs. 5 Nr. 3 BetrAVG das Recht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers zur Verpfändung, Abtretung oder Beleihung seiner unverfallbaren Anwartschaft durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden.

 

Zwar ist dieser Inhalt der Versorgungsregelung unter den weiteren Voraussetzungen eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Sie ist aber auch gesetzlich vorgeschrieben und aufgrund gesetzlicher Regelung durch den Arbeitgeber umzusetzen, so dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Frage, ob er ein Abtretungsverbot vereinbart, keinen Gestaltungsspielraum hat.

 

Gestaltungsspielräume bleiben ihm aber noch dahingehend, wie er diese Regelung umsetzt. Dessen ungeachtet zeigt sich hier wiederum, dass die Verfügungsmacht des Versorgungsberechtigten über das vertragliche Abtretungs- und Verpfändungsverbot hinaus gesetzlich begrenzt ist, um den vertraglichen Versorgungszweck der Leistung in der Sonderkonstellation der Entgeltumwandlung zu gewährleisten.

 

Konsequenzen für die steuerliche Behandlung der bAV

 

Auf Seiten des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers hat das Abtretungsverbot die Funktion, Leistungen zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand von denen der bAV abzugrenzen. Leistungen zur Vermögensbildung fließen grundsätzlich mit ihrer Zahlung zu, während die Leistungen der bAV im Grundsatz unabhängig vom Zeitpunkt der entsprechenden Zahlungen im Wesentlichen aufgeschoben besteuert werden.

 

Wird die Zweckbestimmung der bAV durch die Möglichkeit vorzeitiger Verfügung im Wege einer Abtretung unterlaufen, so besteht zumindest die Gefahr, dass die Finanzverwaltung die Leistung als Leistung im Rahmen der allgemeinen Vermögensbildung mit der Folge einstuft, dass begünstigende steuerliche Regelungen, z.B. in § 3 Nr. 63 EStG, für zukünftige Beiträge und Zuwendungen nicht mehr zur Anwendung kommen können. Auch die Steuerfreiheit von Unterstützungs- und Pensionskassen steht in Frage, wenn zukünftig nicht mehr sichergestellt ist, dass es sich um Leistungen der bAV handelt, sondern Vermögensbildung betrieben wird.

 

Fazit

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Geltung der geplanten Regelung für den Bereich der bAV aus rechtssystematischen Gründen generell im Gesetzeswortlaut ausgeschlossen werden sollte.

 

Die gesetzlich beabsichtigte Unwirksamkeit des vertraglichen Abtretungsverbots in der bAV steht im Widerspruch zu dem Ziel des betriebsrentenrechtlichen Gesetzgebers, die vorzeitige Verwertung der Anwartschaften auf bAV bis zum Rentenbeginn und laufender Betriebsrenten bis zum Lebensende zu unterbinden.

 

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Neuregelung nicht auf Schuldverhältnisse Anwendung finden soll, die vor dem Inkrafttreten des geplanten Gesetzes entstanden sind (Art. 229 EGBGB-E), da mit Inkrafttreten des Gesetzes die an neueintretende Mitarbeiter erteilten Versorgungszusagen nicht mehr rechtssicher erteilt werden können.

 

Der Kreis der gesetzlichen Abtretungsverbote, die die vertraglichen Abtretungs- und Verpfändungsverbote auf bestimmte Konstellationen, wie dargestellt, ausdehnt, bleibt zwar erhalten, sollte die geplante Gesetzesfassung in Kraft treten. Nicht erhalten bleibt jedoch das zentrale, von diesen gesetzlichen Regelungen vorausgesetzte Herzstück, das vertragliche Abtretungs- und Verpfändungsverbot in der arbeitsvertraglichen Versorgungsordnung. Das führt zu unverständlichen Regelungszusammenhängen.

 

Im Übrigen gelten die betroffenen Bestimmungen zwar nicht für kollektivrechtliche Regelungen, wohl aber für arbeitsvertragliche, so dass darüber hinaus hier die Gefahr einer ungleichen Behandlung gleichartiger Sachverhalte unter diesem Gesichtspunkt droht. Auch hierfür ist für das Recht der bAV kein sachlicher Grund ersichtlich.

 

Sollte die geplante Gesetzesänderung wie vorgesehen umgesetzt werden, besteht die Gefahr, dass die bAV schwersten Schaden erleidet und ein weiteres Verbreitungshemmnis entsteht, obschon die weitere Verbreitung der bAV weiterhin das erklärte Ziel des Gesetzgebers ist.

 

Anm.d.Red.: Wie aba-Vorsitzender Georg Thurnes am 5. Mai auf der aba-Jahrestagung 2021 mitteilte, konnte mit Unterstützung des BMAS eine Anpassung des Gesetzentwurfs erreicht werden.

 

Anm.: Kurzfassung des am 30. April 2021 in der BetrAV unter der Überschrift „Verbraucherschutz als Elefant im Porzellanladen der bAV – Risiken für die bAV durch Gesetz für faire Verbraucherverträge“ erscheinenden Artikels.

 

Theodor B. Cisch, Rechtsanwalt, ist Gesellschafter der Förster & Cisch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Wiesbaden.

 

Nils Börner ist ebendort Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Gesellschafter-Geschäftsführer.

 

Von ihnen bzw. anderen Autoren der Förster & Cisch erschienen zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV:

 

Wiesbadener Gespräche zur bAV 2018:

Was nicht auf der Kapitalanlagenseite verdient wird…

von Dr. Nils Börner, Wiesbaden, 19. Februar 2018

 

Von Erfurt nach Luxemburg (I):

Vier Fragen und ein steiniger Weg

von Theodor B. Cisch und Philipp A. Lämpe, Wiesbaden, 6. Juni 2018

 

Wiesbadener Gespräche zur betrieblichen Altersversorgung 2019:

Wenn einer eine Reise tut …

von Philipp A. Lämpe, Wiesbaden, 13. März 2019

 

Von Erfurt nach Luxemburg (III):

Anderer Fokus

von Theodor B. Cisch und Philipp A. Lämpe, Wiesbaden, 21. Mai 2019

 

Wiesbadener Gespräche zur bAV 2020:

Angebots-Obligatorium, Markttrends und …

von Dr. Nils Börner, Wiesbaden, 12. März 2020

 

Risiken für die bAV durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge:

Am seidenen Faden des Verbraucherschutzes

von Theodor B. Cisch und Dr. Nils Börner, 19. April 2021

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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